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Fakten zur Aufführung 

FIGARO
(Markus Bothe nach
Wolfgang Amadeus Mozart)
4. Januar 2012
(Premiere am 31. Dezember 2011)

Schauspielhaus Düsseldorf


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Türchen, öffne dich

Figaro – nein, das ist nicht die opera buffa von Mozart und da Ponte, sondern ein spritziges, kurzweiliges, temporeiches Singspiel von Markus Bothe, der Le Nozze di Figaro für das Schauspiel bearbeitet und das Ergebnis für das Schauspielhaus Düsseldorf inszeniert hat. Herausgekommen ist dabei ein aktualisiertes, zweistündiges Stück, das verrückt und frisch genug ist, das Publikum auch ohne Pause von Anfang bis Ende zu fesseln.

Bothes Bühnenspektakel dreht sich um die innere und äußere Gefangenheit. Robert Schweer baut ihm dazu eine halbrunde Bühne, deren Rückwand mit dreißig Türen durchsetzt ist. Der Boden symbolisiert mit seinem Intarsien-Parkett das Schloss, zwei Flügel und dazugehörige Bänke stellen das Mobiliar. Türen stehen so einerseits als Begrenzung und Schutz, andererseits verliert sich, wer hindurchgeht, in einem unbestimmten Raum. Vielleicht in der Freiheit außerhalb der bestehenden Verhältnisse. Konsequent werden deshalb, wenn es in den Garten hinausgeht, die Türen von den Schauspielern ausgehängt, die Strukturen sichtbar gemacht; was bleibt, ist nicht viel mehr als ein Gerüst, an dessen Grundelementen man sich entlang hangeln kann, ohne allerdings wirklich Halt zu finden. Auch der Standesdünkel, der sich doch am ehesten in der Kleidung festmacht, wird von Justina Klimczyk virtuos aufgelöst. Zwar wählt sie bei ihren Kostümen Rokoko-Elemente, löst sie aber permanent ironisch auf. Die Perücken werden eher als Hüte verwendet, Strümpfe der Herren verrutschen schon mal oder geraten bei den Musikern zu Ringelsöckchen, die Reifröcke der Damen entgleiten jeder Form. Daraus entstehen schon mal die Auflösung jeder Ordnung, aber auch erotische Momente, ohne aufdringlich oder prüde-versteckt zu wirken. Konstantin Sonneson unterstützt die Wirkung des Geschehens mit unaufdringlichen, sparsamen Lichteffekten.

Genau diese Freiheit, die Klimczyk sich bei den Kostümen nimmt, scheinen die Darsteller zu brauchen, um ihre ganze Spielfreude auf die Bühne zu bringen. Allen voran Anna Kubin, die mit viel Witz die Susanna modern, unprätenziös, ja, eben als Frau von heute darstellt. Bei aller Liebe zu ihrem Figaro darf’s ja auch mal ein bisschen Lust sein. Ihre Stimme muss sich nicht in die Partie fügen, sondern gleitet wie selbstverständlich hindurch. Ganz und gar lustig, erotisch und unbändig lässt es Simin Soraya beim Cherubino angehen. Florian Jahr gibt den richtig sympathischen Figaro, der eher im Geschehen mittreibt, anstatt schwülstig in den Vordergrund zu rücken. Das gilt auch für den Grafen Almaviva, dem Moritz Führmann sehr gekonnt eine leise Dramatik gibt, ohne den schnellen Lauf zu stören. Claudia Renner ist vielleicht nicht das, was man sich als Gräfin vorstellt, überzeugt aber gerade in diesem völlig anderen Auftritt und vor allem in der stimmlichen Qualität, wenn sie eine der wenigen anspruchsvolleren musikalischen Stellen voller Hingabe interpretiert. Die Marcellina der Verena Reichhardt ist ein wenig überdreht, weil es die Rolle verlangt, ihre Stimme hat sie aber jederzeit angenehm im Griff. Eindrucksvoll auch die stimmliche Variabilität von Steffen Shortie Scheumann, der sowohl den Bartolo als auch den Antonio humorvoll ohne Klamauk hinbekommt. Ein genialer Kunstgriff ist Bothe gelungen, indem er den Basilio auf zwei Personen aufteilt. Kornelius Heidebrecht und Henning Beckmann sind neben der Rolle des Basilio für die instrumentalen Einsätze zuständig. Und was die beiden Musiker an den verschiedensten Instrumenten unter ständigem körperlichem Einsatz zu Wege bringen, ist einfach faszinierend.

Heidebrecht ist zudem für die Arrangements und die musikalische Leitung zuständig. Er legt nicht die Maßstäbe der Opernvorlage an, sondern reduziert auf die Möglichkeiten seiner Sänger und schafft so ein stimmiges Gesamtbild.

Nach knapp zwei Stunden geht eine Komödie zu Ende, die nicht immer frei von Slapstick ist, Opernfans nur bedingt Freude bereiten dürfte, aber einen Besuch wert ist. Das sieht zumindest das Publikum so, das mit vereinzelten Bravo-Rufen zu einem angemessenen Urteil kommt.

Michael S. Zerban

 



Fotos: Sebastian Hoppe