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Fakten zur Aufführung 

TANNHÄUSER UND DER SÄNGERKRIEG AUF DER WARTBURG
(Richard Wagner)
1. Dezember 2013
(Premiere)

Oper Dortmund

Points of Honor                      

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Nach der Premiere


Christiane Kohl gibt ein eindrucksvolles Debüt als Elisabeth im Dortmunder Tannhäuser. Nach der Premiere ist die Freude groß (6'42).

 

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Vom Erlöser zum Erlösten

Nach dem Tannhäuser in Düsseldorf ist eigentlich die Lust erloschen, sich einem weiteren Regie-Machwerk zu diesem Stück hinzugeben. Und es spricht ja nun auch wenig dafür, nach Dortmund zu fahren, wo das Opernhaus nicht zwingend als eine Ansammlung von Wagner-Spezialisten gilt. Trotzdem steht das Werk auf dem Spielplan des Hauses. Für die Inszenierung zeichnet Kay Voges verantwortlich. Der Schauspieldirektor des Theaters Dortmund gibt ausgerechnet mit Tannhäuser sein Debüt als Opernregisseur. Muss das sein? Andererseits ist der Mann wirklich unverdächtig, Fatales zu produzieren. Und weil es nun tatsächlich länger nichts Neues von Wagner in Dortmund gab, ist das Opernhaus ausverkauft. Das ist erfreulich.

Die Ouvertüre beginnt vor geschlossenem Vorhang. Als der Vorhang sich öffnet, wird ein Kreuz sichtbar, das aus vielen Einzelmonitoren besteht. Tannhäuser hängt dran, mit Dornenkrone. Der Erlöser. Voges ist ein Mann der Projektionen. Und sogleich beginnen die Bilder zu flimmern. Vom Leid der Welt. Auf dem Kreuz, auf dem Podest des Kreuzes, auf der Rückwand der Bühne, über der eine Art Krone hängt. Links ne Dame, rechts ne Dame. Die rechts kniet nieder und bekreuzigt sich. Das Spiel beginnt. Der Venusberg entpuppt sich bei Bühnenbildner Daniel Roskamp als Küche und Wohnzimmer im 1950-er-Jahre-Stil. Venus knetet einen Teig. Die Ehe also als Paradies, in dem Tannhäuser es nicht mehr aushält. Was für eine Botschaft. Der Held ist weiterhin in weißer Unterwäsche unterwegs. Für die Kostüme ist Michael Sieberock-Serafinowitsch zuständig. Und er entwickelt viel Fantasie. Ob Elisabeth im Walle-Walle-Kleid mit Strahlenkranz auf dem Kopf, Sänger in gold-schwarzen Anzügen mit Sonnenbrillen und aufdringlichem Schmuck, der Oheim im pinkfarbenen Anzug oder die Venus im schwarzweißen Kostüm; zusätzliches Personal sind der weibliche Tod in spärlicher Bekleidung, ein Fabelwesen mit gedrehten Hörnern auf den Schultern und drei Dienerinnen, aber auch der Engel in weiß mit blonder Perücke darf nicht fehlen. In der Verbindung mit der Video-Ästhetik, die Daniel Hengst wählt, löst Voges die Komposition aus dem Überhöhten: Wagner goes Pop-Art. Weil das alles handwerklich sehr gut gearbeitet ist und sich mehr oder minder gut ausgeht, beschränken sich auch die älteren Herren mit Wagner-Kenntnis auf Kommentare wie „Was man sich alles gefallen lassen muss“. Aber sie bleiben sitzen.

Es wird nämlich durchgängig Qualität geboten. So auch bei den Sängerdarstellern. Zwar leistet sich Daniel Brenna als Tannhäuser stimmlich einige Ausrutscher, die aber mehr nach abgefangener Erkältung als nach gesanglichem Unvermögen klingen. Im Spiel verausgabt er sich zur Begeisterung des Publikums. Eindrucksvoll gibt Christiane Kohl ihr Debüt als Elisabeth mit dramatischem Sopran und klar verständlichem Text. Ob man sie auf das Podest unter dem Kreuz krabbeln lassen muss, ist in weiteren Aufführungen sicher noch mal zu überdenken. Ansonsten ist allein schon ihre Stimme einen Besuch wert. Aber auch Christian Sists Debüt als Landgraf gestaltet sich als sehr erfolgreich. Sein kerniger Bass bietet die nötige Elastizität, um einen souveränen Hermann zu zeigen. Wunderbar der Bariton von Gerardo Garciacano in der Rolle des Wolfram von Eschenbach, Tenor John Zuckerman als Walther von der Vogelweide und Morgan Moody als Bassbariton, der Biterolf gibt. Dass die Herren, unter ihnen auch Fritz Steinbacher als Heinrich, der Schreiber, und Martin Js. Ohu als Reinmar von Zweter, sich in Tanzeinlagen versuchen, wirkt dann doch etwas gewagt, aber das Publikum hat seinen Spaß.

Wie üblich hervorragend einstudiert von Granville Walker, präsentieren sich die Chöre des Theaters Dortmund, die sich im Off manchmal ein wenig schwer tun, was das Ausklingen angeht.

Der neue Generalmusikdirektor, Gabriel Feltz, zeigt mit den Dortmunder Philharmonikern, dass Tannhäuser keine Hexerei ist, sondern das Ergebnis präziser Führung und exakter Teamarbeit. Abgezirkelt und hoch diszipliniert nimmt Feltz sich Zeit für die Piani, lässt kraftvoll Wagner in den Forti klingen, ohne die Sänger zu bedrängen. Einzig im Sängerkrieg wird es etwas wüst, aber man muss sich ja auch mal austoben dürfen.

Das meint zumindest auch das Publikum. Einzelne Buh-Rufer werden gnadenlos von vielen Bravo-Rufen übertönt. Der Applaus erfolgt im Stehen und beweist Begeisterung, nachdem Tannhäuser, man hat es kommen sehen, am Kreuz die Erlösung gefunden hat. Der Kreis schließt sich, und die lebhaften Diskussionen in den Pausen weichen am Ende überwiegend großer Zufriedenheit. Der Weg nach Dortmund lohnt sich eben doch immer wieder.

Michael S. Zerban

 





Fotos: Thomas M. Jauk/Stage Picture