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Fakten zur Aufführung 

TITUS
(Wolfgang Amadeus Mozart)
18. Februar 2012
(Einmalige Aufführung)

Konzerthaus Dortmund


Points of Honor                      

Musik

Gesang

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Grandioser Triumph der Musik

Der Saal des Konzerthauses Dortmund bietet in seiner strahlend hellen Art durchaus die schlichte Pracht für einen römischen Palast. Und Mozarts Oper Titus beschäftigt sich so viel mit dem Innenleben seiner handelnden Figuren, dass eine Inszenierung gar nicht notwendig ist. Daher wird die konzertante Aufführung in Dortmund zu einem grandiosen Triumph der Musik, weil hier Kräfte gebündelt werden, die sich zu einer packenden Wiedergabe von Mozarts später opera seria vereinen.

Bis in die Nebenrollen hinein ist die Aufführung exqusit besetzt: Brindley Sherrat macht den Publio mit präsentem Bass zu einer Mischung aus weisem Berater des Kaisers und gefährlichem Anführer der Exekutive des römischen Staates. Rosa Feola ist als mädchenhafte Servilla im rosafarbenen Abendkleid nicht nur optisch glaubhaft, sondern verkörpert auch stimmlich den Charakter des jungen, liebenden Mädchens mit schmeichelndem Sopran. Im Duett Ah perdona al primo affetto vereint sich ihre Stimme sehr berührend mit Christina Daletska, ohne den kitschigen Charakter des Wunschkonzert-Hits anzusteuern. Letztgenannte ist ein vitaler, hervorragender Annio mit pulsierendem Vibrato, das ab und an ins leicht klirrende abgleitet. Diese drei Stimmen sind einzig aus der Menge ihres Textes als Nebenrollen zu bezeichnen, in der Aufführung untermauern sie das Niveau der drei Hauptfiguren.

Malin Hartelius spielt gekonnt mit den Reizen einer femme fatale. Ihre Vitellia ist nicht unbedingt kräftig in der Stimmmasse, dafür machen ihre mühelosen Höhen, das herrliche Timbre und ihr stark herausgearbeiteter Fall zur tragischen Geliebten umso mehr Eindruck. Alice Coote zeigt den ihr hörigen Sextus nicht als willenlosen Schwächling sondern mit viriler Stärke. Der Zwiespalt zwischen Liebe und Freundschaft ist in ihrem technisch starken Mezzosopran glaubhaft verankert. Ihr starker, leicht burschikoser Auftritt, das dunkle Timbre und der sichere Stimmsitz untermauern die selbstbewusste Interpretation, die sicherlich zu den besten Auslotungen der Partie in diesen Tagen bedeutet. Michael Schade führt nicht umsonst den Ruf als derzeit bester Mozart-Tenor mit sich. Anschaulicher kann man den Titus kaum singen: Ohne die Grenzen des kultivierten Gesangs zu verlassen, vermag er seine Rolle dreidimensional zu gestalten. Milde im lyrischen Klang, zweifelnd im leisesten Mezza-Voce, lautstark enttäuscht im Bewusstsein verraten worden zu sein. Sein Kaiser strahlt in jeder noch so kleinsten Bewegung – sei es Schnippen, Winken, Nicken – die ungebrochene Autorität des Kaisers aus.

26 Stimmen, es handelt sich um den erstklassigen Deutschen Kammerchor, spiegeln die Gefühle des römischen Volkes wider. Allein der Aufmarsch für den ersten Einsatz vor der vordersten Reihe im Parkett ist ein großer Moment, der nur noch durch das gefühlvolle Ah grazie si rendano überboten werden kann. Der Chor hat an der Wirkung des Abends den gleichen Anteil wie die Deutsche Kammerphilharmonie Bremen. Ihr nuanciertes Spiel lässt aufhorchen, die Einzelstimmen sind in dem nie trockenen Gesamtklang deutlich hörbar. Selten hörte man die Feinheiten dieser Partitur wie die bedrohlichen Kontrabässe oder die sensiblen Holzbläser so genau wie an diesem Abend. Besonders schwer haben es in dieser Interpretation die Hörner, weil man bei ihnen jeden wegbrechenden Ton sofort wahrnimmt. Alle Musiker folgen aufmerksam dem Dirigat von Louis Langrée, der ebenso aufmerksam auf seine Musiker hört und sie zu einer höchst bemerkenswerten Interpretation führt. Schon bei den ersten Takten der Ouvertüre wird deutlich, dass hier Großes geleistet wird. Selbst eine kurze Generalpause ist bei ihm ein Mittel zur Steigerung der Spannung. Als Beispiele für die Zusammenarbeit mit den Sängern müssen die beiden Arien des Sextus genannt werden, die man in dieser Sensibilität noch nie gehört hat. So entwickelt sich Parto, parto, ma tu, ben mio zu einem Duett mit der nach vorne getretenen Klarinette – ein magischer Moment.

Auch die konzertante Aufführung hält die Sänger nicht davon ab, sich vor ihren Notenständern zu bewegen, mit den Nachbarn zu kommunizieren. Die eintreffenden Personen beginnen die lebendigen Rezitative zum Teil aus zweiter Reihe inmitten des Orchesters, bevor sie zu den anderen nach vorne treten. Etwas irritierend ist der Bewegungsdrang von Michael Schade, der nach weiten Gängen wieder zu seinem Notenständer zurückkehrt, um die aktuelle Seite in den Noten zu finden.

Leider ist die Dortmunder Konzerthalle längst nicht ausverkauft, aber die zahlreichen Zuschauer hören gespannt zu. Die trotz aller ruhigen Momente sehr kurzweilig voranschreitende Aufführung wird schon bald nach den ersten Arien mit lautem Applaus unterbrochen, der sich am Ende zu frenetischem Beifall mit standing ovations und Bravo-Rufen steigert. Dieses Publikum weiß die Qualität der Aufführung zu würdigen. Nur der Sitznachbar schaut immer wieder auf die Uhr, vielleicht hofft er ja pünktlich zum Aktuellen Sportstudio wieder zu Hause zu sein.

Christoph Broermann

Fotos: Petra Coddington