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Fakten zur Aufführung 

L'INCORONAZIONE DI POPPEA
(Claudio Monteverdi)
1. Dezember 2012
(Premiere)

Theater Dortmund


Points of Honor                      

Musik

Gesang

Regie

Bühne

Publikum

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Reich und schön

Worin besteht das wahre Wesen der Liebe? Claudio Monteverdi beantwortet diese Frage in seiner letzten Oper nur einmal ganz kurz, als sich der Page Valletto und die Zofe Damigella näher kommen. Für deren gegenseitige Anziehungskraft gibt es keine tiefere Erklärung. Wahrhaftige Liebe ist in sich selbst begründet. Ganz anders sieht die Sache bei den beiden tragenden Protagonisten von L’Incoronazione die Poppea aus: Bei Nero ist das Werben um Poppea mit der Frage nach der absoluten Macht verknüpft, bei Poppea die Liebe zu Nero mit Karrierismus. Darin liegt der Hund begraben. Und es zeigt, dass Monteverdis vor 370 Jahren uraufgeführtes Werk ungemein modern ist. Der römische Kaiser aus dem Blickwinkel des Frühbarocks – er wäre heute wohl Investmentbanker.

In Dortmund inszeniert Opernintendant Jens-Daniel Herzog die Poppea. Das Publikum wird – auf zwei gegenüberliegenden, treppenartigen Tribünen sitzend – in das von Mathis Neidhardt geschaffene Bühnenbild integriert. Die dadurch geschaffene Nähe hebt jede Distanz zwischen Zuschauern und Darstellern auf. Da geht es jeden etwas an, was am kaiserlichen Hofe passiert. Nero und seine Gattin Ottavia, die der Kaiser loswerden möchte, die zur Macht greifende Poppea, der liebeskranke Ottone und der ob seiner philosophischen Erkenntnisse selbstverliebte Seneca sind ein Haufen unangenehmer Zeitgenossen. Identitätsstiftend sind die vielen menschlichen Schwächen, die sich hier ansammeln. Einen Helden, mit dem das Publikum mitfiebern könnte, gibt es in der Poppea nicht.

Stattdessen zeigt Herzog ungeschminkt den rücksichtslosen Aufstieg Poppeas und Neros Emanzipation von Ottavia und Seneca. Fast drei Stunden dauert die Oper, doch die verfliegen kurzweilig. Das liegt zum einen an einem gut aufgelegten Ensemble, das sowohl im Gesang als auch in der Darstellung zu überzeugen weiß. Und zum anderen an einer Regie, die die Stärken des Ensembles zu nutzen weiß. Herzog zeigt Interesse an den komischen Seiten des Stücks und arbeitet sie detailliert heraus, ohne dabei den Blick für das große Ganze zu verlieren. Eleonore Marguerres Poppea und Christoph Strehls Nero sind nicht einfach „schlechte“ Menschen. In ihren intimen Momenten zeigen sie ihre menschlichen Schwächen und Unsicherheiten. Doch wenn es darauf ankommt, hat das Paar vor allem in seiner Rücksichtslosigkeit und Skrupellosigkeit das Heft des Handelns in der Hand. Christian Sist stellt die vermeintliche Autorität Senecas mit ihren ganzen Unzulänglichkeiten überzeugend vor. Katharina Peetz verleiht der Ottavia glaubhaft Verzweiflung. Voller Spielfreude und Spritzigkeit agieren die allesamt doppelt besetzten Tamara Weimerich als Fortuna und Valletto, Julia Amos als Virtù und Drusilla sowie Maike Raschke als Amore und Damigella. Krankheitsbedingt spielt Lucian Krasznec die Arnalta lediglich – aus dem Off hört man Hans-Jürgen Lazar singen – und sorgt hier durch überdrehtes Spiel für viele komische Momente. Großartig gelingt Ileana Mateescu die Darstellung des Ottone. Hierin liegt sowieso eine Stärke der Dortmunder Poppea: Die von Frauen dargestellten Männerrollen wirken nicht schrill oder aufgesetzt. Man nimmt den Darstellerinnen ab, dass sie in der Poppea Männer sind.

Die Dortmunder Philharmoniker spielen unter der Leitung von Fausto Nardi die Musik Monteverdis recht frisch. So gelingt ein äußerst unterhaltsamer Opernabend. Lediglich die freie Übersetzung von Francesco Busenellos Libretti in deutsche Vulgärsprache wirkt fehl am Platze. Die Charakterlosigkeit der Protagonisten geht aus dem Bühnengeschehen selbst hervor und braucht diesen Kunstgriff nicht. Das Publikum schert das kaum. Begeistert trampelt es mit den Füßen, um Sänger, Musiker und Regieteam enthusiastisch zu feiern.

Sascha Ruczinski





Fotos: Bettina Stöß