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Fakten zur Aufführung 

L'ELIOGABALO
(Francesco Cavalli)
9. Oktober 2011
(Premiere)

Oper Dortmund


Points of Honor                      

Musik

Gesang

Regie

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Matter Lustmolch

Cavallis 1667 in Venedig uraufgeführter L’Eliogabalo ist zweifelsfrei schöne Musik. Die heutige Theatertauglichkeit des dreistündigen Werkes kann zumindest die aktuelle Dortmunder Inszenierung jedoch nur bedingt erbringen, zumal sie den Mut zur mutmaßlichen deutschen Erstaufführung mit kaum halb ausverkaufter Premiere bezahlen muss.

Kaiser Eliogabalo hält nichts vom Regieren, um so mehr dagegen von den Frauen. Hier sind seiner Gier kaum Grenzen gesetzt. Das weckt auch auf Frauenseite Begehrlichkeiten und wirbelt das Beziehungsleben in des Kaisers persönlichem Umfeld gehörig durcheinander. Besonders zwei Paare werden auseinander gedrängt. Am Ende ist Eliogabalo tot. Hinter der Bühne hat ihn ein Aufstand erwischt, der zwischendurch immer mal kurz, ein Wirbelwind in schmuddeligen Parkas, über die Bühne gefegt war. Die Paare versöhnen sich und singen ein schönes, leider kurzes Quartett. Dazu hat Cavalli eine rezitativlastige Musik geschrieben, mit kurzen Arien und noch kürzeren Ensembles.

Katharina Thoma, seit dieser Spielzeit feste Regisseurin am Haus, versetzt das Stück in die heutige Zeit. Stefan Hageneier hat ihr eine spartanische Bühne mit veränderbarer Tiefe gebaut, die auch durch Versatzstücke wie eine große, hässliche Drehtür nicht an Ansehnlichkeit gewinnt. Die bunten, oft trashigen Kostüme ebnen die Standesunterschiede zwischen den Figuren komplett ein. Außer Eliogabalo, der das Geld und bei jedem Auftritt ein neues Kostüm hat, sind jetzt alle gleich, eine lose Community des Liebesbegehrens. Es mag der Regisseurin nicht gelingen, interessante Figuren zu erfinden. Vielmehr werden sie durch etwas grobe Gags verkleinert, ja geradezu denunziert. So gibt sich der Kaiser oft tuntig und lässt sich von hochhackigen Gigolos ohne dramaturgische Funktion begleiten. So muss sich seine Angebetete Flavia Gemmira bei ihrem ersten Auftritt die Füße massieren und dabei elegisch von Liebe singen. Sie kommen einem alle verweichlicht, überempfindlich und selbstsüchtig vor, diese Figuren. Selbst aus den grotesken Momenten, wie der Aufrichtung eines Frauensenats in bademantelartigen Togen, werden keinerlei Funken geschlagen und die, zugegeben schwerblütigen und etwas geschwätzigen, komischen Passagen laufen einfach durch.

Hier könnte vielleicht ein wenig mehr Temperament aus dem Graben der Sache aufhelfen. Fausto Nardi führt die Dortmunder Philharmoniker, den hervorragenden Cembalisten Andreas Küppers und Johannes Vogt an der Theorbe souverän durch die ungewohnten Aufgaben, könnte das Bühnengeschehen aber stärker befeuern.

Gesungen wird durchweg ordentlich. Der im Programm nicht genannte Chor singt sich solide durch seine wenigen Takte. Die einzige Enttäuschung ist ausgerechnet der prominente Gast Christoph Strehl in der Titelrolle. Sein Tenor klingt matt und kraftlos, sein kompetentes Spiel wirkt stellenweise etwas unbeteiligt. Überzeugend die beiden Paare, John Zuckermans Alessandro mit schlankem, höhensicherem Tenor, Eleonore Maguerres Flavia mit frischem Sopran, Tanja Weimerichs Eritea mit etwas uneben geführter Stimme, spitzem Charme und schön gesetzter Koloratur. Primus inter Pares ist hier eindeutig die wahrhaft scheußlich kostümierte Ileana Mateescu als Prätorianeroberst Giuliano mit schönstem Mezzogesang und – vielleicht einen Tick zu ernsthafter –  intensiver Darstellung existenzieller Unbeholfenheit. Anke Briegel und Christian Sist glänzen als Atilia und Nerbulone vor allem durch Beweglichkeit und Charme in Gesang und Spiel. Bleibt das Dienerpaar, Eliogabalos muntere Erfüllungsgehilfen. Elzbieta Ardam gibt die Kupplerin mit pastösem, zuweilen schartigem Alt und die Dortmunder Institution Hannes Brock glänzt mit Pointensicherheit, stimmlicher Prägnanz und überwältigender Bühnenpräsenz.

Das spärlich angetretene Publikum entlohnt alle Beteiligten mit großer Begeisterungsfähigkeit, konzentriertem Zuhören und großzügigem, lang anhaltendem Applaus für ihre Anstrengungen, was dem gebeutelten Haus sicher gut tut. Ob man das groß dimensionierte Opernhaus allerdings mit dieser Art von Theater endlich wieder regelmäßig füllen kann, muss dahingestellt bleiben.

Andreas Falentin






 
Fotos: Thomas M. Jauk