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Fakten zur Aufführung 

IL TRITTICO
(Giacomo Puccini)
10. November 2013
(Premiere am 18. Oktober 2013)

Landestheater Detmold


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Fließe, ewiger Strom

Puccinis drei Einakter Il tabarro, Suor Angelica und Gianni Schicchi sind selbstständige Bühnenstücke mit jeweils eigenen, nicht auf die anderen bezogenen Inhalten. Puccini suchte lange nach geeigneten Stoffen, die es ihm ermöglichten, drei verschiedene Operntypen für einen Abend zu komponieren: eine Tragödie, eine lyrische Oper, und endlich auch eine komische Oper. Konsequent tragen die ersten Entwürfe die Arbeitstitel Inferno – Purgatorio – Paradiso. Die Geschichten lassen sich schnell erzählen:

Michele, Käpitän eines Schleppkahns, hat den Liebhaber seiner Frau erwischt, erwürgt und mit seinem Mantel – Il tabarro – zugedeckt. Seine Frau entdeckt ihn und bricht mit einem Schrei zusammen. Schwester Angelica muss für eine Jugendsünde im Kloster eines strengen Ordens beten und büssen. Sie erfährt vom Tode ihres Sohnes, nimmt Gift und erblickt sterbend eine Vision von ihm. Mit Hilfe des Gauners Gianni Schicchi versucht eine Trauer- und Erbengemeinde, das Testament des verstorbenen reichen Onkels zu fälschen und bemerkt zu spät, dass sie selbst geprellt wurde.

Ernöl Weil inszeniert diese Stoffe nahe der Wirklichkeit und in ihrer Zeit. Petra Mollérus stattet Bühne und Figuren zeitgemäß aus. Das Hafenambiente mit Kahn, Pier und Kajüte ist meist im Dunkel gehalten, graubraune Töne und gedecktes Licht beherrschen die Szene, die Figuren treten in Arbeitskleidung auf. Ähnlich zeitgemäß zeigen Bühne und Figuren in Gianni Schicchi die florentinische Gesellschaft, wenn sich Verwandte um das groß im Zentrum stehende Sterbebett des reichen Onkels scharen, meist in schwarzer Festtagskleidung. Für die Klosterszenen in Suor Angelica hat sich Mollérus ein weites, offenes Säulenrund ausgedacht, das lediglich durch eine einzige entlarvende Blumenschale „geschmückt“ ist. Das schmutzige Weiß des Säulenrundes und die schlohweißen Gewänder der Klosterschwestern bringen eine Kälte auf die Bühne, die durch ein blau-weißes Licht noch verstärkt wird: An diesem Ort gibt es keine menschliche Wärme.

Unter den zahlreichen Rollen der drei Opern ragen stimmlich Tenor Daniel Magdal als Luigi, einer der Löscher, und Susanne Schubert als Giorgetta hervor. Bei Suor Angelica überzeugen die eingesprungene Izabella Matula als Angelica sowie die hervorgehobenen Rollen der strengen Äbtissin mit Brigitte Baume, Sopran, und Schwester Zelatrice mit Anna Werle, Mezzosopran." Bei Gianni Schicchi geht es ziemlich drunter und drüber. Auch wenn Andreas Jören einen Schicchi von der Schlitzohrigkeit eines AOK-Vertreters liefert, dem jeglicher Witz fehlt, trägt sein ausgereifter Bariton vielfach die Szene. Mit dem Puccini-Ohrwurm Oh! mio babbino caro! erobert Vera-Lotte Böcker mit weichem, gefühlvollen Sopran die Zuhörer. Überzeugend auch Beoung Kyu Jeon in der Rolle des Notars Nicola, der sich mit wuchtigem Bass-Bariton Respekt verschafft. Mezzosopran Gritt Gauck tritt in allen drei Opern mit reifer, ausdrucksstarker Stimme auf.

Lutz Rademacher und das Symphonische Orchester bringen einen musikalischen Abend mit bestem Puccini. Über alle drei Opern hinweg bleibt das Orchester im Hintergrund und lässt den Solisten die Rampe. So klingen vor allem die Arien, Duette und Chöre. Mancher Zuhörer mag sich etwas mehr Forte gewünscht haben.

Am Ende dieses langen Abends macht der Zuschauer eine überraschende Feststellung: Ausgerechnet das Stück Suor Angelica, das aufgrund seiner religiös-metaphysischen Themen viele Fragen aufwirft und eher jenseitig wirkt, im Inhalt heute noch kaum vermittelbar, wirkt mit Bühnenbild, der Darstellung und seiner oft inbrünstigen Musik authentisch und hinterlässt den stärksten Eindruck. Il tabarro kommt recht konventionell daher, zeigt aber verschiedene Charaktere und nachvollziehbare dramatische Höhepunkte. Dagegen bedient Gianni Schicchi zahlreiche flache Stereotype und rutscht mehrfach keineswegs originell in die Nähe des Klamauks. Die in den beiden anderen Stücken zu beobachtende gespannte Aufmerksamkeit der Zuschauer weicht mehr und mehr einer gewissen Langeweile und zunehmendem Desinteresse. Der von Puccini angestrebte „künstlerische Kulminationspunkt“ geht in diesem Teil der Inszenierung verloren.

Auch wenn die drei Opern kein einheitliches Bild geben können, klingen an vielen Stellen doch vertraut-verträumte oder romantische Puccini-Passagen durch, denen sich das Publikum gern hingibt. Die Besucher sind von diesem Opernabend sehr angetan, von der Arie der Lauretta gar begeistert und spenden lang anhaltenden Beifall.

Horst Dichanz







Fotos: Klaus Lefebvre