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Fakten zur Aufführung 

COSÌ FAN TUTTE
(Wolfgang Amadeus Mozart)
20. April 2012
(Premiere)

Robert-Schumann-Hochschule Düsseldorf, Partika-Saal

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Betrug als Lebensprinzip

Wenn die Opernklasse einer Musikhochschule eine Arbeit vorstellt, mag für so manchen die Assoziation zum Schülertheater nicht weit sein. Zumindest heutzutage ist das ein hochprofessionelles Unterfangen, das der Aufführung eines Opernhauses in – fast – nichts mehr nachsteht. Das zeigt die Robert-Schumann-Hochschule in Düsseldorf mit ihrer Così fan tutte. Eine Kooperation mit der Deutschen Oper am Rhein sorgt für die nötigen Rahmenbedingungen, und die Lehrer, die die Aufführung betreuen, tragen prominentere Namen, als sie dem einen oder anderen Studenten in den ersten Berufsjahren wieder unterkommen werden. Da fehlt selbst ein Live-Streaming im Internet nicht.

Thomas Gabrisch, Leiter der Opernklasse und musikalischer Leiter der Aufführung, ist in diesem Jahr in der glücklichen Lage, über Studenten mit ausreichendem Potenzial zu verfügen, so dass er seinen Schülerinnen und Schülern die Così zumutet, wohl wissend, dass eine lange Spieldauer für wenige Solisten eine extreme Herausforderung darstellt. Von den gesanglichen Leistungen ganz zu schweigen. Regisseur Gregor Horres hat ein ganz anderes Problem. Er blickt auf unzählige Inszenierungen der Così zurück und will dem Stück doch wieder einen neuen Aspekt abgewinnen, ohne seine Schüler – und das Publikum – zu überfordern. Also reduziert er das romantische Spiel um Liebe und Treue, Verwechslung und Verrat auf seine Essenz, eine zugegebenermaßen bittere und bitterböse Essenz. Es geht um Betrug. Betrug im ganz großen Stil, systemimmanenten Betrug. Als Bild dafür wählt der Regisseur die Banken, gegen die sich die Occupy-Bewegung mit weiß angemalten Gesichtern und in den Mund gestopften Geldscheinen zur Wehr setzt. So sind auch die Gesichter des Chores an diesem Abend geweißt. Eine an sich gute Idee, die sich allerdings sehr schnell im Spiel verliert und in die alten Bahnen der „Schule der Liebenden“ zurückgleitet. Eine konsequentere Umsetzung hätte dem Stück sicher gedient. Aber letztlich geht es um die Studenten, die sich in einer Aufführung beweisen sollen. Da stehen Darstellungs- und Sangeskünste im Vordergrund.

Jan Bammes hat eine großzügige Bühne in den Partika-Saal der Hochschule gestellt. Mit dem Arrangement einzelner Möbelgruppen wie einer Sofa-Garnitur links, einem roten Bett im Mittelpunkt, dahinter ein Arbeitsplatz und rechts einer Bar mit Tischen schafft Bammes imaginäre Räume, die nach hinten von einer viele Meter hohen Wand abgeschlossen werden, hinter der sich hoch oben eine weitere Ebene befindet, so dass dort wahlweise der Chor oder Alfonso auf das  Geschehen herabblicken und es sozusagen aus höherer Warte beeinflussen. In diesem Ambiente bewegen sich die Sängerdarsteller zunächst in typisierten Kostümen der Geschäftswelt, die später  zeitgemäßen Phantasiekostümen weichen. Yvonne Forster hat hier eine ganz eigene, aber durchweg stimmige Sprache gefunden. Unterstützt wird die Stimmung durch eine einfühlsame, unaufdringliche Lichtgestaltung.

Die Studenten danken den Aufwand mit großartigen Leistungen. Sie haben in den vergangenen acht Wochen hart an sich gearbeitet. Das zahlt sich jetzt aus. Von der ersten Sekunde an ist keine Nervosität spürbar. Mit größter Selbstverständlichkeit bewegen sie sich sicher auf der Bühne, die Stimmen fest im Griff. Hier soll jetzt nicht kleinlich nachgekartet werden. Natürlich fehlt es hier und da noch an Substanz und Volumen, gerät der Sopran in den Höhen zu spitz, der Bass zu blass, der Tenor zu mau. Das aber steht den Studenten zu, weil die Stimmbildung einfach auch zu einem Teil von Erfahrung und Lebensalter bestimmt ist. Womit sie allesamt überzeugen, ist die Ernsthaftigkeit und der eiserne Wille, sich von der besten Seite zu präsentieren.

In zahlreichen Verkleidungen präsentiert sich Monika Rydzkowski mal als Despina, Notar, Arzt oder Barmädchen, immer sehr sexy, lustig, ein wenig verspielt und sorgt für viel Freude. Dass sie sich gerade am angeklebten Schnäuzer spielt, als im Obertitel von der Ärztin zu lesen ist, liegt ja nun nicht an ihr, sorgt aber beim aufmerksamen Publikum für Schmunzeln. Lisa Zimmermann verleiht der Fiordiligi eine schöne Stimme auf Kosten der Beweglichkeit. Ihr großer Moment ist gekommen, als sie Ferrandos Drängen nachgibt und sich Stimme und Körper vereinen. Auch Charlotte Reese überzeugt vom ersten Augenblick an, was Stimme, aber auch die Schauspielkunst angeht. Ihre Dorabella ist beweglich, kokett, sehr präsent.  Zwischendurch neigt sie zur großen, dramatischen Geste – was vielleicht gewollt sein mag, aber dann ein schlechter Einfall war. Wenn es ihr gelingt, das Kunstvolle abzulegen, werden wir sicher noch oft von ihr hören. Ricardo Marinello strahlt sehr viel Souveränität aus, wirkt aber auch ein wenig behäbig, obwohl er an den entscheidenden Stellen genau das Gegenteil beweist. Damit überzeugt er manchmal sogar mehr noch als Frederik Baldus, der den Gugliemo sehr quirlig spielt, aber mit seiner Rolle vielleicht noch ein wenig zu respektlos umgeht. Artur Grywatzik schließlich hat mit dem Alfonso ganz sicher eine der schwersten Rollen gewählt. Dafür schlägt er sich tapfer.

Bei aller Kritik, die hier nur Haare spaltet: Den jungen Leuten gelingt es, echtes „Opernfeeling“ herzustellen und das Publikum in ihren Bann zu ziehen. Ihr Spiel, ihre Stimmen verzaubern  Zuschauer und Zuschauerinnen. Ganz kurzweilig kommt einem da die dreistündige Aufführung vor. Und das schafft so manches Opernhaus nicht! Der Chor kommt in seinen wenigen Passagen mit Macht und beeindruckt, macht Spaß, lädt ein, sich auf den Rhythmus einzulassen.

Thomas Gabrisch dirigiert das fabelhaft spielende Orchester, Ensemble und Chor hochkonzentriert, fängt seine Akteure auf der Bühne ab, und ist dabei sehr entspannt. Die Arbeit der letzten Wochen hat sich ausgezahlt, keiner hat enttäuscht, da überwiegt die Freude. Das ist seinem Dirigat anzumerken. Seine Schüler haben Schwimmen gelernt, erzählt er in der Pause und: „Dafür lohnen sich die Anstrengungen immer wieder; so schön ist das“.

Das Publikum ist begeistert. Szenenapplaus, Bravo-Rufe in der Vorstellung und ein ordentlicher Schlussbeifall, vor allem aber viele Gratulationen im Foyer sind der Dank für den Zauber dieses Abends. Schade, dass der Rektor nach der Vorstellung nicht ein paar Worte des Dankes fand. Schade auch, dass der Kulturdezernent der Stadt schon in der Pause gehen musste. Sicher werden ihn noch andere Termine getrieben haben. Er hat was verpasst.

Michael S. Zerban





Fotos: Susanne Diesner
(Die Besetzung weicht in den einzelnen
Aufführungen voneinander ab. Deshalb
sind hier nur Beispielfotografien
aufgeführt)