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Fakten zur Aufführung 

DIE REISE DES EDGAR ALLAN POE
(Dominick Argento)
14. Dezember 2013
(Premiere am 30. November 2013)

Staatstheater Braunschweig


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Edgar Allan Poe als Opernheld

Viele amerikanische Opern sind ausgesprochen publikumsorientiert komponiert und von verschreckender Avantgarde weit entfernt. Trotzdem werden sie in Europa kaum beachtet. Daran will das Staatstheater Braunschweig etwas ändern. In der Reihe „The American Way of Opera“ stellt es ab dieser Spielzeit Werke des amerikanischen Musiktheaters vor. Den Auftakt macht die 1976 uraufgeführte Oper The Voyage of Edgar Allan Poe des Italoamerikaners Dominick Argento, Jahrgang 1927, die nach der deutschen Erstaufführung 1992 in Dortmund in Braunschweig erst zum zweiten Mal hierzulande gezeigt wird.

Der Zweiakter verknüpft biografische Episoden des Dichters Edgar Allan Poe mit Zitaten aus seinem Werk zu einem fantastischen Reigen. Ausgangspunkt ist der von Legenden umrankte Tod von Poe: der Meister der Horrorgeschichte, dessen Dasein auch geprägt von Ausschweifungen war, starb verwahrlost in der Gosse. Ein anonymer Schriftsteller bildet sich ein, Seelenverwandter von Poe zu sein und durchlebt Momente seines Schicksals als Horrortrip, tritt eben jene Reise ins Innere des Autors an. Realität und Fiktion vermischen sich bei ihm und er trifft in seinem Wahn auf Poes Familienangehörige, die Ehefrau, aber auch auf Figuren aus dessen Dichtungen. Im Mittelpunkt steht eine fiktive Gerichtsverhandlung, in der entschieden werden soll, ob Poe den Tod seiner Frau billigend in Kauf genommen hat und ihn als dichterische Inspiration benutzt hat. Thaddeus Strassberger, der auch für die im hohen Maße suggestive Bühnengestaltung und Beleuchtung verantwortlich ist, ist eine grandiose Regiearbeit gelungen. Er lässt einen ganzen Kosmos von surrealen Gestalten erstehen, eröffnet durch die rotierende Drehbühne immer wieder Einblicke in neue, fantastische Räume, die teils von verstörender, teils von magischer Wirkung sind. Besonders das mystische Liebesduett zwischen Poe und seiner bereits verstorbenen Frau, das in einem wunderschönen kleinen, üppig bepflanzten Hof – Sinnbild eines paradiesischen Ortes – angesiedelt ist, ist visuell betörend. Doch nicht nur die Optik bezwingt, auch die Personenregie ist von eindringlicher Subtilität; und wie Strassberger den Chor teils individuell, teils in Gruppenformationen führt, ist meisterlich. Überhaupt ist das auch die Stunde des Braunschweiger Opernchores, einstudiert von Georg Menskes. Er singt nicht nur mit einer Geschlossenheit, als ob Argento zum ständigen Repertoire gehörte, sondern zeigt auch in jedem Moment vehementes darstellerisches Engagement.

Kein Lob ist zu hoch für Mark Adler. Er bewältigt die anspruchsvolle, mit extremen Höhen gespickte Rolle so souverän wie durchweg tonschön. Dazu kommt eine gestalterische Ausdruckskraft, die in den Bann zieht. Absolut gleichwertig ist Ekaterina Kudryavtseva als Poes Ehefrau Virginia, die sich mit lieblichem, in den Höhen leuchtenden Sopran in das Herz des Publikums singt. Der für den erkrankten Oleksandr Pushniak eingesprungene Renatus Mészár trägt die für ihn neue Partie des Nachlassverwalters Griswold überlegen und mit Stimmgewalt aus den Noten an der Vorderbühnenseite vor, während Arthur Shen, der Premieren-Poe, sie szenisch auf der Bühne verkörpert. Die vielen kleineren Rollen sind aus dem Ensemble durchweg treffend besetzt.

Großartig bringt Sebastian Beckedorf Argentos reißerische Partitur, die effektvoll zwischen Belcanto, Filmmusik und moderaten Anleihen bei der Zwölftonmusik pendelt, zum Klingen. Mit rhythmischer Strenge koordiniert er souverän Solisten, Orchester und Chor, entfaltet aber ebenso in den hochemotionalen, romantisch rauschhaften Passagen eine hypnotische Sogkraft.

Die zweite Aufführung an einem Samstagabend ist gut gefüllt. Doch nicht jeder Zuschauer hält bis zum Ende durch. Zur Pause gibt es zwar moderaten Beifall, doch danach haben sich die Reihen gelichtet. Schade, denn diesem Musiktheater vom Feinsten wünscht man sich ein ausverkauftes Haus mit einem aufgeschlossenen Publikum.

Karin Coper

Fotos: Volker Beinhorn