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Fakten zur Aufführung 

IL MATRIMONIO SEGRETO
(Domenico Cimarosa)
25. Juni 2011 (Premiere)

Deutsche Oper am Rhein
Düsseldorf/Duisburg (Opernstudio)

Points of Honor                      

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Audiobeitrag

Wenn Sie auf die erste Taste von links klicken, hören Sie den Audiobeitrag unseres Korrespondenten Michael S. Zerban mit Regisseurin Mechthild Hoersch (3’26).

 
 

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Tanz der Schränke

Es gibt Aufführungen, die muss man mit anderen Maßstäben messen. Da kann man nicht einfach sagen: So und so war die Aufführung und fertig. Eine dieser Aufführungen ist die Abschlussvorstellung des ersten Opernstudios der Deutschen Oper am Rhein Düsseldorf/Duisburg. Zwei Jahre lang haben sieben internationale Nachwuchstalente unter der künstlerischen Leitung von Mechthild Hoersch und der musikalischen Leitung von Christoph Stöcker die Gelegenheit bekommen, sich in Meisterkursen, bei der Teilnahme an großen Produktionen und in der Gruppe weiterzubilden. Da ist ein Zusammenhalt erwachsen, der viele der Teilnehmer vielleicht ein Leben lang begleiten wird. Da soll die Abschlussvorstellung natürlich etwas Besonderes werden, etwas, das noch einmal zusammenschweißt, das noch einmal zeigt, was da in den vergangenen zwei Jahren entstanden ist.

Die Ambitionen sind da, allein, an der Umsetzung hapert es. Ausgewählt haben die Teilnehmer mit ihren Betreuern so ziemlich das Schwierigste, was es zu bewältigen gibt: Ein dramma giocoso von Domenico Cimarosa aus dem 18. Jahrhundert. Leichte Kost, und für die gilt ja immer, dass sie am schwierigsten umzusetzen ist. Die Familie, bestehend aus Vater Geronimo, seinen zwei Töchtern Carolina und Elisetta und Fidalma, der Schwester Geronimos, müssen sich mit dem Wunsch des Vaters auseinandersetzen, eine seiner Töchter mit einem Adeligen zu verheiraten. Pikanterie dabei: Carolina ist bereits heimlich mit dem Buchhalter der Familie, Paolino, verheiratet, die Tante heimlich in den Buchhalter verliebt. Der Graf soll also mit Elisetta verkuppelt werden, die er so gar nicht leiden mag: „Ich fühle in meiner Brust eine bittere Kälte“. Er will lieber mit Carolina.

Aus dieser Grundidee versuchen Mechthild Hoersch und ihr Team nun, eine überdrehte Komödie zu entwickeln. Da gerät unglaublich viel in Bewegung; aus der Tante wird eine Alkoholikerin, aus Carolina eine Schlagzeugerin, aus dem Buchhalter ein Möchtegern-Maler und aus Elisetta ein Modepüppchen. Jeder hat seinen eigenen Schrank, in dem er lebt – Vater Geronimo gar einen mit Dachgarten. Bühnenbildnerin Sarah Büchel sorgt dafür, dass die Darstellerinnen und Darsteller alles geben müssen. Fortwährend werden die Schränke auf Rollen über die Probenbühne „Central“ des Schauspielhauses Düsseldorf geschoben, Türen auf- und zugeschlagen, das Licht von Ansgar Elvers setzt den jeweiligen Schrank in Szene. Inga Gürle steckt die Protagonisten in zeitgeistige, typisierende Kostüme.

Melanie Lang überdreht die Rolle der Tante Fidalma in eine permanent Alkohol konsumierende, herrliche Grimassen schneidende, sexhungrige Matrone, zeigt noch halbwegs erträglich die Bandbreite ihres Mezzosopran, huscht immer wieder wie von der Tarantel gestochen über die Bühne und endet schließlich in Schlafrock und Lockenwickler. Lukasz Konieczny überrascht an diesem Abend völlig. Hat man ihn während der letzten beiden Jahre als hoffnungsvollen Bass-Bariton erlebt, knödelt er sich durch die Rolle, verschluckt gern mal das Ende im Bassgemurmel und wirkt ein wenig unbeholfen. Unterboten wird er da nur noch von Bariton Dmitry Lavrov in der Rolle des Grafen, der fortwährend zum Dirigenten schielt, dessen Vorgaben aber nicht befolgt. Beide wirken an diesem Abend behäbig in der Stimme, kommen im Text nicht mit der Musik mit. Lavrov stakst über die Bühne, und seine schauspielerischen Einlagen entsprechen der Leistung eines Dorfrichters im Bauerntheater, ohne dem Bauerntheater irgendetwas absprechen zu wollen. Jaclyn Bermudez immerhin überzeugt halbwegs als Elisetta mit häufigen Kostümwechseln und vollem Körpereinsatz. Alma Sadé gibt die Carolina mit gewollter Leichtigkeit im Zusammenspiel mit Tenor Ovidiu Purcel, der erst im späteren Verlauf eine gelungene Kostprobe seiner Sangeskunst abliefert. Er gehört schon zum neuen Opernstudio und stellt damit die Brücke in die Zukunft dar. Noch ein wenig jugendlich-blass, aber fröhlich, darf man sich schon jetzt darauf freuen, was man von ihm in zwei Jahren erwarten kann.

Christoph Stöcker leitet die neunköpfige Delegation der Düsseldorfer Symphoniker unaufgeregt, ohne mehr als das Pflichtprogramm zu verlangen. Im Vordergrund sollen die Sängerinnen und Sänger stehen, nicht die Musik. Leider verpassen auch die oft sein Dirigat.

Es gibt Aufführungen, die muss man mit anderen Maßstäben messen. Die Vorstellung des Opernstudios war so eine. Zwei Jahre lang haben die Teilnehmerinnen und Teilnehmer ihre Exzellenz bewiesen. An diesem Abend waren sie zu aufgeregt, schon zu sehr in andere Projekte verstrickt, zu ambitioniert? In Zukunft müssen sie ihre Professionalität beweisen. Gelegenheit dazu bekommen sie, wenn sie ihr Feierliches Abschlusskonzert am 13. Juli 2011 geben. Dann, so zeigen ihre Leistungen in der Vergangenheit, werden sie sich in großartiger Form präsentieren. Großartig: So empfindet das Publikum, das überwiegend aus Verwandtschaft, Angehörigen und Freunden besteht, auch die Leistung des Abends. Begeisterter Applaus beschließt versöhnlich, was nicht hat sollen sein.

Michael S. Zerban