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Fakten zur Aufführung 

RUSALKA
(Antonín Dvořák)
29. April 2012
(Premiere am 28. April 2012)

Opera Nova Bydgoszcz


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Verzauberte Heimat

Rusalka ist eine Geschichte über das Erwachsenwerden, über das Übertreten von Schwellen. Das Er-Wachsen der Füße der kleinen Meerjungfrau in Andersens Märchen ist dabei  genauso eine Metapher wie der Verlust ihrer Stimme“, schildert Regisseurin Kristina Wuss einen ihrer Interpretationsansätze zu der Oper, die sie zur Eröffnung des Opernfestivals in Bydgoszcz, Polen, inszeniert. So opulent und effektreich die Bühne an diesem Abend ausgestattet ist, so wenig mangelt es an Bezügen und Hinweisen. Der Erfolg des Abends aber ist der geniale Einfall, der vermutlich nur ein einziges Mal funktioniert. Wuss lässt die unmittelbare Umgebung des Opernhauses im verzauberten Licht der Bühne entstehen. Die historische Brücke über die Brda, hinter der ein Seil über den Fluss gespannt ist, auf dem die Skulptur eines Seiltänzers balanciert. Auf der Bühne entsteht die Brücke so, wie sie demnächst wieder rekonstruiert werden soll. Mariusz Napierala hat ein technisches Konstrukt geschaffen, das nicht nur romantisch verträumt daherkommt, sondern auch in verschiedenen Ebenen einsetzbar ist. Trotz fehlender Seitenbühnen gelingt es Napierala, die Brücke nicht nur in der Höhe zu versetzen, sondern auch nach vorne oder hinten beziehungsweise seitlich zu verschieben. Maciej Igielski taucht sie dabei meist in bläuliches, fein nuanciertes Licht. Mit Unterstützung der multimedialen Projektionen von Krystian Drywa entsteht von Anfang an echte Märchenstimmung, ohne dass es auch nur einen Moment kitschig wird. Napierala steckt die bürgerliche Welt in stilechte Biedermeierkostüme, während die Welt unter der Brücke sich in weiten Fantasiegewändern präsentiert. Selbst, wenn man hier nicht zu Hause ist, darf man sich verzaubern lassen. Dazu tragen auch die vielschichtigen Ideen der Regisseurin bei, ohne dass Handlung oder Bühne zu irgendeinem Zeitpunkt überfrachtet werden. Einer dieser Einfälle ist der Einsatz des Balletts, das sich unter Leitung von Iwona Runowska ganz wunderbar in das Gesamtgeschehen einfügt. Nach den ersten Szenen in höchster Bewegungsarmut nimmt das Stück Fahrt auf. Und spätestens, wenn die historische Tram auf die Brücke fährt, ist dem Team der Jubel des Publikums sicher. Schließlich hat Bydgoszcz seine besten Zeiten mit dem Straßenbahnbau erlebt. Sogar ins Ausland exportiert wurden die.

Bei den Sängerinnen und Sängern der zweiten Besetzung ist nur ein potenzieller Exportschlager zu entdecken. Darina Gapicz spielt eine wunderbar gewitzte Jezibaba, die in allen Tonlagen überzeugt. Die Rusalka wird von Agnieszka Piass gesungen und gespielt, ohne dass der Funke überspringen will. Schon die Perücke mit den langen, glatten, allzu schwarzen Haaren ist unglücklich gewählt. Da steht eine Rusalka, die eher triefig aus den Sümpfen entsprungen und wahrlich nicht der Typ ist, der fragend durch die Welt schreitet. Der Wassermann stammt aus der „alten Schule“, ist auch erst in sozusagen letzter Minute bei den Endproben eingesprungen: Im Bass möglichst tief, egal, was zu verstehen ist, schreitet er am liebsten an die Rampe, um dort zu deklamieren.  Andrzej Nowakowski ist Ensembleältester und bringt mit 61 Jahren noch ein ordentliches Stimmvolumen über die Rampe. Aber das ist eben nicht alles. Der Tenor Adam Zdunikowski hat ein ähnliches Problem mit dem Prinzen, wie Halina Fulara-Duda mit der Fürstin und die Rusalka: Die Bühne hat keine ganz einfache Akustik. Wer da nicht zu Hause ist, geht vor allem in den leiseren Tönen schnell unter. Ewa Banasiak, Klaudia Pawelczyk und Victoria Vatutina, Anna Baran, Dorota Sobczak und Alexandra Pliszka verleihen den Nymphen Charme und kleine Stimme. Wunderbar funktioniert der Chor in der Einstudierung von Henryk Wierzchon.

Intendant und GMD Maciej Figas lässt es sich auch bei der Zweitpremiere nicht nehmen, das hauseigene Orchester durch den Abend zu leiten. Und das ist auch gut so. Mit elegantem Körpereinsatz bringt er den Klangkörper mit großartiger Transparenz zum Klingen, akzentuiert, dramatisiert und unterstreicht das Bühnengeschehen, um ihm doppelten Zauber zu verleihen.

So gerät auch die Zweitpremiere zum gelungenen Einstand des einzigen Opernfestivals in Polen. Für den deutschen Zuschauer ungewöhnlich: Statt einer überglücklichen Crew adhoc den Beifall zu spendieren, der ihm zusteht, lassen die Akteure sich Zeit. Rhythmisches Klatschen überzeugt sie schließlich doch noch, sich auf der Bühne zu zeigen und dann der bekannten Applausordnung zu folgen. Trotz der sängerischen Schwächen ist es ein bezaubernder Heimatabend. Und auf die Idee muss man bei Rusalka mal kommen.

Michael S. Zerban





Fotos von der Premiere am 28.4.2012:
Marek Chelminiak