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Fakten zur Aufführung 

CODA - JOHANN SEBASTIAN BACH CELLO-SUITE IN C-MOLL
(Jacqueline Fischer)
8. Januar 2014
(Premiere)

Forum Freies Theater, Düsseldorf


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Die im Dunkeln tanzen, sieht man nicht

Das Theater der Klänge ist ein Ensembletheater mit Produktionsräumen in Düsseldorf, das jährlich eine Neuproduktion erstellt und diese dann bei Gastspielen auf der ganzen Welt präsentiert. Kopf und Gründer des Ensembles ist Jörg Udo Lensing, der auch die Inszenierung der diesjährigen Produktion verantwortet. Coda – Johann Sebastian Bach Cello Suite in c-moll lautet der etwas behäbige Titel, der unter dem Zitat von Mario Vargas Llosa steht: „Wer seine Kultur verliert, verliert sich selbst“. Also kümmert Lensing sich um das kulturelle Erbe Bach'scher Musik, aber eben mit Coda; und das hat dann nicht mehr arg viel mit Bach zu tun. Als Coda wird der angehängte, ausklingende Teil eines Musikstückes bezeichnet, der üblicherweise noch einmal die wesentlichen Charakterzüge des gesamten Stücks aufgreift. Bei der Premiere im Forum Freies Theater Düsseldorf wird schnell deutlich, dass die Coda hier gleich mal die ganze zweite Hälfte des Abends umfasst und nicht von Johann Sebastian Bach, sondern im Wesentlichen von Thomas Neuhaus stammt.

Der Bühnenraum, der den Besuchern zu Füßen liegt, ist leer. Ein paar silberfarbene Vorhänge im Hintergrund, die später als Projektionsfläche dienen, ein Stuhl, ein Notenständer. Auftritt der Cellistin Beate Wolff. Kurze Verbeugung, Einrichtung des Instruments, Vorspiel. Der musikalische Vortrag der Suite klingt eher stumpf. Es fehlen Transparenz und Brillanz. Zum Ende des Abends wird man sich fragen, ob das so gewollt ist. Mit Beginn der Tanzsätze treten Nina Hänel und Phaedra Pisimisi in weißen, halbtransparenten Overalls auf, über die sie im darauffolgenden Satz weite schwingende Röcke streifen. Videoprojektionen auf dem Fußboden geben ihrer Tanzrichtung den Verlauf vor. Choreographin Jacqueline Fischer hat hier in Zusammenarbeit mit den Tänzerinnen bewusst geometrische Linienverläufe im Raum gewählt. In Ansätzen werden typische Figuren, Haltungen und Gesten des barocken Tanzes erkennbar. Wenn man denn etwas erkennt. Boris Kahnert folgt mit seinem Licht der häufigen Marotte zeitgenössischen Tanzes und lässt nicht viel mehr als die Silhouetten der Tänzerinnen erkennen oder maximal einzelne Körperteile im Scheinwerfer erstrahlen. Das ist kein besonderer Kunstgriff, sondern schlechtes Handwerk. Da hilft auch nicht, wenn die Tänzerinnen zur Projektionsfläche von Licht und Videoeinspielungen werden. Eine einzige Szene im ersten Teil bereitet wahrhafte Freude. Da nimmt Bahnert mit einem Spot die Füße Hänels in den Fokus, die die klassischen Tanzschritte des Barock vollführen. Eine Schande ist es vor allem deshalb, weil Hänel und Pisimisi eigentlich begnadete Ausdruckstänzerinnen sind, die nicht verdienen, als Silhouetten „verbraten“ zu werden.

In der zweiten Hälfte demonstriert Lensing, was er unter dem Erbe Bachs versteht. Auftritt Wolff, kurze Verbeugung, Einrichtung des Instruments – und dann geht es los. Das Cello wird nun elektronisch verstärkt und mit zahlreichen Effekten behaftet. Neuhaus verwendet nurmehr Motive aus der Cello-Suite, die er stark verfremdet und zu den Tanzsätzen vom Band laufen lässt. Erst zum Gigue, dem letzten Satz, kommt Wolff wieder zum Einsatz. Hier verwandelt sie ihr Cello zum Zupf- und Schlaginstrument. Es wird eine der stärksten Stellen des Abends. Doch bis dahin gilt es noch, die Videokünste Tobias Rosenbergers zu erleben. Der wechselt die Perspektive. Zeigt er im zweiten Prélude noch ein flackerndes und flimmerndes Video mit Motiven barocker Schlösser und Theater, sind es in den Tanzsätzen die Bewegungsformen der Tänzerinnen, die verfremdet auf die Projektionsflächen geworfen werden. Hänel und Pisimisi, jetzt in bronzefarbenen respektive grünen Overalls, tanzen im Vierteldunkel mit versteinerter Miene und sind doch nur Material im Gesamtkonzept. Wenn das Ergebnis „integrativer, intermedialer“ Bühnenarbeit – so das erklärte Ziel des Theaters der Klänge – das der Unterordnung der Menschen unter die Medien ist, ist das indiskutabel. Auch dann, wenn die Menschen, wie in diesem Fall, mit ihren Bewegungen die Projektionen beeinflussen. So beeindruckt das Stück mit einer Flut an Sinneseindrücken, ohne wahrhaft zu überzeugen.

Beim Zwischenbeifall ist der „Fanblock“ zu hören. Zum Ende werden die Künstlerinnen mit verhaltenem Applaus bedacht. Vielleicht kommt man mit dem Einsatz zusätzlicher Medien zu neuen Ausdrucksformen im Theater. Sicher ist das nicht.

Michael S. Zerban

 

Fotos: Oliver Eltinger