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Fakten zur Aufführung 

DER GRAF VON LUXEMBURG
(Franz Lehár)
11. Januar 2014
(Premiere)

Oper Dortmund

Points of Honor                      

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Nach der Premiere


Thomas Enzinger gilt als einer der renommiertesten Operetten-Regisseure. In Dortmund hat er einmal mehr gezeigt, worauf sich sein Ruf begründet (3'19).

 

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„Mein Liebchen, was willst Du mehr?“

Gern ist die Operette an deutschen Häusern das Sujet des Regieanfängers. Leichte Kost ist schließlich leicht inszeniert. Die Ergebnisse sind entsprechend, und so hat die Operette viel von ihrem guten Ruf verloren. Dortmund geht einen anderen Weg. Jens-Daniel Herzog hat den erfahrenen Operetten-Regisseur Thomas Enzinger an die Oper geholt, um Der Graf von Luxemburg inszenieren zu lassen. Ihm zur Seite steht Bühnen- und Kostümbildner Toto. Eine Kombination, die in Dortmund zeigt, warum Franz Lehárs Werk seit seiner Uraufführung im Theater an der Wien 1909 weltweit Erfolge feiert. Hinzu kommt, dass Enzinger ein vernünftiges Budget zur Verfügung hat, weil die Inszenierung eine Kooperation mit dem Staatstheater Nürnberg ist. Entsprechend opulent darf es zugehen.

Schon die Bühne ist großartig und durchdacht. Den Hintergrund bildet eine halbrunde Wand, auf der linken Hälfte der typische Prospekt aus der Entstehungszeit der Operette, auf der rechten Hälfte ein Foto von Paris. Davor ein Spalier, das so einen Umlauf herstellt. Im Zentrum das Atelier, aus dem später der Modesalon der Didier und noch später das Grand Hotel de Paris wird. Alles ist großzügig und bunt, die verschiedenen Stimmungen untermalt Stefan Schmidt mit schlüssiger Lichtregie. Wenn der Erzähler in die Handlung eingreift, erstarren nicht nur die Figuren, sondern das Licht wird abgedunkelt und auf Spots reduziert. Tolle Effekte mit minimalem Aufwand. Die Kostüme eine herrliche Mischung aus Fantasie und Fin de Siècle. So ist der halbe Erfolg schon garantiert, ehe eine Note erklungen oder ein Protagonist sich bewegt hat. Bewegung allerdings gibt es satt und reichlich. Enzinger schöpft aus dem Vollen. Chor, Statisten und Tanzensemble bevölkern ständig die Bühne, ohne sie zu überfrachten. Besondere Erwähnung verdient das Tanzensemble in der Choreografie von Markus Buehlmann, das Walzerseligkeit und Polkafreude mit Überzeugung auf die Bühne bringt. Chorleiter Granville Walker überrascht etwas, indem er den Chor in erster Linie laut singen lässt. Das klingt eindrucksvoll, geht aber zu Lasten des Textverständnisses. Wie sich überhaupt die Akustik an diesem Abend schwierig darstellt.

Lucian Krasznec, Darsteller des Grafen von Luxemburg, lässt sich als indisponiert melden. Wirklich singt er nicht aus, was in erster Linie zu Lasten des Stimmvolumens geht. Damit ist er hinter dem Orchester kaum verständlich. Erst als er seine Arie auf dem vorderen Grabenrand mit Schmelz vorträgt, kann er sein Können andeuten. Einer der Höhepunkte des Abends ist Hannes Brock, der dem Fürsten Basil Basilowitsch köstlich-komödiantisches Leben einhaucht. Da sitzt nicht nur jede Note, sondern auch jede Geste und jede Mimik. So viel Souveränität und Spielfreude ist großartig. Dahinter müssen die Jüngeren zurückbleiben. Auch wenn Mirella Hagen die Juliette Vermont mit viel Witz und schön artikuliert singt. Die große Ausstrahlung einer Angèle Didier, die Aura, lässt Julia Amos vermissen. Sie scheint sich mehr auf die Diva-Rolle zu konzentrieren. Das ist legitim, verpasst aber ein wenig die Möglichkeit, aus der Rolle etwas Eigenes zu machen. Ähnlich Fritz Steinbacher, der den Maler Armand Brissard anstandslos meistert, ohne Charisma zu entwickeln. Im dritten Akt dann der überraschende Auftritt der Gräfin Stasa Kokozow. Johanna Schoppa wirbelt mächtig Staub auf. Und wirklich gelingt es ihr, das Dortmunder Publikum zum Mitsingen zu bewegen – selbst die Schalke-Fans, damit die sich nicht outen müssen. Grandios, wie sie aktuelle Bezüge herstellt. Der Saal gerät außer Rand und Band. Volksfest-Stimmung im Opernhaus. Dagegen ist jeder Frosch in der Fledermaus ein Langeweiler. Spätestens jetzt ist auch der letzte Zweifler überzeugt: Enzinger und sein Team haben großartige Arbeit geleistet. Und die Nürnberger dürfen sich schon jetzt freuen. Die Dortmunder allerdings sollten in den Folgevorstellungen schnell die zahlreichen Plätze füllen, die bei der Premiere leer geblieben sind.

Vor allem auch, um sich die wundervollen Operettenschlager nicht entgehen zu lassen, die die Dortmunder Philharmoniker unter vollem Körpereinsatz ihres Dirigenten Motonori Kobayashi sehr differenziert zu Gehör bringen. Kobayashi absolviert die Musik nicht, sondern lebt sie. Konzentriert arbeitet er mit den Sängern. Richtig schön aber wird es, wenn der Walzer zelebriert und die Polka gefeiert wird.

Aus dem prallen Leben: voller Opulenz, Esprit und Witz. So muss Operette zu der Zeit gewesen sein, als sie ihre größten Erfolge feierte. So ist sie an diesem Abend in Dortmund. Oder wie der Sitznachbar seiner Ehefrau fachkundig mitteilt: „So muss Operette sein.“ Eine großartige Teamleistung, findet das Publikum und applaudiert allen Beteiligten gleichermaßen lautstark. Erst als Kobayashi vom Bühnenrand aus eine kurze Zugabe erklingen lässt, gibt es endlich auch die verdienten stehenden Ovationen. Es wird Zeit, die Operette in dem Glanz wieder auferstehen zu lassen, den sie einst erlebte. Dortmund hat schon mal gezeigt, wie es geht.

Michael S. Zerban

 





Fotos: Thomas M. Jauk/Stage Picture