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Fakten zur Aufführung 

DON CARLO
(Giuseppe Verdi)
29. September 2013
(Premiere)

Theater Dortmund


Points of Honor                      

Musik

Gesang

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Herzlich willkommen, Gabriel Feltz

Neue Zeiten in Dortmund. Mit der ersten Opernpremiere in Dortmund stellt sich auch der neue Generalmusikdirektor Gabriel Feltz vor. Intendant Jens-Daniel Herzog inszeniert und bringt mit Verdis Don Carlo eine Koproduktion aus Mannheim mit. Und auch hier prallen alte und neue Zeiten aufeinander. Mathis Neidhardt verpackt Carlo, Elisabeth und König Phillip in historische Gewänder und lässt sie auf das moderne Beamten- und Militärvolk treffen. Drei Gestalten, die ihrer Zeit hinterher leben: Ein Monarch, der sich die Krone vom Gottesstaat aus der Hand nehmen lässt. Eine Königin, die unterdrückt am Hofe lebt und ihr eigenes Wohl zurückstellt. Ein Prinz, der lernen sollte zu regieren und stattdessen aus Liebeskummer die Rebellion probt.

Diese drei haben in dem Umfeld aus sich ständig verschiebenden Mauer- und Säulenelementen – Mathis Reinhardt ist auch für das praktisch-attraktive Bühnenbild zuständig – nicht viel zu sagen. Der König vertraut auf christliche Abendmahlsymbolik, speist mit ausgedienten Heerführern, die sich dann – anstatt einer Ketzerverbrennung – erschießen müssen. Überwacht wird das ganze Zeremoniell von den Schergen der Inquisition, unter deren schwarzer Gestapo-Kluft der weiße Priesterkragen durchblitzt. Ralph Jürgens versetzt für ihre Vorstellung die Bühne in ein grünes, die Atmosphäre vergiftendes Licht. Für die oberflächliche Palastunterhaltung ist Eboli mit ihren Damen im Jacky-Kennedy-Style zuständig, bei denen kein Mann was zu lachen hat. Kein Wunder, dass sie in Zorn ausbricht, als sie erfahren muss, dass man mit plumper Erotik nicht jeden Mann bekommen kann. Rodrigo gibt den edlen Reformer, der aber für seine Pläne schnell mal über die Freundschaft zum Prinzen und dessen ausgestreckte Hand hinwegsieht. Zu ihm sind Herzog die interessantesten Details eingefallen: Nicht wie sonst so oft muss Eboli, sondern Rodrigo, der neue Vertraute des Königs, dessen Monolog über Einsamkeit und Liebe mit anhören. Auch in der folgenden Szene muss er stumm miterleben, wie der blinde Großinquisitor seinen Kopf fordert, was Rodrigo wohl erst zu seinem Plan bringt, für den Freund Carlo zu sterben. Am Ende ist es seine als Ketzer ausgestellte Leiche, die die mahnenden Worte ausspricht, die sonst dem geheimnisvollen Mönch gehören. Er versetzt damit alle in Angst und Schrecken und rettet seinem Freund Carlo, der gerade ergriffen werden soll, somit noch einmal das Leben.

Herzog erzählt die Geschichte bis auf kleinere Ausnahmen sehr schlüssig, aber auch schon mal mit der Holzhammermethode. Da müssen Sänger beispielsweise auf Tische steigen, um Aufmerksamkeit zu erlangen. Auch die Szene im Garten, wo Eboli und die Hofdamen den Pagen Tebaldo am blauen Planschbecken demütigen, ist ganz nah dran an einer billigen Slapstick-Nummer. Größere Ensembles zu inszenieren, bereitet Herzog weniger Schwierigkeiten. Anders sieht es gerade bei den Arien aus, wo die Sänger zwar Bewegungen ausführen, die aber ständig nach den gleichem Schema ablaufen. Zur Rampe hin und wieder zurück, einmal nach rechts und einmal nach links. Da kann man den Sängern kaum vorwerfen, dass viele ihrer Solo-Momente nicht die gleiche Suggestivkraft haben wie der Rest der Vorstellung.

Vielleicht schlucken auch die historischen Kostüme viel an Darstellungskraft, denn vor allem Carlo und die Königin wirken oftmals auf der Bühne etwas behäbig und ausdrucksarm. Das steht aber in großem Gegensatz zu ihrem Gesang. Der Kanadier Luc Robert ist bei seinem Deutschlanddebüt ein ganz sicherer Vertreter der Titelrolle. Nie weinerlich chargierend, sondern immer mit schönem Strahl in der Stimme überzeugt er durchgehend, selbst wenn er im vierten Akt etwas zurückhaltender ist. Susanne Braunsteffer kann an ihre großartige Trovatore-Leonore nicht ganz anknüpfen, doch auch ihre Elisabeth hat Verdi-Format. Vor allem in der letzten Arie Tu che la vanità schlägt ihre große Stunde. Die ersten lauten Bravo-Rufe holt sich aber völlig zu Recht Wen Wei Zhang als Philipp II. ab, der mit einem gefühlvollen Ella giammai m’amò auf höchstem Niveau überzeugt. Eine überragende Gesamtleistung des chinesischen Basses! Gerardo Garciacano verleiht dem Rodrigo lyrische Überzeugungskraft, verlegt sich nie auf falsche Kraftmeierei, sondern singt immer auf der Linie seines geschmackvoll geführten Baritons. Enttäuschend ist nur Katharina Peetz als Eboli. Mit viel Verve wirft sie sich auch darstellerisch in die Rolle. Nach einer recht ordentlich bewältigten Schleierarie scheint sie ihre Stimme in ein dramatisches Korsett zu zwängen, was sich deutlich auch an problematischen Registerübergängen zeigt. In den kleineren Rollen zeigt sich der gute Ensemblegeist am Theater Dortmund: Christian Sist kann trotz ungewohnt heller Stimme dem Großinquisitor das dunkle, forsche Profil eines machthungrigen Fundamentaltheologen aufdrücken. Julia Amos überzeugt als Page Tebaldo, Anke Briegel als zynische Stimme vom Himmel und John Zuckermann als Graf von Lerma. Und sozusagen als Krönung gibt es ein Wiedersehen mit Karl-Heinz Lehner in der Rolle des Mönchs. Chordirektor Granville Walker kann seinen Opern- und Extrachor erleben, wie er sich in jeder Hinsicht von seiner besten Seite zeigt.

Und was wäre das alles ohne die musikalische Leitung von Gabriel Feltz. Der neue Generalmusikdirektor weckt mit diesem Don Carlo große Hoffnungen, was man unter seiner Leitung für ein musikalisches Niveau zukünftig in Dortmund erwarten darf. In diesem Abend schwingt vom ersten Ton an die italienische Leidenschaft Verdis mit, und nicht – wie sonst so häufig – die künstlich reingedichtete Dramatik von Richard Wagner. Keinesfalls bleiben die großen Fortissimo-Ausbrüche ohne Wirkung, doch sind es vor allem die Strukturen der Musik, die an diesem Abend so aufregend wie selten klingen. In der gewählten vieraktigen Mailänder Fassung hört man den genau den Zwischenstand von Verdis Schaffen auf dem Weg zum Otello und zum Falstaff. Die Dortmunder Philharmoniker meint man noch nie in solch geschlossener Pracht gehört zu haben wie bei dieser Aufführung.

Zu Recht wird der neue GMD schon nach der Pause recht begeistert begrüßt und am Ende mit den Solisten gefeiert. Das Team um Jens-Daniel Herzog bekommt eine deutlich geteilte Reaktion ab, wobei die erbosten Buh-Rufe sicher eine Spur zu übertrieben sind. Erfreulicherweise ist das Dortmunder Theater bei dieser Premiere richtig voll. Das hat man auch schon anders erlebt. Hoffentlich bleibt der Trend dieser Premiere in jeder Hinsicht für das Theater lange bestehen. Dann muss man kein Prophet sein, um goldene Zeiten für das Theater Dortmund vorauszusagen.

Christoph Broermann

Fotos: Thomas M. Jauk