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Fakten zur Aufführung 

DIE ZIRKUSPRINZESSIN
(Emmerich Kálmán)
18. Januar 2014
(Premiere)

Anhaltisches Theater Dessau


Points of Honor                      

Musik

Gesang

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Bunt ist das Zirkusleben

Wenn von Emmerich Kálmán die Rede ist, denkt man an seine beiden großen Erfolge Die Czardasfürstin und Gräfin Mariza, die zum Operettenkernrepertoire gehören. Ihr musikalisches Markenzeichen ist die wirkungsvolle Verbindung von satten Melodien mit Ohrwurmqualität und ungarischer Folklore. Mittlerweile erscheinen auch weniger bekannte Werke des ungarischen Komponisten häufiger auf den Spielplänen. Gerade hat die komische Oper Berlin konzertant eine umjubelte Herzogin von Chicago gegeben, nun zieht das Anhaltische Theater Dessau nach und bringt szenisch Die Zirkusprinzessin. Die Handlungsmuster der Stücke sind ähnlich: im Zentrum steht ein/e Adlige/r, der/die sich in einen nicht standesgemäßen Partner verliebt, das Ganze ist kräftig mit exotischem Flair gewürzt. Das ist vielfach eben ungarisch, aber auch indisch, wie in Die Bajadere, holländisch, wie im Hollandweibchen oder, wie bei der Zirkusprinzessin, russisch. Diese Operette spielt in St. Petersburg im Zirkusmilieu. Die Fürstin Fedora verliebt sich in einen Dressurreiter, den mysteriösen Mr. X, der in Wahrheit der Neffe ihres verstorbenen Gatten ist. Die beiden werden ein Paar, durch Intrigen kurz nach der Hochzeit aber entzweit. In Wien finden die beiden wieder zusammen. Nicht so in der Dessauer Fassung, die durchgehend in St. Petersburg spielt. Die österreichische Hauptstadt ist trotzdem präsent. Aus ihr nämlich stammen der Hotelbesitzersohn Toni und die Artistin Mabel, die vorwiegend für die komischen Momente zuständig sind, und auch Mutter und Oberkellner reisen von dort an, was dem Quartett die schöne Gelegenheit gibt, von ihrer Heimat zu singen: Wo ist der Himmel so blau wie in Wien?

Bei der Uraufführung 1926 im Theater an der Wien überwältigte Regisseur Hubert Marischka mit spektakulären Bühneneffekten und ließ sogar dressierte Tiere auftreten. So weit geht Wolfgang Dosch in Dessau nicht. Aber auch hier ist der szenische Aufwand beträchtlich und der Fantasie keine Grenzen gesetzt. Stefan Weils Ausstattung und Kostüme, die in den russischen Farben rot, blau und weiß schwelgen, kombiniert Versatzstücke aus der Zirkuswelt mit solchen aus der russischen Kultur, wie eine große Matrjoschka- Puppe oder die typischen Zwiebeltürme. Es beginnt sehr poetisch: Ein weiß gekleideter Pierrot betritt ganz alleine die Bühne und zaubert eine magische Stimmung. Dann aber wird es laut und bunt, und das Auge hat viel zu tun: Fedora erscheint auf einem weißen Schlitten, Artisten und Akrobaten turnen über die Bühne, Zirkusgirls und Husaren formieren sich in der Choreografie von Tomasz Kajdanski zu varietéreifen Balletten, eine russische Hochzeit wird mit Popen und Kosaken gefeiert. Dorsch inszeniert eine Ausstattungsrevue, die auch vor Kitsch und drastischem Humor nicht zurückschreckt. Was nicht ganz funktioniert, ist das Timing. Gerade im ersten Akt fehlt es den Dialogen an Tempo. Sie ziehen sich schwerfällig und viel zu lang dahin, und der Witz, den Prinzen Sergius seinen Text ständig falsch aussprechen zu lassen, nutzt sich bald ab.

Rita Kapfhammer, vom Fach her Mezzosopranistin, schlägt sich stimmlich erstaunlich überlegen in der Sopranpartie der Fedora. Dazu zeigt sie ein Gespür für Zwischentöne und macht darstellerisch eine blendende Figur. Auch die Tenorrolle des Mister X ist in Dessau anders als im Original besetzt. Nachvollziehbar ist das nicht, weil der Bariton Wiard Witholt nicht über den vokalen Schmelz eines veritablen Operettenhelden verfügt und schauspielerisch trotz attraktiver Bühnenerscheinung zu steif und uncharmant bleibt. Wie leichte Muse stilsicher serviert wird, führt das Buffopaar David Ameln und Cornelia Marschall überzeugend vor. Beide finden genau den richtigen lockeren Ton für ihre Nummern, so dass das freche Duett Wenn du mich sitzen lässt, geh ich nach Budapest zu einem Höhepunkt des Abends gerät. Die vielen übrigen Solisten und der spielfreudige Chor tragen mit sicht- und hörbarem Vergnügen zum positiven Gesamteindruck mit bei.

Wolfgang Kluge dirigiert mit großer, etwas pauschaler Geste. Ganz hat er allerdings Orchester und Ensemble nicht in Griff, denn manches Mal klappt es mit der Koordination zwischen Graben und Bühne nicht. Und ein bisschen mehr an rhythmischem Pfeffer und klanglicher Transparenz hätte der Sache auch nicht geschadet.

Das Dessauer Publikum fühlt sich bestens unterhalten und jubelt dem gesamten Team im nicht ganz ausverkauften Theater am Ende lange zu.

Karin Coper

Fotos: Claudia Heysel