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Fakten zur Aufführung 

MÖRDER KASPAR BRAND
(Anno Schreier)
14. Juni 2012
(Uraufführung)

Deutsche Oper am Rhein, Düsseldorf, Central

Points of Honor                      

Musik

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Nach der Premiere

Regisseur Philipp J. Neumann widmet sich in erster Linie zeitgenössischen Werken. Zu Mörder Kaspar Brand hat er auch gleich das Libretto geschrieben (3'46).

 

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Dirigent mit Mordwerkzeug

Das Kratzen, das Scharren, … das Ächzen von Eisen, ganz deutlich, ein berstender Pfahl, nein! Eine Mauer, die fällt! Es presst gegen meinen Schädel, presst in der Tiefe … etwas will hinaus, … eine Erinnerung, … jemand …“ Dramatisch geht es zu in der Uraufführung von Anno Schreiers Kurzoper Mörder Kaspar Brand, die in den beengten Räumlichkeiten des Central in der ehemaligen Paketpost am Hauptbahnhof stattfindet. Der verhältnismäßig kleine Raum verstärkt die Intensität einer Handlung, die Philipp J. Neumann in eine Zirkusarena verlegt. Detailreich schildert der Regisseur, der auch das Libretto in Zusammenarbeit mit dem Komponisten Anno Schreier verfasst hat, die Geschichte eines Mordes, ohne klare Strukturen zu schaffen. Gastronom Kaspar Brand erschlägt seinen Konkurrenten Moritz Sandelmann und gerät darüber in Verzweiflung. In Rückblenden wird die Vorgeschichte angedeutet, während Brand mehr und mehr den Bezug zur Wirklichkeit verliert. Erst allmählich und in Andeutungen verdichtet sich, was im Schlussbild schreckliche Gewissheit wird. In der Mitte der Arena liegen auf dem Sandboden zwei in Plastikfolien verpackte Leichen.

Das Werk spielt in der Zeit von 1969 bis 1975. Karoline Schreiber wählt zeitgemäße Kostüme, das Orchester wird mit den Uniformen der Zirkusmusiker eingekleidet. Ausgezeichnet Neumanns Personenführung in und um das Kreisrund der Arena: In ausgewogener und durchdachter Bewegung steht hier keiner rum, um sein Liedchen zu trällern. Stattdessen bleiben die Akteure in steter Beziehung zueinander. Volker Weinhart leuchtet die Szene angemessen aus, konzentriert sich auf wenige Highlights und unterstreicht damit die Konzentration auf das Personal. Lukas Kretschmer hat Videoprojektionen entwickelt, die sich in ihrem Schwarzweißminimalismus hervorragend in die Inszenierung einfügen.

Ein ausgesprochen glückliches Händchen beweist Neumann in der Besetzung. James Bobby spielt und singt den Kaspar Brand mit großer Detailliebe und hoher Intensität. Moritz Sandelmann wird von Richard Šveda mit eben der Überheblichkeit gespielt, die dem Großgastronom zu Eigen ist. Auch sein Gesang wunderbar differenziert, so dass die Übertitel fast überflüssig werden. Anke Krabbe begeistert als Nadja Brand in Stimme und Darstellung. Perfekt unterstützt werden die Protagonisten von Iryna Vakula als Novize, David Jerusalem als Bühler und Ovidiu Purcel als Rosen. Madeleine Hellrung spielt Hannah, die Tochter von Kaspar und Nadja mit großer Natürlichkeit und schöner Bühnenpräsenz. Einen gelungenen Einfall stellt der Einsatz des Pantomimen Angelo Petruccelli dar, der den zirzensischen Charakter mit seiner turmhohen Clownsmütze unterstreicht.

Auch der Kammerchor – Markus Fohr hat die Studenten der Robert-Schumann-Hochschule für Musik Düsseldorf sehr sorgsam einstudiert – wird nicht etwa „abgestellt“, sondern in das Geschehen einbezogen. Das passt nicht nur, sondern gefällt auch.

Die Musik Anno Schreiers ordnet sich meistens dem Geschehen unter, konterkariert oder ironisiert nur an wenigen Stellen. Von atonalen Passagen bis zu angedeuteten Walzerklängen hat Schreier eine atmosphärisch dichte Musik geschaffen, die sich mit dem Bühnengeschehen stark verwebt. Wen-Pin Chien führt die Düsseldorfer Symphoniker hochkonzentriert, streckenweise mit mechanisierten Bewegungen, immer aber mit klaren Anweisungen durch die zeitgenössische Partitur. Seinen Taktstock hat er wieder einmal gegen ein Accessoire getauscht, das einen direkten Bezug zum Stück hat. Es ist ein Schraubenschlüssel – die Mordwaffe.

Bedauerlicherweise haben nur wenige junge Gäste auf die tribünenhaft angeordneten Stuhlreihen im vollständig ausverkauften Auditorium gefunden. Die gespannte Erwartung im Vorraum weicht konzentrierter Spannung im Theater, die sich in langanhaltendem Applaus mit vereinzelten bravi entlädt. Hervorzuheben ist das Programmheft, das inhaltlich keine Wünsche offen lässt und gleich auch das Libretto mitliefert. So darf man den kurzen Abend an kleiner Spielstätte sehr wohl als gelungenen Einstand dessen bezeichnen, was die Deutsche Oper am Rhein als Uraufführungsserie angekündigt hat: Bis zur Spielzeit 2013/14 werden insgesamt vier Auftragskompositionen gezeigt. Als nächste Uraufführung steht Helmut Oehrings SehnSuchtMEER im kommenden Jahr auf dem Programm.

Michael S. Zerban



Fotos: Hans Jörg Michel