Fundus   Kommentar    Backstage     Medien     Medientipps     Kontakt     Impressum    Wir über uns  
   Dossier    Kleinanzeigen     Links     Facebook     Partner von DuMont Reiseverlag  
     

Fakten zur Aufführung 

DIE PERLENFISCHER
(George Bizet)
28. Dezember 2013
(Premiere am 7. Dezember 2013)

Anhaltisches Theater Dessau


Points of Honor                      

Musik

Gesang

Regie

Bühne

Publikum

Chat-Faktor


Rezensionen-Archiv

Aufführungen nach Name
Aufführungen nach Ort


 
 

zurück       Leserbrief

Macht der Stimme

Wie viel Regie und wie viel Bühnenbild braucht es, um eine exotische Bizet-Oper mit Leidenschaft, Ausdruck und tiefer Nachhaltigkeit aufzuführen? Insbesondere, wenn die Geschichte banal erscheint und der finanzielle Aufwand einer Großproduktion heutzutage kaum realisierbar erscheint. Wenn allerdings großartige Sänger den musikalischen Ausdruck mittels der Macht ihrer Stimme voller Intensität gestalten, dazu ein gut disponierter Chor und ein bestens aufgelegtes Orchester begleiten, wenn ausschließlich die Musik und der Gesang im Vordergrund stehen, genau dann bedarf es keiner ablenkenden Regie und keines Bühnenbildes. Das erlebt man zurzeit in Dessau, wo Bizets Frühwerk Die Perlenfischer als konzertante Aufführung auf dem Spielplan steht.

Diese Oper, 1863 in Paris uraufgeführt, wurde erst nach seinem Tode und dem großen Erfolg seiner Carmen berühmt, doch steht es heutzutage vergleichsweise selten auf dem Spielplan. Dabei berührt das Stück vor allem durch seine grandiose Musik, während die Handlung eher banal erscheint. Es geht um Liebe und Freundschaft in einem exotischen Ambiente. Zurga, der Anführer der Perlenfischer auf Ceylon, begrüßt den Jäger Nadir, seinen lang vermissten Jugendfreund. Einst schworen sie einander, mit Rücksicht auf ihre Freundschaft nicht um die Frau zu werben, in die sich beide verliebt hatten. Nun erneuern sie diesen Eid. Während die Fischer auf dem Meer sind, soll im Tempel eine verschleierte Jungfrau für eine ruhige See beten. Nadir erkennt in ihr Leïla, seine und Zurgas Jugendliebe. Jegliche Gefahr missachtend, will er sie zur Flucht überreden. Doch das Paar wird entdeckt. Zornig verlangen die Perlenfischer den Tod der beiden Liebenden. Zurga willigt voller Eifersucht ein. Am Schluss erkennt er jedoch, dass Leïla ihm einst das Leben rettete, und lässt die beiden entkommen.

Es sind an diesem Abend insbesondere die Stimmen der beiden Freunde Nadir und Zurga, die diese konzertante Aufführung zu einem ergreifenden musikalischem Erlebnis werden lassen. Eric Laporte als Nadir begeistert mit seinem kraftvollen und sinnlichen Tenor und einer kultivierten Stimmführung, die frei ist von jeglichen Brüchen oder Wacklern. In seiner großen und bekannten Soloarie  Je crois entendre encore im ersten Aufzug gelingt ihm der Registerwechsel zwischen Brust- und Kopfstimme in atemberaubender Klarheit, und seine Piano-Töne sind makellos. Ein Belcanto-Tenor im ursprünglichsten Sinne und für diese Rolle eine Idealbesetzung, zumal er auch der Zerrissenheit zwischen seiner Liebe zu Leïla und seiner Freundschaft zu Zurga Ausdruck verleiht. Ihm ebenbürtig in kultivierter Stimmführung und emotionaler Darstellung ist Wiard Witholt als Zurga. Mit markantem Bariton und intensivem Spiel gibt er den eifersüchtigen Anführer der Perlenfischer. Das große Freundschaftsduett Au fond du temple saint im ersten Aufzug mit Eric Laporte gelingt zu einem berührenden Moment, in dem Tenor und Bariton stimmlich verschmelzen und für einen kurzen Augenblick harmonische Stimmführung in Perfektion erklingt, wie man es nur noch ganz selten hört. Minutenlanger Applaus nach diesem Duett ist der verdiente Lohn.

Angelina Ruzzafante gibt die Priesterin Leïla mit klarem Koloratursopran und sicheren Höhen. Doch ihr Manko ist ihre scheinbare Unbeteiligtheit am Geschehen. Sie klebt förmlich am Notenpult und lässt dadurch so gut wie keine Emotionen zu, kaum ein Blick geht zu ihren Mitstreitern. Obwohl sie die Rolle musikalisch schön gestaltet, ist der Gesamteindruck durch ihre emotionale Distanz deutlich getrübt, es fehlt die Seele im Gesang, die letztendlich auch das Publikum erreichen soll. Der junge Bariton Thomas Skambraks als Oberpriester Nourabad lässt mit kraftvoller und markanter Stimmführung aufhorchen.

Der Opernchor des Anhaltischen Theaters ist von Helmut Sonne sehr gut vorbereitet und bewältigt die vielen Chorszenen in beeindruckender Manier.

Die Anhaltische Philharmonie Dessau unter der Leitung ihres GMD Antony Hermus spielt einen intensiven und zugkräftigen Bizet. Die Einsätze sind präzise, und das Zusammenspiel zwischen Orchester, Chor und Solisten ist nahezu perfekt. Seine Begleitung der Solisten zeugt von einem besonderen Gespür für die Situation, er wechselt klug die Tempi und begleitet die Sänger, besonders im Freundschaftsduett, mit großem Fingerspitzengefühl.

Das Publikum dankt am Schluss mit großem und langanhaltendem Beifall. Als kurze Zugabe ertönt die Reprise des Schlussgesanges. Dieser Abend hat wieder einmal gezeigt, dass eine konzertante Opernaufführung intensiv im Erleben und diese Form der Darbietung durchaus eine Alternative sein kann, um selten gespielte Werke einem breiteren Publikum zugänglich zu machen. Manchmal reicht die Macht der Stimme.

Andreas H. Hölscher

Fotos: Claudia Heysel