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Fakten zur Aufführung 

EUGEN ONEGIN
(Peter I. Tschaikowski)
29. Juni 2013
(Premiere am 27. Juni 2013)

Musikhochschule Detmold im Landestheater Detmold


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Attraktive Stimmen im leichten Sturm der Gefühle

Wie üblich am Ende eines Sommersemesters zieht die Musikhochschule Detmold auch dieses Jahr für eine Opernproduktion in das Landestheater vor Ort, damit die Studierenden ihre Fähigkeiten live vor Publikum erproben und Bühnenluft schnuppern können. Eine wichtige Erfahrung, da einige Sänger zum ersten Mal überhaupt ihre Stimme über ein Orchester erheben müssen. Für die diesjährige Produktion hat sich die Leitung mit Eugen Onegin eine harte Nuss ausgesucht, die es zu knacken gilt.

Thomas Mittmann, Leiter der Opernschule, setzt die Geschichte um enttäuschte Hoffnungen und Liebe sehr konzentriert um und befreit sie szenisch von allem überflüssigen Schnickschnack. Das Bühnenbild von Michael Engel besteht daher auch nur aus wenigen signifikanten Requisiten, die ausreichen, um den Ort zu kennzeichnen. Als Bühnen-Abgrenzung dient eine blaue Wand, ein leider viel zu wenig genutzter Horizont. Nur die Beleuchtung von Klaus Lenger profitiert von ihm. Passend zu den konventionell angelegten Figuren hat Torsten Rauer teilweise sehr schöne Kostüme entworfen. Umso ärgerlicher ist, dass es ihm offensichtlich nicht gelingt, die etwas umfangreiche Figur des Lenski passend einzukleiden. Das spontan aufflackernde Lachen im Publikum, als dieser zum ersten Mal die Bühne betritt, beweist, dass er diesen unfreiwillig in eine Buffo-Figur verwandelt hat, die mit dem tragischen Dichter nichts gemeinsam hat. Es sei vorweggenommen, dass Volker Hanisch über die vokalen Mittel verfügt, dieses nicht selbst verschuldete Manko stimmlich wieder auszugleichen.

Mittmann erarbeitet mit den Studenten die Rollen sehr sauber und bringt ihnen anhand des Stoffes das emotionale Basiswissen der Bühne bei. Charakterzüge sind deutlich bei der schüchternen, träumerischen Tatjana zu erkennen. Die unbekümmerte Olga scheint sich mehr für einen gefangenen Schmetterling zu interessieren, als für die Liebeserklärung ihres Lenski, der in seiner Leidenschaft das Tier versehentlich befreit. Den Chor setzt er als gesellschaftlichen Spiegel sehr subtil ein. Man erkennt hinter der Maske des Adels die Fratze des Lästerns. Schöne Choreographien begleiten die zahlreichen Tänze.

Dennoch braucht man als Zuschauer die ersten Szenen, um mit der leicht kargen Szene warm zu werden, und auch den Sängern scheint es so zu gehen. Dass sich szenisch ein richtiger Gefühlssturm nicht endgültig entfalten will, liegt zum einen an der Regie, die die Darsteller nicht richtig anspornt. Zum anderen aber daran, dass Axel Wolloschek in der Titelrolle noch nicht richtig brennt. Sein Onegin braucht noch etwas mehr Anleitung, damit er die steife Körperhaltung ablegt. Vokal schlägt er sich dagegen sehr achtbar und singt stets kultiviert auf der Linie. Großartig ist seine Bühnenpartnerin Constanze Meijer. Ihre Tatjana taut ab ihrer Briefszene richtig auf, riskiert mutig feine Piani und wird dafür belohnt: Da gibt es einige Gänsehautmomente im positiven Sinne. Janina Hollich überzeugt als Olga mit schön gestützter Stimme und viel Ausstrahlung. Der schon angesprochene Volker Hanisch klingt in der Tiefe noch etwas bemüht. Doch in der Höhe zeigt er einen herrlich strahlenden Glanz sowie das Gefühl des Dichters Lenski und bekommt zu Recht für seine Arie großen Zwischenapplaus. Bartolomeo Stasch nutzt als Gremin seine einzige Arie als Chance, auf seine in der Tiefe schön abgerundete Stimme aufmerksam zu machen. Aufhorchen lassen noch zwei weitere Studenten: Zum einen Maximilian Vogler, der mit Bravour das Lied des Triquet vorträgt. Zum anderen Mezzo-Sopranistin Annika Brönstrup, die mit guter Technik und attraktiver Stimme die kleine Rolle der Amme Filipjewna aufwertet. Auch Jenni Reineke als Mutter Larina bietet schönen Gesang.

Stellvertretend für die hohe Textverständlichkeit der Aufführung – gesungen wird in deutscher Sprache – sei der vorzügliche Chor der Opernschule erwähnt. Hagen Enke hat ihn zu einem homogenen Klangkörper geformt. Besonders den Frauenchor im ersten Akt hat man in dieser Klarheit selten gehört. Mit diesem Schönklang kann das Orchester der Hochschule nicht immer aufwarten. Besonders bei den Streichern hört man im Piano deutliche Unsicherheiten. Dirigent Fabio Vettraino achtet sehr genau auf den Schutz der Sänger und durchleuchtet die Partitur mit sehr filigranen Forderungen. Das insgesamt sehr ruhige und nie klatschfaule Publikum bringt es am Ende mit langem, lautem und trotzdem noch differenziertem Applaus auf den Punkt: Vergessen seien kleine Unsicherheiten, jetzt dürfen sich die Musiker erst mal für eine gelungene Opernproduktion feiern lassen. Die Frage, was man noch besser machen kann, muss bis zum nächsten Tag warten.

Christoph Broermann

Fotos: Myriam Dewald