Fundus   Kommentar    Backstage     Medien     Medientipps     Kontakt     Impressum    Wir über uns  
   Dossier    Kleinanzeigen     Links     Facebook     Partner von DuMont Reiseverlag  
     

Fakten zur Aufführung 

WAGNER-GEBURTSTAGSKONZERT I
(Sächsische Staatskapelle Dresden)
18. Mai 2013
(Konzert)

Frauenkirche Dresden


Points of Honor                      

Musik

Gesang

Regie

Bühne

Publikum

Chat-Faktor


Rezensionen-Archiv

Aufführungen nach Name
Aufführungen nach Ort


 
 

zurück       Leserbrief

Festliche Chöre und ergreifende Musik

Mit zwei außergewöhnlichen und in der Form sicher einmaligen Geburtstagskonzerten ehrt die Sächsische Staatskapelle Dresden unter der Leitung von Christian Thielemann ihren ehemaligen Königlich Sächsischen Kapellmeister Richard Wagner anlässlich seines 200. Geburtstags. Das erste Konzert in der Frauenkirche ist eine Hommage an Wagners Zeit in Dresden und stellt Das Liebesmahl der Apostel in den Mittelpunkt, jene groß dimensionierte biblische Szene, die Richard Wagner explizit für die besondere Architektur der Frauenkirche schrieb und selbst 1843 an diesem Ort zur Uraufführung brachte. Ergänzt wird das Programm durch weitere Chorwerke aus Wagners Dresdner Zeit sowie die Reformationssymphonie von Felix Mendelssohn Bartholdy, die ebenfalls einen ganz besonderen Bezug zu Wagners Schaffen hat.

Sieben Männerchöre mit insgesamt über 200 Sängern tragen zu diesem einmaligem Stimmenerlebnis bei, das durch die besonderen akustischen Gegebenheiten der Architektur der Frauenkirche mit ihrer hohen Kuppel noch verstärkt wird.

Eingeleitet wird das Konzert durch den Festgesang Der Tag erscheint. Dieses Chorlied ist eines der wenigen Werke, bei dem der Text nicht aus Wagners Feder stammt, sondern von dem Dichter Christoph Christian Hohlfeld. Uraufgeführt wurde die Fassung für Männerchor á capella am 7. Juni 1843 im Dresdner Zwinger unter der Leitung von Richard Wagner anlässlich der Enthüllung des Denkmals von König Friedrich August I. Doch es gibt noch eine zweite Fassung mit Blechbläserbegleitung, die aber erst nach Wagners Tod veröffentlicht und aufgeführt wurde. Und diese Fassung steht quasi als Ouvertüre auf dem Programm. Die Herren des Sächsischen Staatsopernchores Dresden entwickeln zu Beginn des Konzertes einen schon fast pathetischen Gesang, aus dem die Tenöre besonders klar und akzentuiert herausragen. Die Blechbläserbegleitung ist dezent und unterstreicht den majestätisch wirkenden Chorsatz.

Carl Maria von Weber gehörte zu den Komponisten, für die Wagner eine tiefe Verehrung empfand. Als Webers sterbliche Überreste achtzehn Jahre nach seinem Tod von London nach Dresden überführt wurden und am 14. Dezember 1844 in einem Trauerzug am Elbufer zum Friedhof gebracht wurden, war es an Richard Wagner, die Trauermusik für diese Überführung zu arrangieren und zu dirigieren. Entstanden ist sie aus Motiven von Carl Maria von Webers Oper Euryanthe. Die Sächsische Staatskapelle spielt diese Trauermusik getragen; die Dominanz der warmen Holzbläser erzeugt eine fast sakrale Atmosphäre, der gedämpfte Trommelwirbel betont den Marschcharakter des Trauerzuges.

Die Urnenbeisetzung Carl Maria von Webers erfolgte am nächsten Tag, und Richard Wagner hatte dafür das Werk An Webers Grabe für vierstimmigen Männerchor komponiert, gedichtet und selbst dirigiert. Das langsame Tempo und die Tonart Des-Dur verleihen diesem á-capella-Chorsatz eine besondere Ausdrucksstärke, die die Herren des Sächsischen Staatsopernchores Dresden dezent verdichten. Dass Wagner zu dieser Zeit an der Komposition des Tannhäuser arbeitete, wird offenkundig, denn in diesem Grabgesang sind eindeutige Anklänge an die Pilgerchöre zu vernehmen.

Im zweiten Teil des Geburtstagskonzertes steht die sogenannte Reformationssymphonie von Felix Mendelssohn Bartholdy auf dem Programm. Auch für Bartholdys Schaffen hegte Wagner eine große Wertschätzung, und diese Symphonie, 1832 uraufgeführt, sollte ein Quell der Inspiration für Wagner werden. Insbesondere das Dresdner Amen, das vor Beginn des Allegro-Teils sowie der Reprise des ersten Satzes erklingt, hat Richard Wagner komplett als ein Motiv für seinen Parsifal übernommen. Dieses Dresdner Amen war eine in der Liturgie der Dresdner Kirchen nicht unbekannte Melodie, die Wagner auch schon im Liebesverbot und später im Tannhäuser verwendet hat, allerdings mit anderen Rhythmen und Harmonien. Wenn man dann noch weiß, dass es die besondere Architektur des Doms von Siena war, die Wagner mit zu seinem Parsifal inspirierte, dann ist der Moment, in dem dieses Dresdner Amen im ersten Satz der Reformationssymphonie erklingt, wie ein kurzer Einblick in das Wagnersche Kompositionsgenie. Dazu trägt natürlich auch die besondere Stimmung und Akustik der Frauenkirche bei, die Christian Thielemann mit der Sächsischen Staatskapelle schon genial ausleuchtet. Der erste Satz erklingt furios, kontrastierend zum Dresdner Amen. Der zweite Satz ist heiter, fast schon wie eine Konzertouvertüre. Dagegen der dritte Satz melancholisch und sehr getragen. Der Übergang zum vierten Satz mit dem Lutherischen Choralsatz Eine feste Burg ist unser Gott fast schon im Marschtempo, der Choralsatz erklingt feierlich und erhaben. Christian Thielemann dirigiert filigran, ja fast kammermusikalisch zart. Intelligent lässt er den warmen Klang unter der Kirchenkuppel entfalten, was zu einem musikalischen Raumerlebnis führt, wie es in konventionellen Häusern selten zu erleben ist.

Höhepunkt des Konzertes ist Das Liebesmahl der Apostel. Auch dieses Werk, das am 6. Juli 1843 in der Dresdner Frauenkirche im Rahmen des Allgemeinen Männergesangfestes unter Wagners Leitung und unter Mitwirkung von 1200 Sängern und 100 Orchestermitgliedern uraufgeführt wurde, hat ebenfalls eine direkte Verbindung zum Parsifal. Im Bühnenweihfestspiel erklingen in den Gralsszenen unsichtbare Stimmen aus der Höhe der Kuppel. Vorläufer dafür finden sich im Liebesmahl der Apostel in Gestalt der Stimmen aus der Höhe, die die Ausgießung des Heiligen Geistes verkünden. So erklangen diese Stimmen bei der Uraufführung in der Kuppel der Frauenkirche mit einer entsprechenden Wirkung, die Wagner nachhaltig beeinflusst hat. Dieser Eindruck konnte bei dem Geburtstagskonzert wiederholt werden, da sich die sieben mitwirkenden Chöre auf allen Ebenen der Frauenkirche verteilen und damit einen besonderen Raumklang erzielen. Als bemerkenswerter Effekt ist der verspätete Orchestereinsatz zu erwähnen. Die ersten etwa 25 Minuten singen die Chöre   á cappella , bis das Orchester bei der Erscheinung des Heiligen Geistes einsetzt. Das Liebesmahl der Apostel  ist ein der   Kantatenform   vergleichbares Werk für Männerchor und Orchester und basiert auf einer biblischen Szene der   Apostelgeschichte   und ist unter den wenigen Chorwerken   Wagners das einzige geistliche. Wagner war mit der Komposition eines neuen, knapp halbstündigen Werkes beauftragt, das am Gesangsfest durch alle sächsischen Männerchöre aufgeführt werden sollte. Er verfasste den Text auf der Grundlage einer Passage aus der Apostelgeschichte, in welcher die   Pfingstgeschehnisse   um die Erscheinung des   Heiligen Geistes   nacherzählt werden.

Die Herren des Tschechischen Philharmonischen Chores Brünn, einstudiert von Petr Fiala, bilden den Ersten Chor der Jünger. Der Zweite Chor der Jünger besteht aus den Herren des Sächsischen Staatsopernchores sowie des Sinfoniechores Dresden, perfekt einstudiert von Pablo Assante, der auch die Gesamtleitung aller Chöre hat. Die Herren des Tschechischen Nationalchores Prag unter Miriam Nemcová komplettieren den Zweiten Chor der Jünger. Der Dritte Chor der Jünger besteht aus den Herren des MDR-Rundfunkchores Leipzig unter Michael Gläser und den Herren des Philharmonischen Chores Dresden unter Gunter Berger. Die Herren des Dresdner Kammerchores, einstudiert von Olaf Katzer, bilden die Stimmen aus der Höhe. Vervollständigt werden die Chöre durch die zwölf Bässe, ebenfalls hervorragend eingestimmt durch Pablo Assante, die die Rollen der Apostel übernehmen.

Besonders beeindrucken die Akzentuierung und die Deklamation der Chöre, die die Zwiegespräche der Jünger mal ängstlich, mal hoffnungsfroh interpretieren. Das Gebet, an dem alle Chöre beteiligt sind, hat deutliche Anklänge an Rienzi. Die Stimmen aus der Höhe, gegenüber der Orgelempore aufgestellt, führen zu dem von Wagner besonders gewollten Klangeffekt. Zum Schluss wandelt sich das oratorienhafte Arrangement zu einem grandiosen Opernschluss, wenn das Orchester zum großen Finale einsetzt und alle Chöre gemeinsam von der Erscheinung des Heiligen Geistes künden. Und so ist dieses Finale furioso gleichzeitig Höhepunkt und krönender Abschluss eines in dieser Perzeption sicher einmaligen Konzertes.

Christian Thielemann am Pult der Sächsischen Staatskapelle fügt seinen großen Erfolgen in seiner ersten Saison in Dresden einen weiteren Höhepunkt seines Wirkens hinzu. Es ist faszinierend zu sehen und zu hören, wie Thielemann immer wieder aus filigraner Kammermusik große symphonische Momente aufbaut, bis die Spannung sich löst und sich in differenzierten Farben und Phrasierungen ergießt. Die Orchestermusiker folgen seinem Schlag, und die Chöre stehen im Vordergrund, ihnen ist Thielemann ein musikalischer Begleiter auf Augenhöhe. Thielemann darf zum Schluss die Ovationen eines begeisterten Publikums entgegennehmen.

Auch die Männerchöre tragen zum herausragenden Gesamteindruck dieses Konzertes maßgeblich bei. Klar die Strukturierung der einzelnen Stimmgruppen, mit strahlenden Tenören, kraftvoller Klangentwicklung und mit präzisen Abstufungen in den leisen Passagen.

Das internationale Publikum honoriert dieses einmalige Konzertereignis mit großem Jubel, und die Sächsische Staatskapelle hat ihrem ehemaligen Kapellmeister Wagner ein standesgemäßes Geburtstagskonzert an einem ganz besonderen Ort beschert.

Andreas H. Hölscher





Fotos: Matthias Creutziger