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Fakten zur Aufführung 

DER FLIEGENDE HOLLÄNDER
(Richard Wagner)
27. Oktober 2013
(Premiere am 15. September 2013)

Theater Bremen

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Maden zur Suppe

Die Einstimmung auf Wagners stürmische Oper Der fliegende Holländer übernimmt die Natur selbst. Orkanartige Böen umschmeicheln immer wieder das Bremer Theater an der Weser. Auf der Bühne wird das in der ersten Szene mit viel Nebel und einer heulenden Windmaschine aufgegriffen. Zuvor hat Regisseur Sebastian Baumgarten die Ouvertüre auf der Leinwand bildlich untermalt. Die Saga um die Figur des fliegenden Holländers wird illustriert mit kitschig-romantischen und martialischen Seemannsbildchen von blonden Frauen und kernig-attraktiven Matrosen aus der Hollywood-Branche des letzten Jahrhunderts. Doch das Personal, was uns in diesem Holländer begegnet, ist weder romantisch noch hübsch. Stattdessen bekommt man von Anfang an das Gefühl, einer Show mit degenerierten Freaks auf einem Jahrmarkt beizuwohnen.

Für deren Realisierung vollbringen Jana Findeklee und Joki Tewes eine Meisterleistung. Mit Ganzkörperanzügen, Tattoos, grausig geschminkten Gesichtern, dreckigen Bärten und schrillen Frisuren verwandeln sie das Ensemble in einen teils schrillen, teils gruseligen Haufen. Christian Kemmetmüller sorgt für mit der Beleuchtung für das passende Ambiente. Thilo Reuther hat die Bühne in einen Schiffsbauch verwandelt und ihr einen kirmesbudenähnlichen Rahmen mit blinkenden Lichtern vorgesetzt. Die Seiten werden vom Stahlbauch eines Schiffes begrenzt. Für Dalands Wohnung werden Wände in Schieflage dazwischen geschoben.

Baumgarten ist mit seinem völlig überfrachteten Tannhäuser in Bayreuth gescheitert. Sein frischer und frecher Holländer in Bremen gelingt trotz ähnlicher Mittel sehr viel besser – mit dem kleinen Manko, dass sich der Regisseur nebenher in künstlichen Interpretationen versucht. Deutlich zu erkennen ist aber seine Konzentration auf das Wesentliche: Die Personenführung. Auch wenn stellenweise das Gefühl aufkommt, dass Baumgarten die Oper an den Rand der Persiflage rückt, sind die Charaktere, die Bewegungen sehr genau erarbeitet. Ganz oft muss man in diesem Holländer schmunzeln, noch häufiger sich ein bisschen gruseln: Ein ganz starker Moment ist die große Begegnung zwischen Senta und dem Holländer im zweiten Akt. Maden winden sich als Symbol des Todes auf der rückwärtigen Leinwand, und die Zombiemannschaft des Holländers schaut zu, wie sich ein Gefühl von Heimat am schiefen Holztisch, auf dem Suppe serviert wird, breit macht. Dass Baumgarten zu einem etwas überbordenden Aktionismus neigt, zeigt der dritte Akt, wenn sich die hungrige Mannschaft des Holländers über die armen norwegischen Matrosen her macht. Im Erlösungsfinale läuft Sentas Opfertod mit Gift fast nebensächlich ab, während die gesamte Bühne in der Versenkung verschwindet. Die Schlusssequenz gehört wilder Wasserbewegung auf der Leinwand.

Markus Poschner hat sich für den verklärten Erlösungsschluss der Oper entschieden, den er auch romantisch auskostet. Ansonsten geht er das Werk von seiner stürmischen Seite an, mit recht zügigen Tempi und schroffen Zäsuren. Auffallend ist, wie sehr er auf die Sänger achtet und sie sowohl in der Lautstärke als auch in den Einsätzen sehr sorgfältig behandelt. Davon profitiert vor allem Carsten Wittmoser als Holländer, der mehr lyrischer Zweifler denn ein genuiner, verfluchter heldischer Kapitän ist. Er hat den nötigen Tonumfang und teilt sich die Partie sehr klug ein, weiß, an welchen Stellen er mit seiner Stimme spart, um dann manchen dramatischen Höhepunkt auszukosten. Durchgehend kräftig, aber auch sehr schön im Legato weiß Agnieszka Hauzer als Senta einen hervorragenden Eindruck zu hinterlassen. Auch ihre schauspielerische Leistung, die trotzige Göre zu spielen, ist bemerkenswert. Luis Olivares Sandoval singt einen sehr schönen Erik, der aber stimmlich mehr aus der Toscana als aus dem wagnerischen Norwegen zu kommen scheint. Loren Lang ist als Daland knurriger Seebär und lieber Vater – seine starke Stimme ist im Ausdruck variabel genug. Christian-Andreas Engelhardt und Barbara Buffy runden als Steuermann und Amme Mary das Ensemble ab.

Eine Spur lieblicher dürfte vielleicht der Chorsopran im Piano singen, da sie doch ihren Männern gefallen wollen. Doch ansonsten weiß der von Daniel Mayr einstudierte Chor und Extrachor, wie man die berühmten Chöre aus dieser Oper überzeugend, stimmgewaltig und spielfreudig abliefert. Nicht immer auf dem Punkt spielen die Bremer Philharmoniker, die sich viele kleine Unsauberkeiten erlauben. Doch auch sie tragen dazu bei, dass der Abend nie an kurzweiligem Schwung verliert.

Das Publikum lässt sich nach sehr unruhigem Beginn auch mitreißen, begeht sogar den großen Wagner-Fauxpas, nach der Auftrittsarie des Holländers in die weiterlaufende Musik hinein zu klatschen. Am Ende fällt der Applaus zwar nicht enthusiastisch aus, aber immerhin versteht es das Bremer Publikum, sich bei den Musikern sehr lange und freundlich zu bedanken.

Christoph Broermann





Fotos: Jörg Landsberg