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Fakten zur Aufführung 

SAUL
(Georg Friedrich Händel)
16. März 2013
(Premiere)

Staatstheater Braunschweig


Points of Honor                      

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Spiel um die Macht

Es gibt Momente, da möchte man nicht in der Haut eines Intendanten stecken. Was wird in Braunschweigs Generalintendanten Joachim Klement vorgegangen sein, als er unmittelbar vor Probenbeginn zu Händels Oratorium Saul erfuhr, dass Regisseurin Elisabeth Stöppler die weitere Arbeit aus Krankheitsgründen absagen musste? Das Inszenierungskonzept stand bereits; Bühnenbild, Kostüme – alles war quasi vorbereitet. Ein anderer Regisseur musste her, jemand, der also in der Lage sein würde, an Elisabeth Stöpplers Konzept anzuknüpfen und sich dennoch eigenständig daran machen könnte, den Stoff entsprechend auf die Bühne zu heben. Uwe Schwarz sprang ein. Und um es vorweg zu nehmen: Das Unternehmen ist durchaus gelungen.

Saul erzählt eine Geschichte über Gewalt; über Gewalt, die entsteht, wenn die Mächtigen sich ihrer Macht nicht mehr sicher wähnen, meinen, ihren Herrschaftsanspruch eifersüchtig gegen andere verteidigen zu müssen. Solche Figuren tummeln sich in der Literatur – man denke nur an Shakespeares Macbeth – aber auch in der realen Lebenswirklichkeit begegnen sie uns: Robert Mugabe in Simbabwe beispielsweise oder Bashar al-Assad in Syrien. In Händels Oratorium ist es die Titelfigur, die zunächst den Goliath-Bezwinger David an den Hof holt, um sich kurz darauf ob dessen Beliebtheit von ihm bedroht zu fühlen. Uwe Schwarz gelingt es, diese Bedrohung – oder ist es doch nur Paranoia? – glaubhaft in Szene zu setzen. In dem spärlichen, aus einer Tribüne bestehenden Bühnenbild von Hermann Feuchter agieren die Protagonisten überwiegend weit vorne. So entspinnt sich ein kammerspielartiger Rahmen, in dem die Konflikte der Handelnden untereinander spannungsvoll ausgetragen werden. Das bedarf einer geschickten Personenführung und guter Akteure auf der Bühne, um das glaubwürdig umzusetzen. Braunschweig besitzt glücklicherweise beides.

Mit sonorem Bass gibt Rossen Krastev den Saul als Patriarchen. An den Rollstuhl gefesselt, zeigt er nicht nur einen alternden und zunehmend kranken Herrscher, sondern dank überzeugender Mimik eine an King Lear gemahnende Isolation. Das geht zunehmend unter die Haut. Benno Schachtners David bildet dazu mit seinem glockengleichen Countertenor den vollkommenen Gegensatz. Er spielt zudem überzeugend den über jede Zweifel erhabenen Helden, der aber nach Sauls Tod schnell den schönen Schein üblicher Herrschergesten lernt. Matthias Stier verkörpert mit strahlendem Tenor und beherztem Spiel die Rolle des Jonathan, der sich im Zweifelsfall, David verteidigend, gegen seinen Vater stellt und dafür mit seinem Leben bezahlt. Katerina Kudryavtseva merkt man keine Sekunde an, dass sie während der Premiere gegen eine Erkältung ansingt. Ihre Stimme klingt makellos, ihr Spiel als giftspritzende Merab macht großen Spaß. Moran Abouloff singt als Michal nicht nur mit viel Liebreiz in der Stimme, sondern gibt sozusagen den schwesterlichen Gegenpart zu Merab. Dabei zeigt die junge Israelin auch komisches Talent. Michael Ha schließlich rundet die gute Ensembleleistung in der Rolle des Hohepriesters als graue Eminenz im Hintergrund ab.

Das Staatsorchester Braunschweig bringt unter der Leitung von Nicholas Kok Händels Musik zum Glänzen, hält sich da, wo der Gesang im Mittelpunkt steht, dezent im Hintergrund und bietet so ein gutes Fundament für das intime Spiel der Protagonisten auf der Bühne. Nicht zu vergessen der Chor des Staatstheaters Braunschweig unter der Leitung von Georg Menskes, der ebenfalls Glanzpunkte zu setzen vermag.

Das Publikum goutiert die Vorstellung zunächst mit niedersächsischer Sprödigkeit, bis sich in dem höflichen Applaus immer mehr „Bravo“-Rufe mischen. Einige Zuschauer trampeln sogar mit den Füßen. Vor allem Countertenor Benno Schachtner wird überschwänglich gefeiert. So geht ein gelungener Theaterabend auch mit dem Zuspruch des Publikums zu Ende.

Sascha Ruczinski





Fotos: Karl-Bernd Karwasz