Fundus   Kommentar    Backstage     Medien     Medientipps     Kontakt     Impressum    Wir über uns  
   Dossier    Kleinanzeigen     Links     Facebook     Partner von DuMont Reiseverlag  
     

Fakten zur Aufführung 

IL TROVATORE
(Giuseppe Verdi)
2. Februar 2013
(Premiere)

Theater Dortmund


Points of Honor                      

Musik

Gesang

Regie

Bühne

Publikum

Chat-Faktor


Rezensionen-Archiv

Aufführungen nach Name
Aufführungen nach Ort



 

zurück       Leserbrief

Unfreiwillig komisch und unglaublich gut

Das Theater Dortmund leistet seinen Beitrag zum Verdi-Jahr 2013, und Regisseurin Katharina Thoma holt den Trovatore so ungefähr in die heutige Zeit, was aber die kurzen Episoden um einen Troubadour, der in einem Bürgerkrieg um Sieg und Liebe kämpft, nicht einfacher zu erzählen macht. Julia Müller hat eine graue Festungskulisse entworfen, die die militärische Situation unterstreicht und die mit einigen Zwischenwänden den schnellen Szenenwechsel möglich macht. Irina Bartels unterscheidet die beiden Parteien in ihren Kostümen, allesamt nicht wirklich schön, was aber eindeutig zur Situation passt: Lunas Krieger kämpfen in grauem Militär-Tarnfleck, Manrico scheint der Anführer der freien Opposition, eine Mischung aus Motorrad-Gang und orientalischer Widerstandskämpfer, zu sein. Ein Stoff also mit brennender Aktualität, und an die Rückwand gestrahlte Kriegsbilder sollen die militärherrlichen Chöre kritisch bewerten. Doch scheinen die vor allem aus der Vergangenheit entnommen zu sein, wo die aktuellen Ansichten doch viel größeren Eindruck hinterlassen hätten. Luna und Manrico kämpfen nicht nur politisch motiviert, sondern zugleich um die Frau Leonora, die den Troubadour liebt – aber ihr einziges Duell fällt ziemlich hanebüchen aus: Eine Art Ringkampf Pistole gegen Messer, und Leonora bringt Luna mit einer Pritsche zu Fall – selten sah Bühnenkampf so peinlich und sinnlos aus, was den beiden Männern auch jegliche militärische Autorität nimmt. Auch Sammler von Filmfehlern hätten ihre Freude an dieser Inszenierung, wo ein humpelndes Bein von einer Szene auf die nächste geheilt ist. Ebenso fragt man sich, warum Lunas Mannen bei Leonoras Entführung aus dem Kloster das Gesicht verhüllen, wenn ihr Anführer das nicht auch macht.

Anfangs freut man sich noch darüber, wie Thoma versucht, den Figuren Leben einzuhauchen, doch leider kommt schauspielerisch nicht viel anderes dabei heraus als stereotype und unbeholfene Gebärden. Nicht selten hört man an diesem Abend belustigtes Kichern unter den Zuschauern angesichts mancher unfreiwilligen Komik. Am besten gelingt der Regisseurin noch das vierte Bild, wo Leonora durch die am Boden liegenden Anhänger Manricos geht, erste Hilfe leistet und einen Weg sucht, ihren Manrico aus dem Kerker zu holen. Auch die Verknüpfungen der einzelnen Fäden mit dem Racheplan der Zigeunerin Azucena, die öfter als üblich auftaucht, um zu beobachten oder einzugreifen, gelingen der Regisseurin. Die Momente der Erinnerung werden mit gut ausgewählten Bildern, etwa dem alten Gesicht von Azucenas Mutter, an der Rückwand eindrucksvoll untermalt. Doch für den Gesamteindruck ist das zu wenig, ebenso auch für die Dramatik des Stoffes.

Ganz anders fällt der musikalische Eindruck aus, was angesichts des Schwierigkeitsgrades dieser Oper schon fast eine Sensation ist. Dirigent Lancelot Fuhry betont in einem stets voran drängenden, aber nie überhasteten Dirigat die Belcanto-Elemente des Werkes. Er und die wirklich hervorragend schlank musizierenden Dortmunder Philharmoniker begleiten die Sänger umsichtig, lassen aber auch keine dramatischen Höhepunkte aus. Die gesamte Aufführung strahlt eine beruhigende Sicherheit aus, einzelne Wackelkontakte werden schnell behoben. Granville Walker hat den Opernchor gut vorbereitet, der nie zur vokalen Brechstange in den berühmten Chorszenen greift, sondern im Forte stets kultiviert singt. Im Piano ist der Klang dagegen fast etwas zu flach.

Angefangen bei John Zuckermans Ruiz und der Ines von Vera Fischer ist ein fantastisches Ensemble aufgeboten. Wen Wei Zhang eröffnet die Oper mit der Erzählung des Ferrando mit einem agilen, vollen Bass ganz ausgezeichnet und lässt auch während der gesamten Vorstellung nicht nach. Susanne Braunsteffer folgt als Leonora und bestätigt vom ersten Ton an diesen musikalischen Eindruck. Ihr Debüt in dieser Rolle gelingt ohne großartige Abstriche, eine gewisse Sicherheit wird sich noch einstellen. Bei der Premiere besticht sie mit gut gestütztem Sopran und einem schönen Timbre, dazu gesellt sich eine hohe Phrasierungskunst und eine verinnerlichte Musikalität. Sangmin Lee zeigt als Luna energisch, dass die Furien in ihm wohnen ohne jemals die Kontrolle über seinen gut fokussierten, modulationsfähigen Bariton zu verlieren. Nicht nur seine große Arie Il balen del suo sorriso, die vom Publikum stark bejubelt wird, bewältigt er mit einer sehr sicheren Atemkontrolle. Stefano La Colla kämpft zuweilen mit der Intonation, doch ansonsten hat dieser Tenor alles, um die schwere Rolle des Manrico mit Erfolg zu bewältigen. Mit schönem Legato und Schmelz untermauert er seine Liebe zu Leonora, mit Attacke wirft sich er in die berühmte Stretta Di quella pira und das hohe C an deren Ende, ohne dass er vorher ganze Phrasen auslassen muss. Dazu bietet er auch noch das passende Äußere für die Rolle. Die charakterstarke Hermine May wirkt dagegen als Azucena stimmlich und körperlich fast noch zu jung, doch macht sie das mit sicherer Stimme, Dramatik und Rollengestaltung mehr als wett. Den Racheplan und die große Triumphgeste des Finales, wenn sie auf ihre Opfer herabschaut, nimmt man ihr mit Gänsehaut ab.

Für die Musiker gibt es lautstarke Bravos, beim Regieteam nimmt die Lautstärke des Klatschens deutlich ab, ein paar Buhs und Bravos halten sich die Waage. Das Publikum im sehr gut besuchten Opernhaus weiß genau, wie es die Leistungen einzuschätzen hat. Und mittendrin ein Ehepaar mittleren Alters, dass sich der unfreiwilligen Komik auf der Bühne anpasst. Er ist absolut unpassend angezogen und notorisch tablettensüchtig. Mit großer Geste packt er die Pillen natürlich an den leisesten Stellen aus und wirft sie mit einigen Seitenblicken in den Mund. Sie genießt es, ein Kichern zu übertreiben, und ihren Mann auf den Grund dafür hinreichend mit Gesten und Flüstern aufmerksam zu machen. Das ist mal Satire pur.

Christoph Broermann

 

Fotos: Björn Hickmann