Fundus   Kommentar    Backstage     Medien     Medientipps     Kontakt     Impressum    Wir über uns  
   Dossier    Kleinanzeigen     Links     Facebook     Partner von DuMont Reiseverlag  
     

Fakten zur Aufführung 

LOHENGRIN
(Richard Wagner)
13. Januar 2013
(Premiere am 21. Januar 1983)

Semperoper Dresden


Points of Honor                      

Musik

Gesang

Regie

Bühne

Publikum

Chat-Faktor


Rezensionen-Archiv

Aufführungen nach Name
Aufführungen nach Ort


 
 

zurück       Leserbrief

Ästhetik des Augenblicks

Mit der 109. Vorstellung seit der Premiere am 21. Januar 1983 wird in Dresden mit Wagners Lohengrin in der Inszenierung von Christine Mielitz das Wagner-Jahr 2013 an der Semperoper eröffnet. Doch ist die zwar legendäre, aber immerhin nun 30 Jahre alte Inszenierung geeignet, ein derartiges Jubiläum zu begehen? Wirken die Kulissen, die opulenten und farbenreichen Kostüme in der Ausstattung von Peter Heilein nicht klassisch verstaubt, ja fast schon kitschig und der heutigen Zeit nicht mehr angemessen? Das mag schon sein. Die Handlung scheint verlegt zu sein in eine Zeit des frühen Bürgertums, wo reiche Stände und Zünfte, Adel und Militär dominieren. Die Kostüme wirken kostbar, sind ein Augenschmaus. Der überdimensionierte Schwan, von der Hinterbühne kommend, wirkt dagegen eher bedrohlich als erheiternd. Allerdings erscheint die Inszenierung insgesamt eher unverbindlich, es dominiert die Ästhetik des Augenblicks, sowohl optisch als auch im Gesang. Doch was ist dann das Geheimnis dieser Inszenierung, nach 30 Jahren noch zu faszinieren und zu begeistern? Die Lösung ist einfach: Wenn herausragende Sängerdarsteller diese Rollen nachhaltig verkörpern, die Psychologie der Beziehungsgeflechte untereinander leben und ein grandioser Musik- und Klangkörper alles Angestaubte mit neuem Leben erfüllt, dann nennt man das eine Sternstunde.

Und diese Sternstunde hat mehrere Schöpfer. Allen voran Christian Thielemann am Pult der sächsischen Staatskapelle Dresden. War sein Einstieg als Chefdirigent mit dem Rosenkavalier schon umjubelt, so sprengt er mit seiner musikalischen Interpretation des Lohengrin sämtliche Ketten. Schon das Vorspiel zum ersten Aufzug lässt erahnen, wie Thielemann seinen Wagner liest. Filigran, ja fast kammermusikalisch, ertönt es aus dem Orchestergraben, zart und innig die Motive Elsas, bis die Spannung immer weiter aufgebaut wird und das Fragemotiv drohend und schicksalhaft symphonisch erschallt, um dann wieder in fast sphärische Klänge zu transkribieren. Es ist faszinierend zu sehen und zu hören, wie Thielemann immer wieder die großen symphonischen Momente aufbaut, bis die Spannung sich explosionsartig löst und in unterschiedlichen Farben und Phrasierungen ganz im Dienste des Musik-Dramas steht.

Die Orchestermusiker folgen ihm willig, und die Sänger stehen im Vordergrund; ihnen dient Thielemann als musikalischer Begleiter und Freund. Thielemann, der schon in den Pausen umjubelt wird, darf zum Schluss die stehenden Ovationen eines begeisterten Publikums entgegennehmen.

Auch der Staatsopernchor, hervorragend eingestimmt von Pablo Assante, trägt zum hervorragenden Gesamteindruck der Aufführung maßgeblich bei. Klar die Strukturierung der einzelnen Stimmgruppen, mit strahlenden, in diesem Werk so bedeutsamen Tenören, kraftvoll die Klangentwicklung in den großen Tableaus und mit präzisen Abstufungen in den leiseren Passagen.

Robert Dean Smith legt den Lohengrin nicht mit großem Heldengestus an, sondern eher lyrisch, fast mit italienischem Schmelz. Sein stimmliches Fundament ist eine sichere Stütze für die Ausbrüche am Ende des zweiten Aktes und im großen Duett des Brautgemachs Höchstes Vertrau’n. Dabei entwickelt die Stimme die nötige Strahlkraft, um in den Ensembles dominant zu bleiben. Die Gralserzählung ist fast liedhaft angelegt, und der anschließende Abschied besticht durch eine große Differenzierung in der Phrasierung und der dynamischen Ausgestaltung, wobei er manchmal die Stimme etwas zu eng führt. Smith setzt Pianoabstufungen in den Höhen und vergisst über all dem die inhaltliche Interpretation nicht.

Berückend an diesem Abend ist Soile Isokoski als Elsa. Sie gestaltet die Rolle mit einer bewegenden Innigkeit. Isokoski verkörpert in Spiel und Gesang das Idealbild der reinen und unschuldigen Elsa, ohne dabei naiv zu wirken. Ihr Sopran ist von einer großen Tragfähigkeit, der weit gesponnene Bögen und leuchtende Höhen mit Leichtigkeit erzeugt, um dann wieder mit wunderbarem Piano und sphärisch anmutenden Klängen zu berühren. Von den reinen, klar tragenden, leisen Tönen ihrer Traumerzählung zu Beginn, über die eindringlich-dramatischen Ausbrüche in der Konfrontation mit Ortrud vor dem Münster bis hin zur Brautgemachszene, mit den wunderbar vom Lyrischen ins leicht Dramatische gesteigerten Phrasierungen, beeindruckt sie auf ganzer Linie. Ihr Es gibt ein Glück, das ohne Reu ist so emotional, dass es zu Tränen rührt.

Die Ortrud von Judith Nemeth, die kurzfristig für die erkrankte Jane Henschel eingesprungen ist, ist in Stimme und Ausdruck der totale Kontrast zu Isokoski. Ein hochdramatischer Mezzosopran mit wuchtigem und scharfem Furor in den Ausbrüchen. Schlüsselszenen der Partie, wie der Entweihte Götter-Ausbruch im zweiten Aufzug oder die heftige Konfrontation mit Elsa im selben Akt bleiben so nachhaltig in Erinnerung. Nemeths oberes Register öffnet sich, ist mit großem Nachdruck durchschlagend. Ihr Ausdrucksrepertoire und die vor allem in der Mittellage variable Stimme skizziert diese Ortrud als Charakterstudie großer Intrige und Heuchelei.

Wolfram Koch gibt den Telramund mit starkem, deutlich vernehmbaren Heldenbariton und entwickelt so einen souverän gestalteten Charakter, der zum Opfer von Ortruds Kabale und Arglist wird. Genaue Artikulation ist auch bei ihm eine Selbstverständlichkeit, ebenso wie eine technisch sichere, variable Gestaltung einzelner Phrasen. Kwangchul Youn beeindruckt als König Heinrich mit wuchtigem Bass, sein Mein Herr und Gott singt er mit großem Pathos. Christoph Pohl überzeugt als Heerrufer mit sicher gesetzten Tönen und markanten Ansagen. Die Edelknappen und die Mannen des Telramund fallen angenehm durch harmonischen und klaren Klang auf und bestehen in diesem großartigen Sängerensemble.

Zum Schluss gibt es frenetischen Jubel, vor allem für Smith, Isokoski und Thielemann sowie die sächsische Staatskapelle. Die 109. Vorstellung dieser Inszenierung war eine Sternstunde und ein grandioser Einstieg in das Wagner-Jahr 2013.

Andreas H. Hölscher

 



Fotos: Matthias Creutziger