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Fakten zur Aufführung 

IKON OF LIGHT
(Chorwerk Ruhr/Ensemble Resonanz)
29. September 2013
(Premiere am 28. September 2013)

Ruhrtriennale, Maschinenhalle Zeche Zollern, Dortmund


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Gregorianisches in einer Industriekathedrale

Nach der Renovierung steht nun auch die ehemalige Maschinenhalle der Zeche Zollern II/IV in Dortmund mit ihrer besonderen Architektur wieder für kulturelle Veranstaltungen zur Verfügung – und ist ein Gewinn.

Manch ein Besucher mag erschrocken sein, als der Begrüßungsbeifall für Chor und Dirigent sich vielfach an den hohen, mit glatten Stein- und Fensterflächen ausgestatteten Wänden bricht und hallig zurückkommt. Nach den ersten vorsichtig angesummten, dann fortissimo eingeworfenen Akkorden des ChorWerks verfliegt diese Sorge, der Klang der Stimmen und des auf einem separaten Podium platzierten Streichertrios kommen direkt und klar über, füllen den hohen Raum.

Mit Kompositionen des britischen Komponisten John Tavener und des estnischen Musikers Arvo Pärt präsentiert Florian Helgath ein anspruchsvolles Programm moderner geistlicher Chormusik. Auf der Basis seiner kirchenmusikalischen Erfahrungen und nach seiner Konvertierung zur russisch-orthodoxen Kirche arbeitet Tavener fast ausschließlich an religiösen Musikwerken. Sein in Dortmund aufgeführtes Werk versteht Tavener als „geheimnisvolles Gebet“ an den Heiligen Geist, das als ein musikalisches Licht in die materielle Welt hineinleuchten soll. So beginnt auch der kleine Chor mit scharfen Akkorden, in denen er mehrfach Fos – Licht – ruft, begleitet von dunklen Haltetönen des Streichtrios.

Dem ChorWerk, einem hoch professionellen Chorensemble mit 31 Sängerinnen und Sängern, gelingt es bald, in dieser Industriekathedrale eine klösterlich-kirchliche Stimmung auszubreiten und an Gesänge zu erinnern, wie sie aus gregorianischer Kirchenmusik bekannt sind. In geschicktem Wechsel von Solopartien und Chorvariationen, im Gegenüber von Männer- und Frauenstimmen schafft Tavener eine große Eindringlichkeit des Chores, die vom ChorWerk souverän präsentiert wird. Die Streichergruppe bleibt dabei optisch wie akustisch im Hintergrund und unterstreicht den kontemplativen Charakter der Musik.

Im zweiten Teil des Abends kommen bei dem estnischen Komponisten Arvo Pärt ein Streichorchester und ein Klavier hinzu und liefern neue Klänge. Auch bei Pärt, der zu den bedeutendsten Komponisten neuer Musik zählt, spielt die Nähe zur russisch-orthodoxen Kirche und zur religiösen Musik eine große Rolle.

Das im orchestralen Teil gespielte Trisagion verzichtet ganz auf Textteile und bringt berührende Klänge in der vollen Variationsbreite des Streichorchesters in die hohe Halle des Maschinenhauses – ein beeindruckender Gegensatz von langsamen Tempi und verhalten-trauriger Musik im Wechsel mit einem Forte-Satz. In immer neuen Wellenbewegungen schwingen sich die Streicherklänge auf, um dann wieder zu verebben. Im ebenfalls von Pärt stammenden Schlussstück Te Deum für drei Chöre und Klavier kann das ChorWerk noch einmal seine hohe Professionalität ausloten. Auch hier klingen klösterliche Gesänge durch, tauchen in den Streicherpassagen barocke Klangfiguren auf, füllen klangvolle Tutti-Einsätze die Halle, um beim abschließenden Sanctus leise zu verklingen.

Beide Komponisten verlangen ein thematisch akzentuierendes Dirigat, das Ausdruck und wechselnde Tempi nicht den Musikern überlässt. Florian Helgath bewältigt diese Aufgabe ohne Mühe, Neue Musik ist sein Feld. Erfahrene Instrumentalisten und das professionell auftretende ChorWerk machen ihm die Aufgabe leicht, sie sind besten vorbereitet und hoch konzentriert.

Das Publikum dieser ausgefallenen Aufführung ist berührt, begeistert und spendet lang anhaltenden Beifall. Die Besucher erleben ein geistliches Konzert mit modernen Kompositionen, in denen gregorianische Elemente ebenso auftauchen wie Merkmale neuer Musik dieses Jahrhunderts. Vor allem für Musikkundige dürfte der Abend aufgrund seiner ausgefeilten Aufführung ein besonderer Genuss gewesen sein. Zufallsbesucher mögen sich angesichts der außerordentlich kühlen Aufführung und der verkopft wirkenden Vorlagen gefragt haben, wo an diesem Abend die Freude an der Musik und am Musizieren blieb. Wer schon einmal orthodoxe Festgottesdienste erlebt hat, dem werden die oft überschäumende Musikalität und Emotionalität dieser Feiern fehlen.

Horst Dichanz

Fotos: Opernnetz/Pedro Malinowski