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Fakten zur Aufführung 

SIEGFRIED
(Richard Wagner)
2. Oktober 2011
(Premiere)

Staatstheater Darmstadt


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Den Dolch im Gewande

Ein netter Naturbursche wächst da in Waldeinsamkeit auf. Immerhin besitzt er eine Klampfe und kennt keine Angst, wenn er einen ausgewachsenen Bären am Bändel hinter sich herzieht.  Ein Naivling, der ohne viel nachzudenken seinen Weg geht. Er tötet Fafner und erschlägt Mime, aber die Einsamkeit bleibt. Erst Brünnhilde wird ihn aus der Isolation befreien können, wenn er deren Schicksal wendet.

Im Darmstädter Wagner-Ring zeigt Hausherr John Dew einen Siegfried-Abend ohne mythologische Befrachtung, sondern in einprägsamer Erzählweise. Ein bisschen Humor und Ironie dürfen sein, wenn Mime für den Zaubertrank ein paar Karotten aus dem Gemüsebeet zieht, das Waldvöglein an einem Angel-Stecken hängt und flattert, Mime die überschüssige Kraft des jungen Burschen am Ende des ersten Aufzugs wie ein Torero ins Leere lenkt, oder wenn Siegfried aus den Eisenfeilspänen kein blitzendes Schwert, sondern einen handlichen Dolch schmiedet.

Also: Ein bisschen weniger martialisch geht auch, und in der Darmstädter Inszenierung steht mit Christian Voigt, der sein Partie-Debüt in der vorigen Saison am Freiburger Theater absolvierte, ein idealer Interpret dieser Sichtweise zur Verfügung. Denn Voigt legt diese Partie eines jungendlichen Heldentenors mit durchgängig lyrischer Grundierung an und meidet metallische Härten. Das mag auch einer notwendigen Ökonomie geschuldet sein, um diese mörderische Partie durchzustehen, scheint aber doch ein Grundzug seiner auf Geschmeidigkeit und schön durchgezeichnete Gesangsphrasen angelegten Stimmführung zu sein. In der Schlussszene allerdings hätten ein paar Kraftakte gut getan, wenn Brünnhilde erwacht und ihr dramatisch beflügelter Sopran den bewunderten Liebling und Retter Siegfried ein wenig in den Hintergrund rückt: Katrin Gerstenberger trumpft auf.

Als Wanderer ist Ralf Lukas mit rund argumentierendem Bariton zu bewundern, und Norbert Schmittberg ist als Mime alles andere als ein Zwerg, dafür aber mit einer Stimme gesegnet, die weit über den „Spieltenor“ hinausgeht. Als Alberich führt Olafur Sigurdarson Spiel und Charakterbariton bestens zusammen, als Fafner ist Thomas Mehnert wie immer am Haus eine  Bank, die Erda der Elisabeth Hornung lebt aus dunkler Kraft, und Aki Hashimoto leiht dem Waldvögelchen kolorierte Koloratur. Am Staatsorchester Darmstadt unter Leitung von Constantin Trinks, der in großen Bögen denkt, gibt es nichts auszusetzen, außer dass die Raumakustik den Klangglanz gelegentlich etwas patiniert.

Die Bühne von Heinz Balthes mit überdimensionaler Borkenrinde und rotem Stoff-Halbrund als Feuerring atmet im zweiten und dritten Aufzug stilisierte Ästhetik, die Kostüme von José-Manuel Vázquez illustrieren den Erzählcharakter, und die Videoprojektion des schrecklichen Drachens von Karl-Heinz Christmann wirkt wie im Märchen. Das Premierenpublikum goutiert den Abend, der angesichts der „Ring“-Dichte im Rhein-Neckar-Raum (Frankfurt, Mannheim, Ludwigshafen) auf besonderes Interesse stößt, mit freundlichem Beifall für die Inszenierung und Herzlichkeit für Sänger und Orchester. „Begeistert“ allerdings würde sich anders anhören.

Eckhard Britsch






 
Fotos: Barbara Aumüller