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Fakten zur Aufführung 

GUNTRAM
(Richard Strauss)
23. Februar 2014
(Premiere)

Semperoper Dresden


Points of Honor                      

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Das Gesellenstück als musikalisches Meisterwerk

Wenn man über Opern von Richard Strauss spricht, so kommen einem zunächst die großen bekannten Werke wie Rosenkavalier, Elektra, Salome oder Arabella in den Sinn. Sein Erstlingswerk Guntram ist nur wenigen Enthusiasten bekannt. Das Richard-Strauss-Jahr 2014 ist nun ein willkommener Anlass, dieses Werk neu zu betrachten und die Musik ins Gedächtnis zu rufen. Mit einer konzertanten Aufführung in der Semperoper wird nun dieser frühen Schaffensphase des Komponisten gedacht.

Richard Strauss selbst nannte dieses Werk rückblickend ein „Gesellenstück eines flügge werdenden Wagnerianers, der sich seinen Weg zur Unabhängigkeit ertastete“. Guntram ist für Richard Strauss in doppelter Hinsicht ein Meilenstein. Einerseits ist es die Verbeugung vor seinem großen Vorbild Richard Wagner, dessen legitimer Nachfolger er wird, und gleichzeitig ist es der Versuch der Emanzipation vom übermächtigen Schatten des Bayreuther Meisters. Guntram – schon der Name verweist in der Kombination aus Gunther und Wolfram auf die Werke Wagners – Mitglied eines Geheimbundes, tötet unfreiwillig den tyrannischen Herzog Robert. Doch war es wirklich Notwehr, oder entsprang die Tat seiner Zuneigung zu Freihild, der unglücklichen Gattin Roberts, die Guntram zuvor am Selbstmord gehindert hatte? Da er diesen Verdacht gegenüber sich selbst nicht gänzlich abstreiten kann, entsagt Guntram der Liebe zu Freihild. Statt sich jedoch dem Richtspruch der Bruderschaft zu unterwerfen, zieht er sich in die Einsamkeit zurück. Die mittelalterliche Szenerie, der Topos von der Erlösung durch Entsagung, Guntrams Anspruch auf Eigenverantwortlichkeit und zahllose musikalische Anklänge belegen offenkundig Strauss’ Inspirationsquelle. Nur vereinzelte Vorstellungen waren seinem Opernerstling nach der Uraufführung am 10. Mai 1894 in Weimar vergönnt. Strauss überarbeitete das Werk, für das er, wie sein Ideal Richard Wagner, auch noch selbst das Libretto schrieb, immer wieder, und insbesondere der dritte Aufzug wurde neu konzipiert und am 29. Oktober 1940, ebenfalls in Weimar, zur Aufführung gebracht. Diese Fassung ist nun in konzertanter Form an der Semperoper zu erleben.

Wenn man das Werk zum ersten Mal hört, beginnt der geneigte Wagnerianer mit dem musikalischen Rätselraten. Welchen Wagner höre ich da gerade aus der Musik heraus? Schon die ersten Takte im Vorspiel wecken Assoziationen zu Tannhäuser und Lohengrin. Doch auch Anklänge an Parsifal, Tristan und natürlich dem Ring sind zu vernehmen. Doch Strauss plagiiert nicht, er zitiert und erweitert diese Zitate mit eigenen Modulationen und Phrasierungen. Heraus kommt ein Mix, der einerseits Hommage an Wagner ist, aber auch schon kühn, vor allem im dritten Akt, den späteren Strauss mit seinen typischen Bögen und Melodien vorwegnimmt. Da sind Anklänge an Rosenkavalier, Elektra und Arabella schon zu erahnen. Für Wagnerianer mag das nur ein Abklatsch sein, für Strauss-Puristen eine Jugendsünde, für neugierige Musikliebhaber ist dieses Werk aber eine Fundgrube musikalischer Schöpfung.

Für Sänger wie Orchester bedeuten diese gut zwei Stunden reine Spielzeit eine große Herausforderung, eine szenische Umsetzung ist aufgrund des dramaturgisch doch eher schwachen Stoffes heute nicht mehr zu vermitteln. Aber als konzertante Aufführung gelingt dieses Werk zu einem großen Genuss. Am Pult der Sächsischen Staatskapelle steht der junge Dirigent Omer Meir Welber, und es ist faszinierend zu beobachten, was er aus dieser Partitur herausliest und in Töne umsetzt. Und die Musiker folgen ihm, akzeptieren diesen jungen Maestro, und gemeinsam haben sie dieses schwierige Werk erarbeitet und verinnerlicht. Omer Meir Welber führt die Musiker sicher über alle Hürden der Partitur und erzeugt dabei einen farbenreichen und differenzierten Klang, dass man manchmal vor freudiger Erregung das Atmen vergisst und man sich fragt, bin ich noch bei Wagner oder bin ich schon bei Strauss?

Auch sängerisch lässt dieser Abend nichts zu wünschen übrig. Für die Partie des Guntram hat die Semperoper wieder Frank van Aken gewinnen können. Im letzten Jahr begeisterte er schon als Tristan und Tannhäuser. Für die mörderische Partie des Guntram ist er sicher die Idealbesetzung. Fast zwei Stunden steht er auf der Bühne, mit großen Monologen und dramatischen Duetten. Musikalisch ist die Partie des Guntram irgendwo zwischen Tannhäuser, Tristan und Bacchus einzuordnen, aber das alles im Forte! Frank van Akens baritonal gefärbter Tenor ist kraftvoll in der Mittellage, ausdrucksstark in den Höhen und strahlkräftig in den dramatischen Ausbrüchen. Mit großer Ausdauer bewältigt er diese Partie und schafft es, mit seiner kraftvollen Stimme über das Forte des Orchesters zu kommen, ohne dass die stimmliche Präsenz darunter leidet. Seine dramatische Ausdruckskraft und seine enorme physische Präsenz sind einmalig, seine Textverständlichkeit ist vorbildlich! Mit Marjorie Owens hat Frank van Aken das stimmliche Idealbild der Freihild an seiner Seite. Musikalisch bewegt sich diese Partie zwischen Elisabeth und Ariadne, und ihr jugendlich-dramatischer Sopran ist von beeindruckender Leuchtkraft, ihre klare Stimmführung ist bestechend und ohne Brüche, und sie überzeugt mit einer fundierten Mittellage und einwandfreien Höhen. Georg Zeppenfeld als der alte Herzog überzeugt mit markantem, noblem und sehr textverständlichem und ausdrucksstarkem Bass.

Doch auch alle anderen Sänger verdienen sich an diesem Abend Bestnoten. Markus Butter gibt den verschlagenen Herzog Robert mit dunklem Ausdruck und düsterer Phrasierung, Simon Neal den Friedhold mit markantem Bass-Bariton, und Aaron Pegram als des Herzogs Narr mit herausstechendem Charaktertenor. Christa Mayer als alte Frau hat einen wohltönenden, warmen Mezzosopran mit kraftvollen Höhen. Und auch die anderen Protagonisten überzeugen mit ihren kurzen Auftritten. Der Herrenchor im Hintergrund ist von Wolfram Tetzner gut eingestimmt.

Der Jubel im Publikum am Schluss ist groß für alle Beteiligten. Leider war das Haus nur mäßig gefüllt, der unbekannte Guntram hat zu wenig Anziehungskraft. Schade, denn dieses Werk in konzertanter Form ist nicht nur für Liebhaber Strauss‘scher opulenter Tondichtungen oder Anhänger großer Wagnerscher Klangmelodien interessant, sondern bereichert den neugierigen Opernliebhaber mit einem selten dargebotenen Schmankerl.

Andreas H. Hölscher

 

Fotos: Matthias Creutziger