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Fakten zur Aufführung 

RIGOLETTO
(Giuseppe Verdi)
28. März 2013
(Premiere am 21. Juni 2008)

Semperoper Dresden

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Tragische Naivität eines Narren

Die Wiederaufnahme des Rigoletto an der Semperoper Dresden in der Inszenierung von Nikolaus Lehnhoff gelingt zu einem beeindruckenden melodramatischen Nachtstück mit plakativen Maskierungen und begeisternden Stimmen.

Regisseur Lehnhoff führt das Publikum mit gesellschaftskritischem Zeigefinger in die psychologischen Abgründe einer verkommenen und dekadenten Gesellschaft. Im Mittelpunkt steht Rigoletto, der zwischen den Welten lebt. Am Hofe des Herzogs von Mantua gibt er den giftigen Zyniker, in seiner kleinen Welt zuhause den liebevollen Vater, der seine Tochter Gilda genau vor den Abgründen dieser anderen Welt bewahren will. Doch Gilda lebt, genau wie Rigoletto, in einem Gefängnis, aus dem es vordergründig kein Entrinnen gibt. Erst ihre erwachte, fatale Liebe zum Herzog lässt sie ihrer Welt entfliehen, in ein unabwendbares tödliches Schicksal. Und Rigoletto, blind vor Rache, zerstört sein Leben durch den Opfertod Gildas. Lehnhoff gelingt es, diese Doppelbödigkeit durch eine geschickte Personenregie in dem Dreiecksgeflecht Rigoletto – Gilda – Herzog auf eine erschütternde Weise herauszuarbeiten. Unterstützt wird er dabei durch das Bühnenbild von Raimund Bauer, das die tiefen Klüfte zwischen den Gesellschaften auch optisch hervorhebt. So ist der Palast des Herzogs ein schwarzes Kabinett, idealer Schauplatz für bizarre Lust und frönende Gier. Die laszive Gesellschaft, in den zum Teil grotesk anmutenden Kostümen von Bettina Walter, ist mit exotischen Tier- und Insektenköpfen als Nachtgeschöpfe einer sich selbst überlassenen Unterwelt dargestellt. Rigoletto, in seinem giftgrünen Narrenkostüm, ist in dieser Gesellschaft deplatziert und unerwünscht. Dagegen ist die Kammer Gildas in ein helles Nachtblau gefärbt, als Ausdruck der Sehnsucht nach Liebe und Befreiung aus dieser Enge. Das tiefe Rot im Hause Sparafucile symbolisiert das mörderische Komplott und das finale Schicksal. Unterstützt werden diese plakativen Bilder durch das geschickte Lichtdesign von Paul Pyant und die Choreografie von Denni Sayers.

Diese Inszenierung wird aber erst durch die großartige stimmliche und darstellerische Präsenz des Sängerensembles zu einem Großereignis. Der Bass-Bariton Markus Marquardt, der zu Beginn des Jahres als Nabucco an der Oper Leipzig begeistert hat, spielt seinen wuchtigen Bass-Bariton in der Rolle des Rigoletto in jedem Moment aus. Sein beißender Spott gegenüber den Höflingen, seine rührende Vaterliebe, seine Verzweiflung beim Anblick seiner sterbenden Tochter, Marquardt zeigt alle Facetten dieser Rolle und durchlebt sie in großer Intensität.

Die Sopranistin Olesya Golovneva gibt die Gilda mit warmem Klang, sicherer Tessitura und begeisternden Höhen. Ihr Wandel von der eingesperrten Tochter zur jungen Frau, die sich für ihre vermeintliche Liebe opfert, gelingt ihr eindrucksvoll und mit anrührender Emotionalität. Ihre Arie Caro nome singt sie intensiv mit dramatischem Anklang und erhält dafür reichlich Szenenapplaus.

Giorgio Berrugi gibt den Herzog von Mantua als großen Verführer mit italienischem Schmelz, sicheren Höhen und starkem Ausdruck. Sein La donna è mobile erfüllt alle Erwartungen, die man an die wohl bekannteste Arie der italienischen Opernliteratur stellt. Der junge Scott Conner überzeugt als Sparafucile mit dämonischem Bass und gelungenem Spiel.

Sofia Lorentzen als Maddalena ist mit ihrem tiefem Mezzosopran und laszivem Spiel sowohl stimmlich als auch optisch der perfekte Kontrast zu Olesya Golovneva, was wiederum auch mit dem Inszenierungskonzept von Nikolaus Lehnhoff gut harmoniert. Angela Liebold gefällt als verschlagene Giovanna, und Matthias Henneberg gibt den Conte di Monterone mit markantem Bass.

Ilhun Jung als Marullo, Aaraon Pegram als Borsa, Motto Kastón als Conte di Ciprano und Birgit Fandrey als Contessa Cipriano komplettieren an diesem Abend ein formidables Sängerensemble.

Auch der Staatsopernchor, hervorragend eingestimmt von Pablo Assante, trägt zum hervorragenden musikalischen Gesamteindruck der Aufführung maßgeblich bei. Klar ist die Führung der einzelnen Stimmgruppen, die sich dann zum typischen Verdi-Klang mischen.

Die sächsische Staatskapelle Dresden wird an diesem Abend von Asher Fisch sicher durch die Partitur geleitet. Fisch arbeitet präzise die Nuancen und Stimmungen heraus, sein Verdi ist kraftvoll und voller Zug, die Konturen der einzelnen Partien werden mit großem Fingerspitzengefühl gezeichnet, und die Sänger werden von ihm musikalisch getragen.

Erstaunlicherweise ist die Reaktion des Publikums am Schluss etwas verhalten. Es gibt freundlichen Applaus für alle Beteiligten und einige Bravo-Rufe für die Sänger, aber der große frenetische Jubel bleibt aus. Vielleicht war die Inszenierung für einige doch zu düster, zu schauerhaft. An der musikalischen Umsetzung kann es jedenfalls nicht gelegen haben.

Andreas H. Hölscher

 





Fotos: Matthias Creutziger