Fundus   Kommentar    Backstage     Medien     Medientipps     Kontakt     Impressum    Wir über uns  
   Dossier    Kleinanzeigen     Links     Facebook     Partner von DuMont Reiseverlag  
     

Fakten zur Aufführung 

LA CENERENTOLA
(Gioacchino Rossini)
6. April 2014
(Premiere am 22. März 2014)

Theater Dortmund


Points of Honor                      

Musik

Gesang

Regie

Bühne

Publikum

Chat-Faktor


Rezensionen-Archiv

Aufführungen nach Name
Aufführungen nach Ort


Nach der Aufführung



Ileana Mateescu freut sich über ihren Erfolg als Cenerentola, ohne dabei die Bodenhaftung zu verlieren (3'44).


 

zurück       Leserbrief

Märchen mit Herz

Am Anfang zwitschern die Vögel und die Morgendämmerung bricht herein über das heruntergekommene Viertel Montefiascone. Noch unbemerkt von den Bewohnern zieht Prinz Ramiro im benachbarten Hotel ein, um auf Brautschau zu gehen. So inszeniert Regiedebütant Erik Petersen den Auftakt zu Rossinis Belcanto-Märchen La Cenerentola, die italienisch-quirlige Version von Aschenputtel, ohne Fee und böser Stiefmutter, dafür mit weisem Berater und trotteligem Vater. In dessen ruinöser Behausung und im Schloss des Prinzen spielt die eigentliche Handlung. Dementsprechend irritierend ist zunächst die offene Gasse, die fluchtpunktartig nach hinten zuläuft, als gewählte Spielfläche, doch entpuppt sich das Bühnenbild von Tatjana Ivschina als Clou der Aufführung. Die unscheinbaren, bühnenhohen Häuserkulissen enthalten die Gimmicks der Spielorte, die sich bei Bedarf in die Gasse schieben lassen. Während die Mauern im pauschalen Schwarz-Weiß gehalten sind, bekennen Ivschinas Kostüme Farbe: Giftiges Warnsignal-Rot für die zickigen Schwestern, tristes Grau für das Aschenputtel. Der Prinzenanzug im virilen Blau will dem völlig überforderten Kammerdiener Dandini, der den Prinzen spielen muss, nicht so recht passen und reist prompt an den Nähten auf.

Erik Petersen spielt mit vielen kleinen Details, um die schwungvolle Musik als zeitloses Märchen in Szene zu setzen, ohne sie gleichzeitig zu überfrachten. Das beginnt damit, dass er nicht nur die Töchter Don Magnificos zur Brautschau auftreten lässt, sondern auch noch weitere mehr oder weniger attraktive Damen der Umgebung. Da aber Alidoro, der Berater des Prinzen, seinen Schützling direkt auf die Töchter Magnificos hinweist, sind die Anderen schnell aus dem Rennen. Sie müssen nur noch zur Gegenüberstellung zitiert werden, wenn es darum geht, die unbekannte Schöne vom Ball zu identifizieren. Dort wird zu Rossinis Sechzehntel-Kaskaden natürlich schwungvoll das Tanzbein geschwungen. Adriana Naldoni hat an dieser Choreographie genauso mitgearbeitet wie am rhythmischen Weinstampfen des Chores. Alidoro inszeniert in weiser Voraussicht mit einer Windmaschine einen Sturm, der Ramiro an seiner Abreise hindert, so dass er doch seine Geliebte finden kann. Dandini enthüllt Magnifico seine wahre Identität beim Fitnesstraining. Diese Nachricht schlägt bei dem konsternierten Vater noch schmerzhafter ein als die Hantel auf seine Füße. Selbst die Beleuchtung von Florian Franzen darf als Bestandteil des Märchens nicht fehlen, und sei es nur für einen Sonnenaufgang.

Die beiden zickigen Schwestern Clorinda und Tisbe kämpfen nicht nur um die Aufmerksamkeit des Prinzen, sondern auch um jeden Lichtkegel. Da beschweren sich Julia Amos und Inga Schäfer schon mal beim Inspizienten, wenn sie nicht richtig in Szene gesetzt werden. Dass es für die beiden Sängerinnen in diesen kleinen, aber schweren Rollen am Ende Bravos hagelt, ist vollauf gerechtfertigt. Christian Sist ist nicht nur ein bühnenbeherrschender Berater Alidoro, hinter dem sich der kleine Prinz schnell verbergen kann, sondern auch erfüllt von musikalischer Weisheit, die sich in den Ensembles und auch seiner großen Arie bemerkbar macht. Geani Brad ist in einer Mischung aus Charlie Chaplin und Adam Sandler ein vor allem mimisch urkomischer Dandini, der ein paar holprige Koloraturen mit der Gesamtleistung kompensiert. Eugenio Leggiadri Gallani ist ein waschechter Bass-Buffo, dessen Stimmkünste dem Don Magnifico zugutekommen. Der sympathische John Zuckerman weist sich schon durch das edle Timbre als wahrer Prinz Ramiro aus, dem es lediglich ein bisschen an Durchsetzungskraft fehlt. Das gesangliche Herz der Aufführung ist Ileana Mateescu als Angelina, deren Stimme bei aller Virtuosität nie an Wärme und Güte verliert. Koloraturen und Verzierungen geraten nicht zu Showeffekten, sondern sind Ausdruck der Gefühle.

Mit leichtem Hang zur Gemütlichkeit tritt der kräftig aufsingende Männerchor von Granville Walker in Erscheinung. Wenn man sich die Ohren zuhielte, verspräche die Körpersprache der Dortmunder Philharmoniker einen drögen Opernabend. Doch sieht man von ein paar wenigen Unebenheiten ab, ist das Spiel in allen Abteilungen durchgehend voller Temperament und Glanz.

Dirigent Philipp Armbruster behält mit organischen Tempi Übersicht im Chaos. Je voranpreschender die Musik, desto ruhiger und deutlicher wird sein Schlag. Das Dortmunder Publikum verfolgt die Vorstellung zunächst noch an der Grenze zum Dornröschen-Schlaf, wird dann aber immer klatschfreudiger und spendet schließlich einen lauten Schlussapplaus, durchsetzt von kräftigen Bravo-Rufen. Dortmund, was willst du mehr? Mit gelungenem Regiedebüt und musikalisch dem Schwierigkeitsgrad gewachsen, ist diese Cenerentola der Prototyp eines Opern-Märchens. Ende gut, alles gut.

Christoph Broermann

 

Fotos: Björn Hickmann