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Fakten zur Aufführung 

VON VAMPIREN, HELDEN UND KÖNIGSKINDERN
(Operngala)
23. November 2013
(Premiere)

Semperoper Dresden


Points of Honor                      

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Keine romantische Gala

Der Duden definiert den Begriff „Gala“ als Theater-, Opernaufführung oder Konzertveranstaltung in einem festlichen Rahmen. Und wenn der Titel dann lautet: Von Vampiren, Helden und Königskindern , dann kann einem genussvollen und romantischem Abend in der Semperoper eigentlich nichts mehr im Wege stehen. Soweit die theoretische Erwartungshaltung. Doch die musikalische Umsetzung hält nicht, was das Programm verspricht. Der erste Teil wird eingeleitet mit Ausschnitten aus Carl Maria von Webers Oberon, einer der ersten großen romantischen Opern des frühen 19. Jahrhunderts und musikalischer Wegbereiter für den jungen Richard Wagner. Gleich die Ouvertüre verheißt nichts Gutes für diesen Abend. Die sächsische Staatskapelle über dem geschlossenen Orchestergraben schlägt unter der Leitung von Mihkel Kütson ein sehr rasches Tempo an, aber variiert nicht. Die Farben des Stückes bleiben blass, und bei den Bläsern ist eine ungewohnte Schärfe zu vernehmen. Das erste Quartett Über die blauen Wogen kommt noch einigermaßen stimmharmonisch daher, auch wenn der Tenor von Tomislav Muzek mit deutlichen Problemen in der Höhe auffällt. Die Szene und Arie der Rezia Ozean, du Ungeheuer, wird von Marjorie Owens eher langweilig interpretiert. Neben einer schwachen Textverständlichkeit fällt ihr starkes Vibrato in der Stimme wie schon bei ihrer Rolleninterpretation der Elisabeth drei Wochen zuvor unangenehm auf. Aufhorchen dagegen lässt die junge Mezzosopranistin Christel Loetzsch, die mit dem Lied der Fatime Arabien mein Heimatland mit ihrem warmen Timbre orientalische Farben ins Spiel bringt und die Koloraturen sicher meistert. Nach Oberon steht ein weiteres Werk der frühen deutschen Romantik auf dem Plan, das Wagner als 15-Jähriger bei seiner Erstaufführung in Leipzig erlebte, und das ebenfalls großen Einfluss auf sein frühes Schaffen hatte: Heinrich Marschners Der Vampyr. Nun hat auch der Sächsische Staatsopernchor mit der Szene Ihr Hexen und Geister seinen ersten Einsatz, der ihm auch gut gelingt. Markus Butter mit dem anschließenden Rezitativ und der Arie des Ruthven Ha! Welche Lust überzeugt zunächst durch seinen wohlklingenden Bariton und dramatischen Ausdruck. Doch hat er große Schwierigkeiten, sich gegen das immer lauter werdende Orchester auf der Bühne durchzusetzen, zumal seine Gesangsrichtung nach unten zeigt und der Ton sich nicht im Raume entfalten kann.

Nun wechselt der Inhalt des Programms etwas. Auf dem Plan steht jetzt die romantische Spieloper des 19. Jahrhunderts. Eingeleitet wird dieser Teil mit dem Schlussgesang des Ersten Aktes Schon die Abendglocken klangen aus Conradin Kreutzers Das Nachtlager in Grenada. Auch hier sind die Solisten durch das überschwängliche Dirigat nur schwer zu verstehen, und die romantische Stimmung der Musik kann sich nicht auf das Publikum übertragen. Auch das folgende Duett Letzte Rose aus Friedrich von Flotows Martha kann die Erwartung nicht erfüllen. Elena Gorshunova singt die Lady Harriet sehr leichtgängig und textunverständlich, während Muzek erneut mit Höhenproblemen zu kämpfen hat. Der einzige, der nahezu ohne Schwierigkeiten über das Orchester kommt, ist der markante Bass von Michael Eder in dem Paradestück Fünftausend Taler aus Albert Lortzings Der Wildschütz. Auch das bekannte Duett Lebe wohl, mein flandrisch Mädchen aus Lortzings Zar und Zimmermann wird durch Carolina Ulrich und Tomislav Muzek langweilig und uninspiriert angeboten; beide forcieren in den Höhen, was diesem Duett seinen besonderen Charme nimmt. Mit dem Chorgesang O süßer Mond aus Otto Nicolais Die lustigen Weiber von Windsor endet der erste Teil dieser Operngala, den das Publikum mit höflichem Applaus quittiert.

Im zweiten Teil der Operngala ist ein großer Zeitsprung erfolgt, das Programm spiegelt die Musik des frühen 20. Jahrhunderts wieder mit teils heute eher unbekannten, dafür aber umso interessanteren Titeln. Und es wächst die Hoffnung, dass die musikalische Umsetzung nun besser gelingt. Der Schweizer Heimwehgesang Zu Straßburg auf der Schanz aus Wilhelm Kienzls Der Kuhreigen ist ein wunderschönes Quintett für Männerstimmen, begleitet von den Herren des Staatsopernchores. Hier singt Muzek sein Tenorsolo mit schöner Phrasierung und angenehmen Timbre, ohne zu forcieren. Großartige Musik, die zu einem absoluten Höhepunkt hätte werden können, wenn Dirigent Kütson das Orchester etwas mehr zurückgenommen hätte. In Max von Schillings Werk Mona Lisa gibt es das große Duett Fiordalisa. Es ist der erste Auftritt von Jürgen Müller an diesem Abend, der erst vor kurzem den Tannhäuser wegen Erkrankung absagen musste. Und Müller scheint noch nicht wieder bei Kräften zu sein, muss förmlich gegen das laute Orchester anbrüllen, was ihm fast die Stimme verschlägt. Und auch Owens kann erneut nicht überzeugen. Die Ballade des Grafen In einem Lande ein bleicher König aus Franz Schrekers Der ferne Klang wird von Butler mit dunklem Ausdruck und düsterer Phrasierung eindrucksvoll interpretiert.

Das folgende Intermezzo aus Franz Schmidts Notre Dame ist mehr ein kurzes symphonisches Werk. Der sächsischen Staatskapelle fehlt an diesem Abend der sonst so typische warme und differenzierte Klang, der sich durch das ständige Forcieren des Dirigenten auch nicht einstellen kann. Mit Erich Wolfgang Korngolds Die tote Stadt folgt vielleicht das bekannteste Werk diese Epoche. Das große Duett der Marietta und des Paul Glück, das mir verblieb, verblasst ebenfalls. Ullrich und Muzek bleiben farblos, keine Spur von Emotion. Die folgende Arie des Pierrot Mein Sehnen, mein Wähnen wird von Christoph Pohl zwar mit sehr schönem und ausdrucksstarkem Bariton gesungen, doch erneut ist die Begleitung uninspiriert, die Walzerseligkeit der Musik kommt nicht ansatzweise zum Ausdruck. Die Szene Wer das verstünd`, dein ewiges Rauschen aus Alexander von Zemlinskys Der Traumgörge wird eher zum Alptraum für Jürgen Müller, dessen Stimme spröde klingt und einfach wegbricht. Die Gala endet mit der Himmelfahrt, Sphärenreigen und Sonnenaufgang aus Engelbert Humperdincks Märchenoper Dornröschen. Doch auch bei diesem finalen Chorsatz mit Solisten kommt keine Märchenstimmung auf, und die groß angekündigte Romantik hat nur selten einmal vorbeigeschaut. Es gibt keine Zugabe, vielleicht auch ganz gut so an einem Abend der Enttäuschungen.

Der Sächsische Staatsopernchor, solide eingestimmt von Pablo Assante, sonst ein Garant für große Opernchormusik, bleibt heute genauso blass wie die Sächsische Staatskapelle unter Kütson. Selten hat man ein so spannungsloses Dirigat gehört. Kontinuierlich nur die Lautstärke; Phrasierungen, Bögen, Farbenklänge, alles Markenzeichen dieses großen Klangkörpers, Fehlanzeige. Und Kütson dirigiert lieber selbstverliebt als sängerfreundlich, so dass die vielen Abstriche beim Gesang zu einem großen Teil auch auf sein Konto gehen, was beim Schlussvorhang auch mit einem deutlichen Buhruf quittiert wird.

Das Publikum hat es am Schluss dennoch gefreut, es gibt ordentlichen Applaus, doch Euphorie oder Begeisterung sieht anders aus. Fazit: Dieser Abend in der Semperoper war keine Galavorstellung im Sinne des Wortes.

Andreas H. Hölscher

Fotos: Matthias Creutziger