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Fakten zur Aufführung 

IDOMENEO
(Wolfgang Amadeus Mozart)
9. April 2011
(Premiere: 27. März 2011)

Theater Bremen

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Licht und Schatten über Kreta

Die Neuinszenierung des Idomeneo ist eine gemeinsame Arbeit des nicht nur in Bremen vielfach bewährten Opernregisseurs Kay Kuntze und den Lichtdesignern URBANSCREEN. Die sind bislang für Lichtprojektionen architektonischer Räume bekannt geworden und haben jetzt zum ersten Mal an einer Opernproduktion mitgewirkt. Nicht nur die Licht- und Videoeffekte, auch die Gestaltung des Bühnenbilds stammt von den URBANSCREEN–Designern Daniel Rossa und Til Botterweck. Felsenartige, zerklüftete Elemente sowohl auf der Bühne als auch von oben herabhängend bilden das Hauptelement der Bühne, auf die weißen Flächen werden Projektionen verschiedenster Lichteffekte und Videoeinspielungen geworfen – etwa ein aufbrausendes Meer immer dann, wenn in der Handlung Neptun seine Finger im Spiel hat. Das sorgt den Abend über immer wieder für starke, stimmungsvolle Momente; manchmal scheint es gar schon etwas zu viel der optischen Effekte zu sein, aber im Ganzen entstehen Bilder und Szenen, die einen geschlossenen Rahmen für das Stück bilden. Die allein hätten den Abend ohne viel mehr Zutaten getragen. Christa Belands Kostüme gehen damit jedenfalls nicht immer eine gute Ergänzung ein. Ganz in Weiß mit blonden Haaren sind die Kreter gewandet, Schwarz die Krieg führenden Männer Idomeneos, der Oberpriester Neptuns und der König zu Beginn selbst – bevor er in eine Art Generalsuniform wechselt –, in Rot tritt Elettra auf, und Ilia im goldenen Mäntelchen mit einer merkwürdigen Hippie-Perücke. Das alles ist fast schon überplakativ, fügt sich dabei nicht zu einem stimmigen Bild, und gar nicht, zumindest phasenweise, mit der visuellen Gestaltung der Bühne zusammen. Kay Kuntzes Personenregie entwickelt starke, nachfühlbare Beziehungen – zwischen Idamante und Ilia etwa – belässt manches recht klischeehaft – wie Elettra – und gleitet manchmal in zusammenhanglose Albernheit ab – wie zwischen Idomeneo und Idamante. Insgesamt sind da immer wieder starke Momente zu erleben, fügen sich Visualisation und Bühnengeschehen zu einem Ganzen, aber genauso oft passiert gerade das nicht, was am Ende doch eine Unausgewogenheit zurücklässt. Das auszugleichen bleibt also an der musikalischen Seite.

Markus Poschner hat sich für einen rauen, offenen Mozart-Klang entschieden. Es braucht etwas Zeit, sich daran zu gewöhnen, dann aber wird sinnfällig, wie sehr diese Lesart zum Werk passt, die archaischen Elemente betont und den Idomeneo vor allem damit deutlich vom Klangbild vor allem der späteren da Ponte-Opern abhebt. Die Bremer Philharmoniker folgen ihm dabei nicht immer mit der allergrößten Konzentration, immer wieder gibt es unschöne Intonationsschwächen. Das schmälert den sehr guten Gesamteindruck, ohne jedoch massiv ins Gewicht zu fallen.

Aus dem Ensemble ragt Nadja Stefanoff als Idamante heraus. Zu Beginn der Saison hatte sie am Haus bereits als Octavian gezeigt, dass sie nicht nur über einen Mezzo von außergewöhnlichem Format verfügt, sondern auch mit ihrem eher herben Timbre in Verbindung mit ihrer großen, schlanken Gestalt eine Idealbesetzung für Hosenrollen ist. Diesen Eindruck kann sie mit der Rolle des kretischen Königssohns einmal mehr unter Beweist stellen und gibt ihrer Partie durch ihr stimmliches und darstellerisches Können bemerkenswertes Format. Kaum weniger beeindruckend gerät die Ilia der Nadine Lehner. Sie ist über das leichte lyrische Fach schon eine Spur hinaus, verhilft der Figur damit aber zu mehr Größe und Dramatik und verbindet sich so in ihren Duett-Szenen sehr gut mit der Darstellungskraft Nadja Stefanoffs, was die Begegnungen zwischen Ilia und Idamante zu den vokalen Höhepunkten des Abends werden lässt.

Luis Olivares Sandoval verfügt an sich über die genau richtige Stimme für die sehr anspruchsvolle Titelpartie. Da er besonders in der oberen Lage aber immer wieder dazu neigt, mehr mit Kraft denn aus einer entspannten Haltung zu singen, verdickt sich die Stimme im Lauf des Abends zunehmend und führt ihn an hörbare Grenzen. Schade, denn Klang und Farbe der Stimme würden für die Partie sehr viel mehr hergeben. Daneben jedenfalls lassen Randall Bills – er singt alternierend ebenfalls die Titelpartie – als Arbace und Christian-Andreas Engelhardt als Gran Sacerdote in ihren kurzen Partien die überzeugenderen Tenortöne vernehmen. Die nicht sehr oft zu hörende Arie des Arbace im dritten Akt lässt neugierig darauf werden, wie sich Randall Bills in der Titelpartie bewähren könnte.

Kurzfristig eingesprungen ist Arantxa Armentia von der Staatsoper Hannover als Elettra. Die Figur ist sehr viel eindimensionaler als die übrigen, bleibt zu sehr auf die Furie reduziert, die sich im Kampf um die Gunst Idamantes nicht geschlagen geben kann. Armentia wirft sich mit Verve und Schwung in diese Rolle, singt die Partie mit ihrem großen, kräftigen Sopran sehr flexibel und sicher.

Geschmackssache bleibt es, ob die Besetzung der Stimme des Orakels mit einem Kind, was auf die Bühne kommt, diesen entscheidenden Wendepunkt der Handlung wirklich zur Geltung bringt. Jakob von Borries macht seine Sache jedenfalls bestens und wird dafür vom Publikum entsprechend belohnt.

Chor und Extrachor des Bremer Theaters schließlich runden einen musikalisch überzeugenden, optisch mitunter doch etwas überladenen, aber insgesamt stimmungsstarken Abend ab. Am Schluss gibt es großen Beifall und einige Bravos für das Ensemble, allen voran für die großartige Nadja Stefanoff.

Christian Schütte

 







Fotos: Jörg Landsberg