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Fakten zur Aufführung 

b.17
(Martin Schläpfer)
26. Oktober 2013
(Uraufführung)

Ballett am Rhein Düsseldorf
Duisburg, Oper Düsseldorf


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Küsschen für alle

Erst im vergangenen September wurde der erstmals ausgelobte Schweizer Tanzpreis an Martin Schläpfer verliehen. Der gebürtige Schweizer hat nicht nur in seiner Heimat seine Profession zukunftsträchtig vorangetrieben. Daher ist es nicht verwunderlich, dass es, wo immer zurzeit ein Preis in der Tanzwelt ausgelobt wird, Martin Schläpfer an vorderster Front steht. Spätestens seine Arbeiten mit dem von ihm ins Leben gerufenen ballettmainz lenken die internationale Aufmerksamkeit auf Deutschland. Mit der Spielzeit 2009/10 wechselt Schläpfer als Hauschoreograph an die Theatergemeinschaft Düsseldorf/Duisburg und wird warmherzig empfangen. Sein Ruf eilt ihm an den Rhein voraus, und nicht zuletzt die Schickeria von der Kö freut sich, einen international renommierten Choreographen in der Stadt zu haben. Der sympathische Schweizer wird von Publikum und Presse umschwärmt.

Nun hat sein neuestes, abendfüllendes Ballett in Düsseldorf Premiere gefeiert, und Schläpfer kann seine Erfolgsstory als Publikumsliebling weiterschreiben. Musikalische Grundlage von b.17 ist die 7. Sinfonie in e-Moll von Gustav Mahler. Viele Ballette müssen sich mit Musik vom Band begnügen – wie schön ist es da, dass die Düsseldorfer Symphoniker unter der Leitung von Axel Kober den Orchestergraben mit Leben füllen. Doch hier hört die Freude auch schon auf: Die Symphoniker gehen mit Mahlers 7. nicht gerade zimperlich um. Da wird voller Wucht durch die Partitur gehastet, und selbst leise Töne klingen hart. Die Blechbläser patzen im ersten Teil mit leisen Dissonanzen.

Auf der Bühne herrschen hingegen klare und kühle Formen: Schwarzer Tanzteppich und ein heller Bühnenprospekt sind tonangebend. Abwechselnd grau, mit feinen Streifen oder blau angeleuchtet hängen rechts, links und mittig große Rechtecke im Hintergrund. Sie wechseln die Höhe und öffnen ab und an den Blick auf den hell erleuchteten Hintergrund. Verantwortlich für diesen klaren Raum ist Florian Etti. Schläpfer setzt somit seine vorangegangene Zusammenarbeit mit dem Bühnenbildner fort und vertraut ihm zusätzlich die Kostümgestaltung an: Auch hier dominiert die Farbe Schwarz. Röcke und Kleider in verschiedenen Längen für die Damen, immer schlicht, immer körperbetont; einfach geschnittene lange Hosen und freie Oberkörper für die Herren. Durchbrochen wird das Ganze nur durch wenige Bilder, in denen einige Tänzerinnen weiße Blusen mit weiten, fließenden Ärmeln tragen und die Tänzer weite weiße Hemden über die Hosen ziehen. Immer wieder treten die Tänzer in halbhohen Stiefeln und langen Mänteln auf, bis sie zum Ende alle in dieser Kluft und mit einem Hocker bewaffnet auf die Bühne treten und im Kreis rennen. Das erinnert an das Kinderspiel Reise nach Jerusalem. Die Stiefel und Mäntel wirken burschikos, herb und bilden einen Kontrast zu den Bildern, in denen die lachsfarbene Seide der Spitzenschuhe dominiert.

Auch das Licht ist an diesem Abend kontrastreich: Besonders schön sind die kurzen Momente, in denen der Hintergrund hell erleuchtet ist und die Tänzer im Vordergrund zu eindrucksvollen schwarzen Schatten mutieren. Diese Momente sind kurz, die Bewegungen in diesem Licht rar, und der Abend schreitet ohne Unterbrechung voran. Verantwortlich für diese sinnlichen Momentaufnahmen ist Volker Weinhart. Sein Licht ist klar, teilweise kühl, aber nie stehen die Tänzer im Dunkeln. Ihre Bewegungen sind gut ausgeleuchtet, und die Momente mit viel Haut bleiben nicht ungesehen.

Das Tanzensemble zieht an einem Strang mit dem Choreographen und rennt, schlurft, trippelt oder schreitet mit viel Energie auf die Bühne. Das durch elf neue Mitglieder etwas höher gewachsene Gesamtbild der Kompanie fällt ins Auge. Doch zu Beginn des Abends fragt man sich, ob die durchweg leistungsstarken Körper der Tänzer dem Ideenreichtum ihres Choreographen hinterherhetzen oder ob es das Orchester ist, das die saubere Ausführung der Bewegungen zur Herausforderung werden lässt. Der Eindruck verfliegt jäh, und die kleinen Interaktionen des Tanzensembles zu beobachten, macht Spaß. Das Bewegungsvokabular ist ganz Schläpfers Handschrift: Die klassische Technik steht im Vordergrund. Wiederholt werden hohe Beine gezeigt, und die Tänzer sitzen in verschiedenen Spagat-Versionen auf der Bühne. Immer wieder verharren sie in weiten Extensionen. Die erotische Konnotation des klassischen Ballettvokabulars ist hier eindeutig zu sehen und macht Spaß. Gerade wenn drei Tänzerinnen keck ihre Hintern zum Publikum drehen und spielerisch, aufreizend und selbstbewusst damit wackeln. Doch auch die Anlehnungen an den niederländischen Choreographen Hans van Manen sind unverkennbar. Zum Beispiel, wenn die Tänzerinnen und Tänzer die Hände zu Fäusten ballen und dort hineinpusten, um ihre Partner wie Luftballons aufzublasen. Das erinnert an Hans van Manens Choreographie The old man and me. Es gibt viele Momente in b.17, die theatralisches Talent vom Ensemble fordern. Mimik und Gestik bieten Einblick in Beziehungsgeflechte, und ein Quartett verteilt gegenseitig konsequent Küsschen. Manchmal sind einzelne Bilder überdreht dargestellt: Etwa wenn einige Tänzer sich zur Polonaise aufreihen und Zug spielend die Bühne verlassen.

Die Vorstellung ist ausverkauft und spätestens beim Schlussapplaus kann man das auch hören. Das Publikum hebt in einem Schwall an, der einzelne Bravorufe und Pfiffe der Begeisterung gar nicht mehr klar voneinander trennbar hören lässt. Es fallen viele Vorhänge, bis sich die Beteiligten zur gemeinsamen Premierenfeier im Foyer treffen.

Jasmina Schebesta

 

Fotos: Gert Weigelt