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Fakten zur Aufführung 

LOHENGRIN
(Richard Wagner)
18. Januar 2014
(Premiere)

Deutsche Oper am Rhein, Düsseldorf


Points of Honor                      

Musik

Gesang

Regie

Bühne

Publikum

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Vom Schwanenritter zum Weißen Ritter

Die Geschichte von Lohengrin ist relativ schnell erzählt. Banker befinden sich in einer Übernahmeschlacht, ein Weißer Ritter erscheint und rettet die Firma. Der bisherige Vorstandsvorsitzende muss gehen, nicht ohne eine ordentliche Abfindung zu kassieren. Er gibt sich, angetrieben von einer ehrgeizigen Gattin, damit nicht zufrieden. Die in der Firma verbliebenen Sympathisanten versuchen, ihn erneut zu inthronisieren. Vergeblich. Letztlich bleibt der frühere Vorstandsvorsitzende auf der Strecke, seine Frau verschwindet in der Bedeutungslosigkeit. Der Weiße Ritter, auf den nun alle ihre Hoffnungen setzen, bekommt erst mal das Beste, was die Bank zu bieten hat: Eine Schönheit aus Adelskreisen. Die aber hält die Absprachen nicht ein, was zur Folge hat, das der Weiße Ritter wieder verschwindet.

Das ist Wagners Lohengrin. Also, zumindest die Oper, wie Regisseurin Sabine Hartmannshenn sie sieht – und zu inszenieren versucht. Es funktioniert in allerlei Hinsicht nicht. Ein bisschen Kapitalismus-Kritik ist wie ein lauer Furz an der Börse. Das langweilt. Wenn von Schwertern gesungen und dabei ein Koffer übergeben wird, das Publikum ein Stück Papier für ein Horn, einen Ring und ein Schwert halten muss, wird der Fantasie ein wenig viel abverlangt. Da wäre dann auch mutig und konsequent, den Text zu ändern. Aber wer traut sich das bei Wagner schon? Der Halbherzigkeiten gibt es viele. So wird Telramund von Elsa mit einer Flasche zwei Mal auf den Kopf gehauen und ist auf der Stelle tot. Pseudopazifismus mag ja noch angehen; aber bei einer Aufführungsdauer von viereinhalb Stunden langweilt so etwas eher, anstatt Applaus für politische Korrektheit einzuheimsen. Immerhin kann Hartmannshenn für sich beanspruchen, dass bei ihrer Inszenierung kein Tropfen Blut geflossen ist. Prima. Wer wissen will, was Hartmannshenn sich zur Inszenierung gedacht hat, kann sich den Blick in das Programmheft übrigens sparen. Dass eine solche Handlung eintönige Kostüme zur Folge hat, findet Susana Mendoza nur konsequent. Banker tragen Anzüge. So verlangt es die Konvention. Und so erscheinen die Akteure auf der Bühne. Der Weiße Ritter kommt im casual wear daher. Klar, wer Visionen hat, steht über den Dingen, bis er Teil des Systems wird. Also bekommt auch Lohengrin einen Anzug, später einen unsäglichen hellgrauen Hochzeitsfrack mit lachsfarbener Weste. Elsa als Goldstück darf zwischenzeitlich ein schwarzgoldenes Abendkleid tragen, ehe sie den Rest der Veranstaltung im Brautkleid verbringt. Fantasie zeigt Mendoza, wenn es um die Damenkleider der Hochzeitsgesellschaft geht. Da darf sie aus dem Vollen schöpfen. Vor allem an Hutbekleidungen à la Gaultier findet sie Geschmack. So kommt Farbe ins eher düstere Bühnenbild von Dieter Richter. Ein großes Rund mit einem Galeriegang oberhalb der Bühne. Im Zentrum eine metallene Freitreppe. Dahinter ein Foto – vielleicht von Frankfurt? So genau kann man das nicht erkennen. Davor ein Podest, von dem ein paar Stufen zur Rampe führen. Im ersten Akt baut Richter noch eine Holzwand vor die Freitreppe. Über allem hängt ein weißer Ring – Heiligenschein, Symbol der Ehe oder Hinweis auf eine Organisation, die sich um Verbrechensoper kümmert? Man weiß es nicht. Volker Weinhart jedenfalls leuchtet das Geschehen, wie so oft, geschmeidig ohne große Überraschungseffekte aus.

Eigentlich hat Sabine Hartmannshenn keine Angst vor Bewegung auf der Bühne. Und schon gar nicht, wenn daran viele Menschen beteiligt sind. So sind Chor und Extrachor der Rheinoper denkbar oft zugegen. Selbst in der Hochzeitsnacht dauert es eine ganze Weile, bis Elsa und Lohengrin mal für sich sind. Sowie ein Sänger, eine Sängerin den Mund aufmacht, ist dann aber weitestgehend Schluss mit Bewegung. Bei der Länge der Aufführung kann man sich also wirklich ausgiebig auf Gesang und Musik konzentrieren.

Der Gesang ist durchaus durchwachsen. Großartig, souverän, scheinbar mühelos bewegt sich der Bass von Hans-Peter König durch die Partie von König Heinrich. So muss ein Bass klingen. Die Überraschung des Abends ist Simon Neal, der mit seinem Telramund begeistert. Sein Bariton hat ein Volumen, das selbst im Forte eines Wagner-Orchesters noch nahezu unangestrengt überlebt. Roberto Saccá kommt nicht ganz an die Leistungen eines Corby Welch heran, der hier in der Zweitbesetzung vorgesehen ist, bewältigt den Lohengrin aber mehr als ordentlich – und vor allem konstant über die gesamte Aufführung hinweg. Der Heerrufer rangiert üblicherweise eher unter ferner liefen. Ausnahmetalent Bogdan Baciu allerdings ist der Erwähnung wert. Er meistert den Part mit seinem schönen Bariton absolut überzeugend. Auch schauspielerisch zeigt er eine reife Leistung. Weniger erfreulich präsentieren sich die Damen. Manuela Uhl hat an diesem Abend möglicherweise das Lampenfieber übermannt. Ihre Elsa von Brabant ist eher zurückhaltend, was Spiel und Gesang angeht. Sie ist so bemüht, ihrer Stimme in der Mittellage einen lyrischen Klang zu verleihen, dass der Text „verhaucht“ und kaum mehr verständlich ist. In den Höhen klingt sie eher an der Grenze. Erst nach dem Tod von Telramund findet sie für einen Moment zu ihrer Stärke und zeigt ihr ganzes Können. Das wird sich in den Folgevorstellungen sicher noch ganz anders anhören. Schauspielerisch bekommt sie wenig Möglichkeiten, sich zu profilieren. Da ist Susan Maclean in der besseren Position und beweist ihre Erfahrung. Mit der Stimme, die sie der Ortrud leiht, ist es überraschenderweise nicht weit her. Ein starkes Vibrato und angestrengte Höhen sollen, vor allem in ihrer Schlussszene, möglicherweise die Hysterie der Ortrud zeigen, klingen aber nicht wirklich schön. Da sind die Übertitel, die Chefdramaturgin Hella Bartnig eingerichtet hat, eine echte Bereicherung.

Ob zwischen den einzelnen Disziplinen in den Vorbereitungen dieser Aufführung ein Wettkampf geherrscht, wer es denn am lautesten kann, lässt sich nicht sagen. Aber auch Chor und Extrachor der Deutschen Oper am Rhein in der Einstudierung von Gerhard Michalski geben alles. Anstatt auf die Differenziertheit zu vertrauen, demonstrieren auch die Choristen die „Größe Wagnerscher Musik“.

So richtig ins Zeug legt sich Axel Kober. Nach ein paar Anlaufschwierigkeiten der Düsseldorfer Symphoniker hat der GMD sein Orchester im Griff. Mit weit ausholender Geste betreut er Orchester, Chor und Sänger und genau in dieser Reihenfolge. Wenn Richard Wagner eine Musik der Extreme angestrebt hat, hat Kober an diesem Abend wundervolle Arbeit geleistet.

Die Piano-Stellen immerhin nutzt das Publikum gern, um die Bronchialtoilette durchzuführen. Im ausverkauften Haus hat das noch einmal eine ganz besondere Wirkung. Und es führt offensichtlich zu besserer Stimme. So sind vor den Pausen einzelne Bravo-Rufe zu hören. Am Ende siegt das Sitzfleisch. Der Applaus verteilt sich auf die Akteure gleichermaßen, wenn man von Hans-Peter König absieht, der frenetisch bejubelt wird. Trotz aller Einzelkritik ist es Hartmannshenn am Ende des Abends gelungen, eine harmonische, unaufgeregte Inszenierung auf die Bühne zu bringen.

Michael S. Zerban

Fotos: Hans Jörg Michel