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Fakten zur Aufführung 

DIE VERKAUFTE BRAUT
(Bedrich Smetana)
12. Juli 2012
(Premiere am 30. Juni 2012)

Staatstheater Braunschweig, Burgplatz

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Manege frei

Ängstlich-fragende Blicke gen Himmel sprechen Bände – wird die Aufführung auf dem Braunschweiger Burgplatz womöglich ins Wasser fallen? Doch der Wettergott meint es gut mit den Opernfreunden und lässt pünktlich zur Ouvertüre die Sonne zwischen den Wolken durchschieben. Und das Wetter soll so bleiben.

Der Aufruf ans Publikum, bitte keine Tierstimmen nachzuahmen, macht bereits zu Beginn neugierig und sorgt für heitere Stimmung. Dazu kommt, dass sich die Darsteller trotz des nassen Erdreichs, auf dem gespielt wird, die Laune nicht verderben lassen. Kostümbildnerin Katharina Heistinger hat vorausschauend alle mit festem Schuhwerk – hauptsächlich Gummistiefeln – ausgestattet. Auch frieren muss niemand, zumal die meisten Damen derbe bäuerliche Blusen, Kleider und Röcke tragen. Einzig die Zirkusdarstellerinnen müssen sich durch Artisterie aufwärmen. Den Zuschauer freut‘s, schließlich sieht er nicht oft junge Frauen in Leopardentops und glänzenden Leggins in der Oper.

Für die Bühne hat sich Rudy Sabounghi bunte Blumenkränze einfallen lassen, die er um die auf dem Platz stehende Statue des Braunschweiger Löwen drapiert. Im letzten Akt weichen diese schön bunten Lichterketten, die die ganze Arena umspannen. Dazu kommen die vielen Bierkrüge, die palettenweise am Bühnenrand zu Pyramiden gestapelt werden. Der Höhepunkt sind aber die Schafe, die ihre Statistenrolle so wunderbar erfüllen. Sie knabbern an den Scheinwerfern, schieben sich zwischen die reigentanzenden Darsteller und blöken ins Publikum. Eine großartige Idee, die für viel Gelächter sorgt.

Regisseur Jean-Claude Berutti entscheidet sich für die deutsche Textfassung von Walter Felsenstein aus dem Jahre 1950. Er will weg von der kitschigen Bearbeitung und schätzt die konkrete Sprache ohne jedes Pathos. Die innere Handlung ist ihm wichtig, und er kristallisiert die zweifach verkaufte Braut mit ihrer Enttäuschung in die Liebe und dem erschütterten Vertrauen in den Geliebten heraus.

Ein ganz besonderes Lob geht an Malte Roesner, der den alten Bauern Kruschina absolut überzeugend gibt. Wie er sich über den Bauch streicht, sein breitbeinig-schlurfender Gang und vor allem diese unbeschreiblich typischen Mundbewegungen, dieses fast unmerkliche Auf- und Zuschließen der Lippen machen großen Spaß. Großartig ist auch die exakte und selbst in hohen Lagen gut verständliche Aussprache von Uta Christina Georg als seine Frau Kathinka. Aber auch Oleg Bryjak als Kuppler Kezal ist nicht nur dank seines Äußeren mit etwas längeren geligen Haaren ein Hauptgewinn für die Rolle. Er singt ausgesprochen prägnant und seine lautmalerischen Ausführungen sitzen genau. Wunderbar ist auch Erik Biegel  als Wenzel. Dieser Blick in den Augen, diese so schön gespielte Angst, von der Zukünftigen womöglich umgebracht zu werden. Wenzel ist ein goldiger Typ, schüchtern, liebenswert, und dann stottert er auch noch. Und  Biegel kann‘s. Timothy Richards gibt den lässigen Motorradfahrer und lässt es sich nicht nehmen, sich mal ganz locker an die äußere Brüstung der Bühne zu lehnen und mit dem Publikum zu lachen. Mit seinem Tenor beherrscht er den gewieften, scheinbaren Liebesverräter Hans sehr gut. Seine Liebste Marie, dargestellt von Rena Harms, singt kraftvoll und bestimmt. Sie vermag es, die Männer in ihre Schranken zu verweisen. Selçuk Hakan Tiraşoğlu und Barbara Schmidt-Gaden geben die Eltern souverän.

Ein besonderes Lob geht auch an den Chor und Extrachor des Staatstheaters unter der Leitung von Georg Menskes. Nicht oft gibt es so viel Stimmung und Fröhlichkeit auf der Bühne. Die Choristen lachen, prosten sich zu, gehen im Tanz über die Maßen aus sich heraus. Das Zuschauen macht riesigen Spaß.

Sebastian Beckedorf muss sich der Herausforderung stellen, sein Orchester unter einem Plastikschutz gegen den Regen auftreten zu lassen. Die Akustik ist erstaunlich gut, und die Musiker lassen sich von der ungewöhnlichen Überdachung nicht stören. Präzise und schwungvoll führt Beckedorf das Orchester durch die drei Akte.

Das Publikum erlebt die Darsteller hautnah, es gibt schließlich keine Trennung durch einen Orchestergraben. Die Sänger stehen immerzu im Mittelpunkt, was den Zuschauern natürlich einen erweiterten Blickwinkel gibt. Wen beobachtet man, wo passiert gerade etwas? Das Publikum wirkt engagiert, irgendwie „mit dabei", und es gefällt ihm. Der Abend ist ein voller Erfolg. So macht Oper Spaß. Lang anhaltender Applaus.

Agnes Beckmann

Fotos: Karl-Bernd Karwasz