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Fakten zur Aufführung 

JESUS CHRIST SUPERSTAR
(Andrew Lloyd Webber)
27. Oktober 2012
(Premiere)

Stadttheater Bremerhaven


Points of Honor                      

Musik

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Held aller Narren - Superstar

Es ist kaum zu glauben, dass dieses Musiktheater bereits über 40 Jahre alt ist. Webber hat mit der Rockoper und anderen Erfolgsstücken wie Joseph 1967 , Evita 1978, schließlich noch Cats 1981 und The Phantom of the Opera 1986 eine neue Musikgattung geschaffen. In ihr tauchen ähnliche Lebenssituationen um Liebe, Verzweiflung und Leid auf wie in klassischen Opern. Instrumentierung, Harmonik und Rhythmik sind zeitgemäß verändert. Der Zugriff auf die Probleme ist leichter geworden, erhält einen stärker unterhaltenden Zuschnitt. Sind es deshalb „Opern“, ist Jesus ein „Superstar“? Zu seiner Zeit hieß er der Messias, seine Fans waren die Jünger … Genügend ähnliche Elemente wie in Opern sind vorhanden, aber „Oper“? Lady Gaga, keine Musikwissenchaftlerin, aber kompetente Rockerin, hat eine zeitgemäße Antwort: „Judas ist eine zeitgemäße Metapher für Vergebung und Verrat…, ich mag nur wirklich aggressive Metaphern.“ – Dissonanzen gehören zur modernen Oper.

Wer sich im Foyer umschaut, entdeckt schnell, das ist kein gewöhnlicher Opernabend: Neben dem kleinen Schwarzen, dem Feierabendanzug mit schwarzem T-Shirt die todschicke löchrige Jeans mit Insideview oder die Pants mit Stiefeln bis zum Knie, Jugendliche jeglichen Alters, oft auch Kinder in Begleitung – Opernpublikum einmal anders. Und doch erklingt eine – allerdings ungewohnte – Ouvertüre bei geschlossenem Vorhang, auf dem in hebräischer Schrift das Wort „Verschwörung“ erscheint– eine drohende Ankündigung. Zu Orchesterklängen treten E-Gitarren und Synthezisersound, ein Schlagzeug nimmt den Rhythmus auf. Zwei über dem Bühnenraum hängende TV-Schirme zeigen einen inbrünstig-mahnenden Prediger im Wechsel mit chaotisch wirkendem parlamentarischen Palaver. Im Hintergrund erscheinen die mächtigen Säulenreihen eines Amphitheaters oder eines Circus Maximus, die (Macht-)Plattform der Pharisäer. Geschickt hat Mike Hahne mit diesem Bühnenbild unterschiedliche Räume geschaffen, die die Protagonisten als Spielräume nutzen, in denen sie gleichzeitig in ihrer Funktion platziert sind. Die Kleidung ist kühl futuristisch, durchaus in Anlehnung an Figuren aus Star Wars. Jesus tritt in unschuldig-weisser Kleidung auf, Maria Magdalena kommt in Rot dazu, zum Ärger der Jünger. In einem gefühlvollen Duett wendet sich Maria Jesus zu, der sie, eine Hure, vor den zornigen Jüngern in Schutz nimmt.

In den weiteren Szenen folgt Texter Tim Rice den Vorlagen der Jesuslegende nach den Evangelien und zitiert bekannte Stellen wie Jesu´ letzte Worte am Kreuz. Dirk Böhling hat diese „Geschichte“ weitgehend ungebrochen übernommen, er lässt die dramatischen Höhepunkte herausspielen und die musikalischen Effekte breit zur Geltung kommen.

So erhalten David Jakobs als hitzköpfiger Judas, Franziska Krötenheerdt als sanfte Maria Magdalena und Martin Markert als sensibler Jesus viel Gelegenheit, Webbers Songs zu präsentieren. Jakobs trifft mit einer häufig im Falsett gesungenen Stimme hervorragend den rockigen Ton seiner Songs. Franziska Krötenheerdt gibt mit klarem Sopran der Maria eine glaubwürdige Dramatik, und Martin Markerts Tenor überzeugt auch in den Rocksongs mit weichem Ansatz und schön tragender Stimme. Unter den kleineren Partien ragt Olaf Plassa mit dem kellertiefen Bass des finsteren Pontius Pilatus heraus, und Thomas Burger singt einen Herodes, dessen Schärfe frösteln macht. Opernchor und Extrachor des Stadttheaters sind von Ilia Bilenko zuverlässig einstudiert und überzeugen mit dramatischen Akzenten.

Volker M. Planng bringt das große Sinfonieorchester und die Rockband sicher zusammen und vermittelt einen Sound in ungewohnten Rhythmen und Klängen.

Die Besucher dieser Inszenierung in Bremerhaven freuen sich über eine temporeiche Aufführung eines inzwischen klassischen modernen Musiktheaters, das als Rockoper eine zeitgemäße Form musikalischen Ausdrucks darstellt. Ob das Ballett der „Golden Girl Revue“ mit einer schwer erträglichen Conferencier-Karikatur dem gerecht wird, darf man bezweifeln. Im Kontext dieser Inszenierung kann auch die Kreuzigungsszene musikalisch-dramatisch genutzt werden, ohne dass ihre religiöse Bedeutung reflektiert wird. Mit überbordendem Beifall und Bravo-Rufen einzelner Fan-Gruppen bedanken sich die Zuschauer für eine lebendige, musikalisch überzeugende Inszenierung.  

Horst Dichanz

Fotos: Heiko Sandelmann