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Fakten zur Aufführung 

WAR REQUIEM
(Benjamin Britten)
11. Mai 2011

Konzerthaus Dortmund


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Gegen das Vergessen

Es ist die Geste einer flehenden Bitte: der Rhythmus, mit dem das Orchester das „Requiem aeternam“ des Chores begleitet. Sprechende, sich zum gewaltigen Crescendo aufbäumende Trauermarsch-Musik – dass Ewige Ruhe sei! Denen, die gewaltsam ums Leben kamen, die den Bomben, dem Nazi-Terror zum Opfer fielen.
Benjamin Brittens War Requiem flößt schon gleich zu Anfang einen Schauer ein – erst recht, wenn der Introitus so unmittelbar packend Gestalt bekommt wie jetzt beim Konzert der Dortmunder Philharmoniker unter Jac van Steen. Der Abend im vollbesetzten Konzerthaus geriet zu einer unglaublich dicht transportierten Botschaft gegen den mörderischen Wahnsinn des Krieges bis hin zur vorsichtigen Vision eines „erlösten“ Zustands („In Paradisum“). Zwischen diesen Extremen liegen anderthalb Stunden Musik, die der überzeugte Pazifist Britten als Friedensappell verstanden wissen wollte – und als Symbol der Versöhnung der Völker. Diesem Anspruch folgt Jac van Steen und lädt den Chor des City of Birmingham Symphony Orchestra für die äußerst anspruchsvollen Chorpartien ein. Simon Halsey ist dessen prominenter Leiter. Auch die drei Gesangssolisten sind in diesem Sinne besetzt: Susanne Schubert (Sopran), Benjamin Hulett (Tenor) und Simon Neal (Bariton).
Brittens Totenmesse, 1962 anlässlich der Einweihung der neu errichteten Kathedrale von Coventry uraufgeführt, bietet ein außerordentlich vielschichtiges Tableau an Ausdrucksmitteln: flüsternd gehauchte Chorsequenzen, die fast in die Unhörbarkeit hinabsinken, die federnde „Quam olim Abrahae“-Chorfuge, das bedächtig schreitende „Benedictus“ mit den gezupften Bass-Tupfern, martialische Blechbläser im „Tuba mirum“, die imaginär eines dieser skurrilen Gemälde von Hieronymus Bosch auszumalen scheinen, das „Libera me“ mit seiner brutalen Entwicklung und Klanggewittern, in denen das Toben des Krieges grausam nachhallt...
Die Dortmunder Philharmoniker entwerfen ein berührendes, ergreifendes Szenario. Neben Jac van Steen am Pult des großen Orchesters leitet Motonori Kobayashi das auf dem Podium etwas erhöht und am rechten hinteren Bühnenrand positionierte Kammerorchester, der rund 80 Stimmen starke Chor aus Birmingham hat seinen Platz auf der Empore vor der Orgel. Von gegenüber, hoch oben im dritten Rang, fließen im schlichten Rezitationsstil die Stimmen des Knabenchores der Chorakademie am Konzerthaus Dortmund durch den Raum. Ein von Jost Salm einstudiertes Ensemble allererster Güte, von einer Kultiviertheit, die ihresgleichen sucht.
Susanne Schuberts etwas harter Sopran formuliert ausgewählte Abschnitte der lateinischen Totenmesse, der noble Simon Neal und Benjamin Hulett jene Gedichte, die Wilfried Owen im Angesicht der Schrecken des Ersten Weltkrieges aufgeschrieben und die Benjamin Britten als zusätzliche Ebene in sein Werk eingefügt hat. Hulett erweist sich unbedingt als Idealbesetzung, mit seinem leichten, beweglichen und ganz natürlich fließenden Tenor formt er seine Partie, dass sich augenblicklich das Gänsehaut-Gefühl einstellt.
Am Ende kehrt Britten klanglich an den Ausgangspunkt zurück: zum wie in der Unendlichkeit verströmenden F-Dur des Chores.
Lange Stille – dann anschließend überschwängliche Ovationen.

Christoph Schulte im Walde

Hinweis: Brittens War Requiem wird in einer szenischen Umsetzung der Regisseurin Elisabeth Stöppler am 28. Mai im Musiktheater im Revier in Gelsenkirchen aufgeführt. Informationen hier.