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Fakten zur Aufführung 

MADAMA BUTTERFLY
(Giacomo Puccini)
23. September 2011
(Premiere)

Landestheater Detmold


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Notwehr

Eine gealterte Suzuki betritt gebeugt die Bühne mit der aktuellen Nagasaki-Skyline; Schnitt: Flexibel verschiebbare alt-japanische Papierwände konstruieren einen fragilen wehrlosen Handlungsraum. Abläuft die skrupellose Inbesitznahme der zarten Butterfly, die brutale Verachtung gefühlter Traditionen und kultureller Konventionen durch den hemmungslosen „Yankee“ – endend mit Butterflys Demütigung und ihrem wild entschlossenen Selbstmord. Suzuki erschießt den Frevler.

Ute M. Engelhardt gelingt als Regisseurin die Gratwanderung zwischen menschlicher Tragödie und kulturellen Differenzen mit der konsequenten Logik finaler Gewalt. Deutlich wird: Die Einzelnen sind Objekte nicht beeinflussbarer Mächte!

Konfrontationen besitzergreifender Rituale und hilfloser Versuche der Abwehr werden zu  emotionsreichem Bühnenhandeln!

Hinrich Horstkotte baut konkret-imaginäre transparent-begrenzende Wände à la japonaise, erzeugt mit überdeckenden Tüchern Impressionen eins Leichenfelds, lässt den Priester Bonzo in wallend-aggressiven, blutroten Tüchern als Rache-Engel erscheinen, verengt den Horizont zur ausweglosen Kammer – lässt dramatisierend in erregenden Augenblicken die monumentale Skyline-Projektion sichtbar werden.

Erich Wächter leitet das Detmolder Symphonische Orchester zu einem differenzierenden Gesamtklang – ohne sentimentalen Grundton, dafür mit verstörenden Dissonanzen: Eine musikalische Interpretation der Puccini-Intentionen, in absoluter Übereinstimmung mit dem so ambivalent-dramatischen Bühnengeschehen – und mit Betonung der hörbaren virtuosen Kompetenzen der Instrumentengruppen des bravourös aufspielenden Orchesters!

Ein hinreißend agierendes und singendes Solisten-Ensemble lässt den Abend zur Demonstration „großen Musiktheaters“ werden:

Arturo Martin ist der kaltschnäuzig-geile Pinkerton, verfügt über einen kraftvollen Tenor, der mit eher metallischem Klang niemals in verquaste Lyrismen verfällt, dabei aber in der Lage ist, stimmliche Herausforderungen brillant-perfekt zu meistern. Marianne Kienbaum-Nasrawi ist eine unbegriffen hingegebene Butterfly – mit emotionalisierendem Sopran, ohne Probleme in den geforderten Schwierigkeiten, agil in den Höhen, ausdrucksstark in der Mittellage. Andreas Jören beeindruckt als Pseudo-Gentleman Sharpless mit zuverlässigem Bariton – souverän im Parlando, sicher in den typischen Arien. Die junge Evelyn Krahe gibt der ältlichen Suzuki devote Struktur, fasziniert mit einem ungemein wandlungsfähigen Mezzo, der sich durch klangschöne Intonation in allen Lagen auszeichnet! Markus Gruber überzeugt mit variabler Stimmgebung als kriecherischer Agent Goro. Dirk Aleschus ist die elementare Stimme des „Onkel Bonzo“.

Beeindruckend die sängerische Kompetenz der Detmolder Solisten – und die Präsenz des Opernchors in der Einstudierung von Marbod Kaiser.

Das so sympathisch-kenntnisreiche Detmolder Publikum reagiert emphatisch: folgt sehr konzentriert und steigert den begeisterten Schlussapplaus bis zu standing ovations!

Allerdings gibt es drei Anmerkungen zu diesem großen Opernabend: 

-          Der dramaturgische Wendepunkt der Oper – der colpo di canone – ist ein laues Platzen.

-          Der Intendant weilt bei seiner Tosca-Inszenierung in Hof.

-          Und der im Programmheft hervorgehobene Sponsor ist eine „Ecclesia Gruppe“, die ihre Profite im Bereich kirchlicher Altersheime, Krankenhäuser und Dienstleistungen erwirtschaftet .

„Negative Dialektik“ wird zu mehrfach gebrochenen Erfahrungen in Sachen Opern-Illusion!

Franz R. Stuke


 
Fotos: Landestheater Detmold