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Fakten zur Aufführung 

ŠÁRKA
(Zdeněk Fibich)
22. März 2012
(Premiere)

Staatstheater Braunschweig


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Böhmische Walküren

Das Staatstheater Braunschweig hat seine Reihe von Opernausgrabungen fortgesetzt und bringt jetzt Zdeněk Fibichs Šárka auf die Bühne. Fibich (1850 – 1900) ist ein tschechischer Komponist, der zu Lebzeiten beliebt wie seine Kollegen Smetana oder Dvořák gewesen, inzwischen nahezu völlig von den Spielplänen verschwunden ist. Šárka, uraufgeführt 1897 in Prag, ist damals zu einem der größten Erfolge Fibichs geworden. Braunschweig zeigt die Oper als Deutsche Erstaufführung mit einer Neuübersetzung des Librettos von Peter P. Pachl.

Die Handlung geht zurück auf einen populären böhmischen Sagenstoff um die Amazone Šárka. Nach dem Tod der Fürstin Libussa übernimmt die Männerwelt die Herrschaft über das Land. Die Frauen werden sämtlicher Rechte beschnitten. Doch die Amazonen wehren sich dagegen. Šárka und Vlasta führen die weiblichen Krieger an. Während eines Opferritus zu Ehren der gestorbenen Fürstin Libussa fordert der neue Herrscher, Fürst Přemislaus, die göttliche Gunst ein. Šárka verwüstet die Opferstätte. Damit besiegelt sie erst Recht die Kampfbereitschaft der Männer. Ctirad, engster Berater des Fürsten, fordert ihren Tod, sie verlangt einen Zweikampf. Es kommt, wie es in der Oper kommen muss – Šárka und Ctirad verlieben sich, sie verhilft ihm zur Flucht. Das bringt am Ende nicht nur ihre Amazonenschwestern gegen sie auf, sondern auch die Männer erst Recht gegen die blutrünstigen Frauen, denn schließlich habe Šárka Ctirad verführt. Die Männer ermorden die Frauen, Šárka folgt ihren Gefährtinnen schließlich durch Freitod.

Fibichs Oper zeigt nationale Bezüge genauso wie den starken Einfluss, den die Werke Richard Wagners auf ihn ausgeübt haben, und das sowohl musikalisch wie auch in der dramaturgischen Konstruktion der Geschichte, der Protagonisten vor allem. Wer bei den Amazonen an Walküren denkt, liegt sicher nicht ganz falsch, wer  Šárka und Ctirad im zweiten Akt in Verbindung mit Tristan und Isolde bringt, ebenfalls. Die Partitur besticht einerseits durch ihre vielfältigen Anklänge an die tschechische Folklore, andererseits verweisen leitmotivähnliche Einfälle wiederum in Richtung Wagner. Ein Komponist mit großem Instinkt für das Theater ist Fibich auf jeden Fall.

Regisseurin Konstanze Lauterbach, die auch für die Kostüme verantwortlich zeichnet, und ihr Bühnenbildner Andreas Jander haben eine klare Bildsprache für die Geschichte gefunden. Die Amazonen in blumigen oder erdfarbenen Gewändern als naturverbundene Wesen, die Männer in schwarzen Anzügen, durchaus als langweiliger Kontrast zu den schillernden Frauen. Waldpanoramen im Hintergrund und abgestorbene Baumstämme auf der Bühne stehen für die Welt der Amazonen. Während der Ouvertüre verteilen die Männer an die Frauen blaue Tücher, mit denen sie sich wie keusche, unterdrückte Wesen verschleiern. In genau diesem kalten Blau kommen Baumstämme von oben herab und verwandeln die Bühne in einen Raum der Gegensätze zwischen beiden Geschlechtern. Ein blutiger Fluss im dritten Akt symbolisiert das grausame Ende. Mit diesen wenigen, aber einprägsame Bilder schaffenden Mitteln konzentriert die Regisseurin das Geschehen ganz auf die Titelfigur und ihren Bruch, ihr Scheitern an den hermetischen Grenzen des Systems in dem sie lebt, zwischen Pflicht und Gefühl.

Für dieses emotionsgeladene Stück hat das Staatstheater Braunschweig ein exzellentes Sängerensemble aufgestellt. Rena Harms gibt der Titelpartie von Rachsucht über Kampfeslust bis hin zu Liebe und Verzweiflung über die eigenen Taten eine breite Palette an Farben und Nuancen. Ihr lyrischer Sopran verfügt über die Kraft, dramatische Ausbrüche zu gestalten, zeichnet aber ebenso feine Schattierungen und differenzierte dynamische Abstufungen – eine eindrucksvolle Leistung. Arthur Shen als Ctirad glänzt mit tenoralen Höhen. Seine Stimme klingt ausgeglichener und runder als er es in anderen Partien gezeigt hat, davon profitiert vor allem die Mittellage. So gelingt ihm ein überzeugendes Rollenporträt. Julia Rutigliano gibt der Vlasta mit ihrem voluminösen und charakterstarken Mezzosopran Entschlossenheit und kriegerischen Impetus, das gilt ebenso für die kleinen Partien der weiteren Amazonen, die von Ekaterina Kudryavtseva, Simone Lichtenstein, Moran Abouloff, Sarah Ferede, Malgorzata Przybysz und Yuliya Grote stimmstark verkörpert werden. Oleksandr Pushniak gibt mit seinem sonoren, üppig strömenden Bariton dem Fürsten Přemislaus die nötige Statur. Georg Menskes hat den Chor und die Damen des Extrachores des Staatstheaters einmal mehr klangstark und präzise auf ihre Aufgabe eingeschworen.

Sebastian Beckedorf animiert das Staatsorchester zu farbigem, kraftvollem Spiel, besonders die Bläser zeigen sich von ihrer besten Seite. Dabei überbetont er nie den musikdramatischen Plot der Partitur, sorgt für ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Bühne und Graben und lässt den Solisten ihren Raum.

Dem Anfang des Stückes geht ein Prolog aus Franz Grillparzers Trauerspiel Libussa voran, um die Vorgeschichte zu klären und direkt auf die erste Szene der Oper hinzuführen. Martina Krauel spielt die ihres Amtes scheinbar müde gewordene Fürstin, sie sieht das grausige Ende der Geschichte bereits voraus.

Schade, dass im ohnehin nicht vollbesetzten Haus nach der Pause noch ein paar mehr Plätze frei geblieben sind. Musikalisch ist Fibich eine unbedingt lohnenswerte Wiederentdeckung. Das Publikum ist von diesem Abend sehr angetan, besonders die Solisten bekommen verdient begeisterten Beifall.

Christian Schütte







Fotos: Karl-Bernd Karwasz