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Fakten zur Aufführung 

MADAMA BUTTERFLY
(Giacomo Puccini)
13. März 2011
(Premiere: 11. Februar 2011)

Theater Bremen


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Butterfly – eine Version?

Lydia Steier traut der eigentlichen Geschichte offenbar nicht viel zu. Cio-Cio-San ist bei ihr keine kindhafte japanische Geisha, sondern eine gestandene amerikanische Frau, die ihren Lebensunterhalt als Showstar in einem Nachtclub verdient. Immerhin, dieser Club heißt Nagasaki, so dass wenigstens ein wenig japanisches Flair bleibt. Pinkerton hatte diesen Club 15 Jahre vor Einsetzen des Bühnengeschehens gekauft, er und Butterfly sind sich damals das erste Mal begegnet, liebten sich, und das laut Libretto erst jetzt zu zeugende Kind ist bereits damals entstanden und somit nunmehr ein gestandener Teenager. Diese konstruierte Vorgeschichte und die Verlegung der Welt Butterflys von Japan nach Amerika bilden den Rahmen, in dem Lydia Steier die Geschichte erzählt.

Cio-Cio-San verkörpert den Typus des an sich selbst gescheiterten Stars, der an seinem Erfolg zerbricht. Dazu werden im Programmheft Auszüge aus biographischen Texten über Marlene Dietrich, Maria Schell und Marilyn Monroe zitiert. Die Absichten der Regisseurin mit dieser Sichtweise sind klar formuliert, sie kann diese Geschichte auch flüssig und ohne große Lücken in Szene setzen – unterstützt von Bühnenbildner Gideon Davey und Kostümbildnerin Ursula Kudrna. Doch über allem bleibt die Frage nach dem Warum stehen. Schlüssige Antworten, warum diese Lesart die Geschichte der Butterfly näher und dichter ans Publikum heranträgt, kann sie kaum liefern. Wichtige Mechanismen der Handlung wie die Gegenüberstellung der kulturellen Unterschiede zwischen Japan und Amerika, die Wandlung der Butterfly von einer Kindfrau zur jungen Erwachsenen, das hebelt Lydia Steier vollkommen aus. Stattdessen sind immer wieder Details zu sehen, die auch in ihrem eigenen Konzept inkonsequent und fragwürdig scheinen. Das Kind Butterflys und Pinkertons etwa ist nicht nur bereits eine heranwachsende Frau, es wird am Schluss auch auf einmal zu Pinkertons Frau, mit der er – eigentlich – nach drei Jahren Abwesenheit zu Butterfly zurückkehrt, um ihre Hoffnungen endgültig zu zerstören und das gemeinsame Kind mit nach Amerika zu nehmen. Und warum Pinkerton kurz vor Schluss erschossen wird, bleibt, wie viele andere Details, ebenso unklar. Am Ende bleibt da leider nur der Eindruck zurück, auf der Bühne eine Geschichte erlebt zu haben, die mit dem Stück selbst wenig zu tun hat und dafür kaum Begründungen liefern kann.

So war es an der musikalischen Seite, Impulse zu geben. Daniel Montané führt die Bremer Philharmoniker farbenfroh, überwiegend sehr konzentriert und mit der nötigen Emotionalität durch die Partitur. Manche Akzente und dramatische Ausbrüche wären noch pointierter vorstellbar, was dem Ganzen jedoch keinen Abbruch tat. Für Patricia Andress ist die Butterfly sicher noch eine Grenzpartie. Im ersten Akt nahm sie ihren immer wieder berückend zerbrechlich timbrierten, silbrig schimmernden Sopran noch recht stark zurück, fand aber spätestens im zweiten Akt durch kluge Einteilung ihrer Mittel immer wieder zu sehr starken Momenten. So konnte sie Seiten an der Figur zum Klingen bringen, die ihr die Regie versagte. Peter Marsh kommt zwar eher aus dem Charakterfach, kann seinen sehr individuell gefärbten Tenor immer wieder zu schönen, aufblühenden Linien formen und gibt dem Pinkerton so Format. Sicher ist dieses Fach allerdings auch für ihn momentan noch eine Grenzregion.

Aus dem übrigen, sehr souverän agierenden Ensemble ragten vor allem Barbara Buffy mit volltönendem Akt als Suzuki, Martin Kronthaler mit kernigem Bariton als Sharpless, Christian-Andreas Engelhardt als schmieriger Goro und Christian Hübner als stimmgewaltiger Onkel Bonze heraus.

Insgesamt gelingt dem Bremer Haus eine erlebenswerte musikalische und sängerische Umsetzung, die sich – vielleicht auch wegen der Regie – erfreulich von allzu viel Rührseligkeit fern hält. Zu einem überzeugenden Gesamtergebnis kommt die Produktion dennoch nicht. Begeisterten Beifall gibt es vor allem für Patricia Andress. Und beim Verlassen des Hauses sind doch aus recht vielen Ecken irritierte Diskussionen zu vernehmen, was das Bühnengeschehen nun also zu bedeuten habe. Diskussionsstoff zu liefern ist zwar immer gut und notwendig, hier geht er ein bisschen zu viel auf Kosten des Stücks.

Christian Schütte

 







 
Fotos: Jörg Landsberg