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Fakten zur Aufführung 

TRISTAN UND ISOLDE
(Richard Wagner)
16. November 2013
(Premiere am 17. Mai 1995)

Semperoper Dresden


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Metamorphose der Bilder

Zum Abschluss des Wagner-Jubiläumsjahr 2013 steht in der Semperoper die mittlerweile 18 Jahre alte Inszenierung von Tristan und Isolde in der zeitlosen Inszenierung von Marco Arturo Marelli auf dem Programm. Es ist eine Interpretation, die durch die Metamorphose der Bilder und der Farben berührt und in ihrem Ausdruck große Emotionen hervorruft. Marelli versucht gar nicht, irgendwelche neuen Interpretationen in dieses Werk hineinzulegen, sondern er transformiert die Musik in klare, nachvollziehbare Bilder. Drei Farben dominieren: schwarz, weiß und blau. Das Bühnenbild, ebenfalls von Marelli gestaltet, ist ein großer halbgeschlossener dunkler Raum, der sich teilweise seitlich unter starkem Lichteinfall öffnen lässt. Wenn sich nach dem gemeinsamen Trank aus der Schale ein transparenter Vorhang um die beiden Hauptakteure schließt und das Licht sich in einen warmen Blauton verwandelt, dann wird auf wundersame Weise sichtbar, dass Tristan und Isolde nun in ihrer eigenen Welt leben. Auch im zweiten Aufzug, im großen Liebesduett, zieht sich dieses Prinzip fort, bis Melot, der Verräter, diese Welt zerstört und wieder gleißendes Licht auf die Bühne fällt. Im dritten Aufzug liegt Tristan wie in einem Totenkleid auf einem sandigen Holzboden, und Isoldes letzter Auftritt vor einer großen, sich öffnenden Tür, ist wie der im erlösenden Engel, einem Wesendoncklied, das Wagner im Schweizer Exil vertont hat. Dagmar Niefind-Marelli hat für diese Inszenierung die etwas mittelalterlich wirkenden, aber dennoch zeitlos schönen Kostüme gefertigt. Um dieses wunderbare Bild aber auch mit Leben zu füllen, bedarf es großer Wagner-Sänger, die sich nicht nur stimmlich, sondern auch emotional ganz auf diese Sprache der Bilder einlassen. Mit Frank van Aken als Tristan und seiner Ehefrau Eva-Maria Westbroek als Isolde gelingt das an diesem Abend in ganz großem Stil.

Van Aken ist derzeit in einer grandiosen Verfassung. War sein kurzfristiger Einspringer vor zwei Wochen als Tannhäuser in Dresden schon aller Ehren wert, so setzt seine Interpretation und Darstellung des Tristan Maßstäbe. Sein baritonal gefärbter Tenor ist kraftvoll in der Mittellage, ausdrucksstark in den Höhen und stahlkräftig in den dramatischen Ausbrüchen. Mit großer Ausdauer bewältigt er diese Partie, und sein letztes dramatisches Aufbäumen in O diese Sonne... ist Adrenalin pur. Er schafft es als einziger, mit seiner kraftvollen Stimme über das Forte des Orchesters zu kommen, ohne dass die stimmliche Präsenz darunter leidet. Seine dramatische Ausdruckskraft und seine enorme Bühnenpräsenz in dieser Partie sind einmalig, und Van Aken ist sicher in dieser Rolle derzeit das Maß aller Dinge.

Eva-Maria Westbroek als Isolde überzeugt vor allem mit ihrer wunderbaren weiten Mittellage, wo sie schöne Farbkontraste erzeugt. Allerdings geht sie die Isolde etwas zu hochdramatisch an, und ihr sonst so klarer, fester Sopran klingt in den dramatischen Ausbrüchen manchmal zu scharf, dafür fehlt dann in den lyrischen Passagen etwas die Geschmeidigkeit. Das ist aber auch der Tatsache geschuldet, dass sie sich einmal gegen ein zu lautes Orchester durchsetzen muss, dann eine Brangäne an ihrer Seite hat, die ebenfalls zu stark forciert und natürlich in Frank van Aken einen Tristan gegenüber hat, der über eine sehr große Stimme verfügt. Ihr Liebestod am Schluss gerät ebenfalls etwas zu dramatisch, es fehlt das Strömen, das Versinken, was gerade diesen musikalischen Höhepunkt des Werkes so einzigartig macht. Die großartigsten Momente sind die ruhigen Passagen nach Brangänes Wachtruf, wenn sie den Kopf an die Schulter ihres Ehemannes van Aken lehnt und Lausch, Geliebter… singt. Im transzedenten Blau der Bühne geht von den beiden Hauptakteuren eine derartige Harmonie und Innigkeit aus, dass hier Wagners großer Liebestraum mit Mathilde Wesendonck plötzlich erlebbar wird.

Großartig auch Matthias Henneberg als Kurwenal. Er besticht durch kraftvollen und trotzdem kultivierten Gesang mit großem Ausdruck, in dieser Partie eine absolute Idealbesetzung. Das kann man von Christa Mayer als Brangäne an diesem Abend leider nicht behaupten. Ihr hoher Mezzo klingt in den Höhen schrill, mit einem sehr unangenehmen Vibrato in der Stimme. Ihr Wachtruf aus der Proszeniumsloge im vierten Rang lässt jede warme Emotion vermissen, und die ansonsten hervorragende sängerische Gesamtleistung des Ensembles erfährt eine deutliche Trübung. Georg Zeppenfeld als König Marke überzeugt mit markantem, sehr textverständlichen und ausdrucksstarken Bass. Die Rolle des Melot ist mit dem jungen Sebastian Wartig gut besetzt, und Gerald Hupach überzeugt als Hirte. Christopher Kaplan singt das Klagelied des jungen Seemanns mit ausdrucksstarkem Tenor und großer Textverständlichkeit. Die Chöre im Hintergrund sind von Wolfram Tetzner gut eingestimmt.

Asher Fisch leitet die Sächsische Staatskapelle Dresden sehr ambivalent durch die Partitur. Die größten Momente sind noch die symphonischen Elemente wie das Vorspiel zum ersten Aufzug, das filigran und zerbrechlich aus dem Graben ertönt, sowie der Beginn des dritten Aufzugs. Der berühmte dissonante Tristan-Akkord weckt Hoffnung auf eine verströmende Tonsprache, die so charakteristisch für dieses Werk ist. Hier entstehen phasenweise stimmungsgeladene Bilder, die aber dann genauso schnell durch wuchtiges, lautes und vor allem sängerunfreundliches Dirigat wieder zerstört werden. Wagner-Qualität misst sich nicht an Lautstärke. Die Kunst ist, Stimmung und Farben zu erzeugen, die Bögen fließen zu lassen. Das gilt besonders für den Tristan mit seinen Liebes-, Todes- und Erlösungsmotiven. Doch diese Filigranarbeit findet nicht immer statt. Dabei ist Fisch ein versierter und erfahrener Wagner-Dirigent. Doch davon ist an diesem Abend wenig zu spüren, und die Sänger müssen gegen eine unnötige Lautstärke anbrüllen, was ihren Stimmen nicht gut bekommt. Dass die Bläser, vor allem die Musiker hinter der Bühne beim Hörnerschall im zweiten Aufzug eklatant so danebenhauen, dass es beim Zuhören weh tut, ist für den Anspruch eines Hauses wie der Semperoper Dresden nicht mehr akzeptabel. Das gilt übrigens auch für den lautstarken Umbau auf der Hinterbühne zum Schluss des ersten Aufzuges.

Am Schluss gibt es großen Jubel für Sänger, Chor und Orchester aus dem Publikum, aber auch unüberhörbare Buhs für Asher Fisch. Sein lautstarkes und egozentrisches und sängerunfreundliches Dirigat hat einigen Zuhörern nicht gefallen. Leider sind wieder viele Bronchialrüpel in dieser Vorstellung, die einen ungetrübten Hörgenuss unmöglich machen. Immer wieder dasselbe Phänomen. Einer beginnt zu husten, und schon entwickelt sich eine ganze Kaskade von Hustern frei nach dem Motto, in der Masse falle ich nicht auf. Dabei legt die Semperoper schon vor allen Eingängen Schalen mit Hustenbonbons aus, was wiederum viele als Einladung verstehen, besonders an den Piano-Stellen das Bonbon genüsslich und lautstark auszuwickeln, eine weit verbreitete Unart. Dass das Publikum aber in den schließenden Vorhang, in die letzten verströmenden Töne nach Isoldes Liebestod anfängt zu klatschen und viele erzürnte Opernfreunde natürlich sofort zu zischen beginnen, ist eine derartige Insensibilität, dass die Frage erlaubt sein muss, ob dieses Publikum eigentlich weiß, was es da gerade gehört und gesehen hat. Schade, denn in diesem Moment war auch der letzte Zauber, die letzte Emotion einfach weggeklatscht.

Was bleibt, ist eine wunderbare zeitlose Inszenierung, ein großartiger Frank van Aken als Tristan. Mit einem leiseren und differenzierteren Dirigat, einer anderen Brangäne und einem disziplinierteren Publikum wäre diese Vorstellung eine absolute Sternstunde gewesen. Und im Gegensatz zu der zwei Jahre jüngeren Konwitschny-Inszenierung des Tannhäuser an der Semperoper kann man nur hoffen, dass diese Inszenierung noch lange auf dem Spielplan stehen bleibt.

Andreas H. Hölscher







Fotos: Matthias Creutziger