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Fakten zur Aufführung 

IN DEINEN ARMEN
(Jost Budde & Friends)
1. November 2013
(Premiere)

Tanzhaus NRW


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Cooler Mix

Tango ist die vielleicht schönste Schnittstelle zwischen Musiktheater und Publikum. Das zeigt das Tanzhaus NRW mit seinem Tango-Festival, das ein verlängertes Wochenende dauert und ein umfangreiches Programm mit einer Bühnenaufführung, zahlreichen Milongas und Workshops bietet. Jost Budde, Künstlerischer Leiter des Festivals, gehört zu den Stars mindestens der deutschen Tangoszene, die vor einigen Jahren einen regelrechten Hype verbuchen konnte. Inzwischen, beobachtet Dorothee Schackow, Leiterin der Programmlinie Tänze der Welt, sei da wieder eine gewisse Beruhigung eingetreten, allerdings auf ausgesprochen hohem Niveau. Das verwundert kaum: Wen das Tango-Fieber einmal gepackt hat, den lässt es so schnell nicht mehr los. Die Grundzüge des Tanzes sind relativ schnell erlernt, bis zur Perfektion können allerdings schon mal Jahre vergehen. Gleichwohl liegt die Faszination des Tangos weniger in der Ausführung der Tanzschritte, sondern eher im assoziierten Lebensgefühl und der unendlich fassettenreichen Musik.

Das wollen auch Jost Budde & Friends mit ihrer Inszenierung In deinen Armen vermitteln, und es gelingt. Auf der samtschwarz ummantelten Bühne ist hinten rechts ein Podium für die Musiker vom Cuarteto SolTango aufgebaut. Mit sparsam eingesetzten Effekten, aber sehr stimmungsvoll gesetztem Licht und ein wenig Bühnennebel gelingt es Philipp Zander, jene Faszination eines argentinischen Tanzbodens wachzurufen, die das Klischee vom Tango so stark geprägt hat. Die verrauchte Kneipe, in der Männer und Frauen sich in Sehnsucht, Trennung und Liebe miteinander bewegen, ihr Leben, ihre Sorgen und Nöte ebenso wie ihre Gefühle in Tanzschritte gießen. Von Janis Joplin stammt in einem anderen Zusammenhang das Zitat „Freedom’s just another word for nothing left to lose“. Diese Freiheit haben die Argentinier einst im Tanz zu einer Musik gefunden, die so seelenhaft wie sehnsuchtsvoll erklingt.

Budde hat Daniela Feilcke-Wolff und Raimund Schlie, Tanzlehrer aus Berlin, Gabriele Koch als Vertreterin des zeitgenössischen Tanzes sowie Susanne Opitz und Rafael Busch als eines der bekanntesten Tango-Tanzpaare Deutschlands zu dieser Inszenierung eingeladen. Hinzu kommen Stefanie Clausen und Mareike Focken aus dem eigenen Haus. Gemeinsam zelebrieren sie das Thema Umarmung. In einer wunderbar gelungenen Mischung aus klassischen Tango-Elementen, zeitgenössischem Tanz, Tanztheater und Konzert gelingt es den Tänzerinnen und Tänzern, die Umarmung in all ihren Nuancen zu zeigen. Von der zaghaften bis zärtlichen Annäherung, von der Behutsamkeit bis zur Rücksichtslosigkeit, von der sanften bis zur leidenschaftlichen Umarmung, von der fragenden Berührung bis zur Ablösung finden sich alle Aspekte dieser möglicherweise menschlichsten Form der Begegnung.

Eingebettet wird die tänzerische Aufführung in einen musikalischen Spannungsbogen vom traditionellen Tango bis zu modernsten Trends. Das Cuarteto SolTango mit Rocco Boness am Bandoneón, dem Pianisten Martin Klett, Mathieu van Bellen an der Geige und Karel Bredenhorst am Cello vermittelt die Klangwelten des Tango eindringlich, suggestiv und überzeugend. Die Musiker begeistern von der ersten bis zur letzten Minute – besonderer Höhepunkt ist aber sicher das Solo am Bandoneón.

Insgesamt dürfen die Zuschauer im gut besuchten Tanzhaus eine rundherum gelungene Veranstaltung erleben. Zwei Zugaben runden ein absolut kurzweiliges Programm ab. Selten sind zwei Stunden scheinbar so schnell vergangen. Und für viele Besucher vielleicht das Schönste: Anschließend dürfen sie selbst auf die Tanzfläche, um der gezeigten Exzellenz nachzueifern.

Michael S. Zerban