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Fakten zur Aufführung 

DIE ZAUBERFLÖTE
(Wolfgang Amadeus Mozart)
27. Juli 2013
(Premiere am 17. Juli 2013)

Seebühne Bregenz


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Spektakulär oder Spektakel

Die Ouvertüre erklingt leise, verdeckt – der Besucher sucht Dirigent und Orchester. Schließlich entdeckt er den Dirigenten auf zwei großen Bildschirmen, die ihn und das Orchester dem Publikum einspielen – aus dem benachbarten Theater. Dort sitzt und spielt das Orchester, zwar live, aber doch aus dem Off. Auch die Chor- und Gesangspassagen der drei Knaben und der Damen werden von hier eingespielt – nur eine der inzwischen in Bregenz erprobten Lösungen einer Reihe von Problemen, die die Seebühne, schwimmend und verankert im Bodensee, mit sich bringt. Eine vorherige Führung durch das Theater und zu einigen der speziellen Effekte klärt interessierte Zuschauer über technische Details auf, von denen einige schon überraschen. Hinter ihnen verblasst die Erinnerung an die ersten Spiele 1946, die auf zwei eingeschleppten Kieskähnen stattfanden. In ihrer 68. Spielzeit warten die Bregenzer Festspiele mit spektakulärer Technik und manchem Knalleffekt auf.

Die vom Festspielintendanten David Pountney selbst gestaltete Inszenierung von Mozarts Zauberflöte versucht eine Modernisierung. Sie versetzt die märchenhafte Geschichte der zwei Liebenden Pamina und Tamino und deren Bedrohung durch Sarastro in eine futuristische Fantasy-Welt. Na ja. Jedenfalls liefert dieses Regiekonzept die Begründung für die drei bis zu 27 Meter hohen Drachenhunde Weisheit, Vernunft und Natur, die die Seebühne als markante Blickfänger begrenzen, mit denen Pountney das Publikum überrascht, manchmal auch erschrickt. Die Drachenhunde, angeblich der afrikanischen Mythologie entnommen, Wächter für das Reich des Sarastro, dienen gleichzeitig als Verankerung von zwei Hängebrücken, von denen aus mutige Kletterer, Bungeespringer, Starwars-ähnlich gekleidete Priester-Soldaten, schließlich auch Pamina auf der Flucht durch eine Feuerwand die Spannung „anheizen“ sollen. Effekte, die in anderen Inszenierungen über dramatische Spieleffekte erzielt werden. Wenn Weltall-Fantasy-Soldaten durch die Szene eilen, Böller krachen, Raketen zischen und Sternraketen sich im wolkenlosen Abendhimmel entfalten, muss sich der Zuschauer schon einmal zurücklehnen und einen Moment nachdenken, weshalb er hier ist. Ach ja, die Zauberflöte.

Vor diesem bisweilen wilden Hintergrund agieren Tamino, Pamina, Papageno, Papagena, Sarastro und die Königin der Nacht in einer futuristischen Fantasiewelt. Tamino gleitet auf einem schwarz gestrichenen Boot, von dumpfen Paukenschlägen begleitet, vor die Szene und geht an Land, um einer quicklebendigen grünen Riesenschlange zu begegnen. Auf einem gewaltigen grünen Schildkrötenpanzer bewegt sich, im mannshohen Schilfgras versteckt, Papageno, um in diesem Urwaldversteck seine Papagena zu finden. Eine gold gefasste Halbkugel markiert Sarastros Reich, auf das sich spinnengleich dunkle Gestalten von den Hundedrachen herab abseilen. Alfred Reiter gibt dem Sarastro mit wunderschön kräftigem Bass und in Warnrot eine düstere Ausstrahlung, Paul Armin Edelmanns fröhlich-unbekümmerter Papageno wird mit szenenfüllendem, tragenden Bariton der fröhliche Anker der Aufführung, ergänzt von der mädchenhaften Papagena, die Dénise Beck mit zartem Sopran zum leichtfüßigem Wesen erweckt. Mit klarem, oft wehmütigen Tenor wirkt Maximilian Schmitt als weiss gekleideter Tamino inmitten des krachenden Getümmels wie eine Gestalt aus einer anderen Welt. Vor dem Bild der Pamina singt er seine ergreifende Arie Dies Bildnis. Bernarda Bobro präsentiert eine innige Pamina mit viel Überzeugung und ausdrucksstarkem Sopran. Laura Claycomb im ausgreifenden, überdimensionierten Kostüm der Königin der Nacht meistert die Koloraturen und höchsten Sopranlagen mit Bravour und sicherer Erfahrung, natürlich gehört ihr die Sympathie des Publikums. Die drei Damen sowie die drei Knaben erklingen als Einspielungen, ihre Kostüme lassen freies Singen kaum zu. So überzeugend und berührend die Arien, Duette und Chöre sind, der Zuhörer fragt sich immer wieder nach der Beziehung dieser wunderschönen Musik Mozarts, die ausgezeichnet zu dem abendlichen Ambiente der Seebühne passt, zu den merkwürdigen Eigenheiten dieses Sarastro-Reiches und den akrobatischen Einlagen, die Intendant Pountney in Starlight- oder Fantasymanier futuristisch auf die Bühne bringt.

Zu dieser Inszenierung hat Marie-Jeanne Lecca phantasievolle, opulente und technisch anspruchsvolle Kostüme geschaffen, die gelegentlich von einer Hydraulik wie etwa bei der Königin der Nacht, unterstützt werden müssen. Johan Engels gestaltet das gesamte Bühnengeschehen auf und unter Wasser (!) anspruchsvoll und souverän. Seine Gags und technischen Finessen reichen so weit, dass bei einer der Prüfungen Tamino und Pamina real – wenn auch gedoubelt – im Bodensee verschwinden… Dazu liefert Fabrice Kebour die passenden Lichteffekte, die den langsam einbrechenden abendlichen Hell-Dunkel-Effekt geschickt nutzen und das Futuristische der Inszenierung betonen.

Mit den Wiener Symphonikern hat Patrick Summers ein erfahrenes und nuancensicheres Orchester zur Verfügung, das sich in dieser Inszenierung hörbar wohl fühlt. Überraschend, dass Summers einige Passagen sehr langsam nimmt, was dem übrigen Tempo der Aufführung kaum entspricht.

So hinterlässt Pountneys Zauberflöte auf der Seebühne einen zwiespältigen Eindruck: Mit außerordentlich üppiger, ungewöhnlicher und durchaus mutiger Bühnen- und Kostümgestaltung sowie zahlreichen Stunts und Tricks fesselt die Aufführung durchaus das Interesse vieler Zuschauer. Trotz hervorragender Gesangsleistungen und einem wunderschönen Orchesterklang kommt ein musikalischer Gesamteindruck nicht zustande: Die technisch gelungene Zusammenführung der Einzelelemente reicht nicht aus, einen harmonischen musikalischen Gesamteindruck zu vermitteln. Auch zwischen den phantastisch-originellen Szenen und der beeindruckenden Akrobatik, die man sich auch ohne Mozarts Musik als originellen Varietéabend vorstellen kann, und der Opernhandlung bleibt eine Lücke. Der Bogen zwischen Bühneninterpretation und Musikdarbietung hält nur selten die Spannung, die Mozart seiner Oper in die Partitur geschrieben hat.

Immerhin dürfte Pountney mit dieser Inszenierung, die er gern als „intelligentes Spektakel“ bezeichnet, die Brücke zu einem sonst nicht immer erreichten Publikum geschlagen haben, das ebenso wie Opern-erfahrene Besucher genügend Anlass für rauschenden Beifall finden. Einige Bravorufe gelten den vorzüglichen Sängern, vor allem Laura Claycomb als Königin der Nacht und Paul Armin Edelmanns Papageno.

Diejenigen, die eine Neuinszenierung von Mozarts Zauberflöte erwartet haben, können sich zumindest über den neuen „grünen Hügel“ in Bregenz freuen, der nun langsam weiter wachsen kann.

Horst Dichanz

Fotos: Karl Forster/Anja Köhler