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Fakten zur Aufführung 

LES BALLETS TROCKADERO DE MONTE CARLO
(The Trocks)
23. Juli 2013
(Gastspiel)

BB Promotion an der Deutschen Oper am Rhein, Düsseldorf


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Jeder Fehler sitzt

Braucht das wirklich irgendjemand? Männerballett? Wir kennen das doch zur Genüge. Auf jeder besseren oder inzwischen mittelprächtigen Jubiläumsparty treten sie auf – in roséfarbenen Tutus, bartstoppelig und unbeholfen. Ein echter Schenkelklopfer, gern als Can Can präsentiert. Und wer Männer im klassischen Ballett erleben will, geht eh zu Schläpfer; da werden Frauen allmählich ohnehin zum Auslaufmodell. Les Ballets Trockadero de Monte Carlo, 1974 in New York gegründet, damals vermutlich eine Besonderheit, bieten Ballett-Klamauk, Travestie-Tanz oder zumindest irgendwas dazwischen. Die Plakate in der Stadt verkünden Comedy. Schlimmer geht’s nimmer. Und das Ganze in der Düsseldorfer Oper. Sind die noch bei Sinnen?

Nichts ist so, wie es scheint. Die Fans der „Trocks“ und Freunde der Comedy haben an diesem Abend jeden Platz in der Oper belegt. Sie okkupieren förmlich das Haus, mit dem sie sonst kaum etwas anfangen können. Jetzt hat ihre Stunde geschlagen, und sie werden dem herkömmlichen Opernpublikum, das „selbstverständlich“ ferngeblieben ist, schon mal zeigen, wie man einen solchen Abend gestalten kann. Nichts ist mit andächtiger Stille im Saal. „Ich könnte mich totlachen“ ist da ebenso laut zu hören wie „Da is ja jetzt Vollmond“. Alle Klischees stimmen, der Abend kann beginnen. Und er beginnt mit einer Ansage, die selbst bei kritisch zurückhaltenden Menschen Lacher auslöst.

Was dann passiert, ist ein Ausritt in einen anderen Kosmos. Markenzeichen der Compagnie ist, nach den Originalchoreografien der Ballets Russes zu tanzen. Na ja, im Großen und Ganzen. En detail entgleist die Miene des Tänzers zu Grinsen oder Frust, gelingt ein Schritt nicht so wie im Original, werden die Schwäne in Schwanensee schon mal zu Schwälbchen. Aber: Es gibt keinen Klamauk. Gezeigt wird Präzisionsarbeit, die bei anderen Compagnien längst nicht mehr so ernst genommen wird. Jeder Fehler sitzt. Das Publikum johlt. Wenn im Sterbenden Schwan die Federn aus dem Tutu fallen, kennen Zuschauerinnen und Zuschauer kein Halten mehr. Wenn der Tänzer aus der Hebefigur nahezu ungebremst zu Boden fällt, will das schon beherrscht sein, soll es nicht bei einer einmaligen Übung bleiben. Bei solch akrobatisch-tänzerischer Leistung geraten die Röckchen und femininen Frisuren zur Nebensache. Kein Blick gilt mehr den Kostümen, stattdessen wartet man gebannt auf die nächste Pointe, auf den Tänzer, der im Wortsinne aus der Reihe tanzt, die Richtung verfehlt oder einfach mal eine andere Schrittfolge wählt, weil ihm die mehr Spaß macht. Schier unglaublich, wenn das Corps in Go for Barocco in Rap-Schritte verfällt, weil das viel lustiger für die Tänzer ist, als auf Spitzenschuhen zu tänzeln. Und selbst die kleine Zugabe gerät zum triumphalen Erfolg: Ein schottischer Highland Dance verrät, dass den Tänzern nichts heilig ist. Dabei gefällt stets die Raumaufteilung, die auf den spartanisch ausgestatteten Bühnen von Jason Courson und Mike Gonzales immer wieder lebendige Bilder entstehen lässt. Kip Marsh leuchtet die Bühne geschmackvoll und nie zu dunkel aus. So kommen die Choreografien nach Lev Ivanovich Ivanov, Marius Pepita beziehungsweise von Peter Anastos voll und ganz zur Geltung.

In der Leistung kann man nicht ernsthaft jemanden aus der Truppe besonders hervorheben. Auch wenn Bernd Burgmaier beispielsweise in der Rolle des sterbenden Schwans ganz besonders entzückt oder Raffaele Torra mit originellem Witz extrem gefällt. Auch Chase Johnsey etwa als Ballerina in der Paquita oder Carlos Hopuy und Boysie Dikobe beim Pas de deux legen noch ein Schippchen drauf.

Die Musik, eingespielt vom Czech Philharmonic Chamber Orchestra unter Leitung von Pierre Michel Durand, kommt vom Band. Was sich zunächst als ein wenig enttäuschend anhört, entpuppt sich schon nach den ersten Szenen als dankbare Lösung. Zu viel gibt es zu sehen, als dass man sich noch ein Live-Orchester konzentrieren wollte oder könnte. Ohnehin verliert sich die Musik immer häufiger im immer rauschenderem Beifall.

Wenn eine Tanztruppe mit Klassischem Ballett das Opernhaus rockt, können auf diesem Niveau nur stehende Ovationen dabei herauskommen. Beschwingt verlassen Besucherinnen und Besucher nach schier endlosem Applaus den Ort des Vergnügens. Nur wenige Aufführungen sind in Düsseldorf noch geplant, dann gesellt sich die Compagnie zum 26. Kölner Sommerfestival.

Michael S. Zerban

 

Fotos: Sascha Vaughan