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Fakten zur Aufführung 

LUISA MILLER
(Giuseppe Verdi)
9. Dezember 2011
(Premiere am 26. November 2011)

Staatstheater Braunschweig

Points of Honor                      

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Unüberwindbare Mauern

Eine technische Panne hatte die Premiere der Luisa Miller am Staatstheater Braunschweig zu einer konzertanten Aufführung werden lassen. Musikalisch geriet schon dieser Abend zu einem großen Ereignis. Wie eine großartige musikalische Leistung noch beflügelt werden kann durch eine absolut eindringliche und psychologisch packende Regie, zeigt das Haus nun mit der wieder funktionierenden Bühnentechnik.

Beklemmende Enge und starke Barrieren, im wörtlichen wie im übertragenen Sinn, stellen Regisseur Walter Sutcliffe und sein Bühnenbildner Kaspar Glarner in den Mittelpunkt ihrer Sichtweise auf Verdis Adaption von Schillers bürgerlichem Tauerspiel Kabale und Liebe. Zwei bühnenhohe dicke, halbrunde Wände dominieren das Bühnenbild. Die werden nicht nur durch die Drehbühne, sondern auch durch die Möglichkeit, sie selbst noch auf der Drehbühne zu drehen zu äußerst variablen Raumanordnungen. Die Dicke der Wände symbolisiert die Unmöglichkeit, sie zu durchbrechen, die Höhe macht klar, dass sie nicht zu überwinden sind. Diese statischen Grenzen fangen eindrucksvoll die Gegensätzlichkeit der Milieus ein, aus denen Luisa Miller und ihr geliebter Rodolfo kommen – hier das bäuerlich-bescheidene Leben, das Luisa und ihr Vater Miller führen, dort die aristokratisch-distanzierte Kälte des Hauses von Graf von Walter. Kostümbildnerin Miriam Draxl unterstützt diese Wirkung durch stilistisch dezent gestaltete Kostüme, über denen, wie über dem gesamten Bühnenbild, durch wenige farbliche Akzente ein grauer, kalter und bedrückender Schleier hängt.

Die Variabilität des Bühnenbilds nutzt Walter Sutcliffe mit feiner, differenzierter, dabei stets zurückhaltender Personenführung, um in den so entstehenden Räumen durch spärliche, aber sicher akzentuierte Möblierung die Gegensätzlichkeit der Welten der Millers und der Grafen von Walter immer wieder hervorzukehren. So verdeutlicht er über den Abend mit zunehmender Intensität, dass diese Geschichte zum Scheitern verurteilt ist, denn persönliche Befindlichkeiten und unerbittliche Intrigen lassen keine Vermittlung zwischen den handelnden Personen zu. Dass Verdi und sein Librettist Salvatore Cammarano aus Schillers Vorlage vor allem ein Substrat gewonnen haben, dass sich auf diese zwischenmenschlichen Beziehungen stützt und die unglückliche Liebesgeschichte zwischen Luisa und Rodolfo ins Zentrum des Geschehens rückt, kann Walter Sutcliffe in ebenso berührende wie aufreibende Bilder fassen.

Vor allem Liana Aleksanyan als Luisa und Arthur Shen als Rodolfo gewinnen ihren Partien gegenüber der konzertanten Premiere in der beklemmend dicht gearbeiteten Regie noch einiges mehr an Profil ab. Liana Aleksanyan gestaltet mit ihrem warmen und runden Sopran leuchtende Höhen, berührende Piani und eine beeindruckende Palette an Farben und Nuancen. Arthur Shen singt den Rodolfo mit einer Leidenschaft, der sich kaum zu entziehen ist, schont sich stimmlich in keiner Sekunde, riskiert durchaus, sich zu verausgaben. Die Unmittelbarkeit seines Ausdrucks formt ein packendes Rollenporträt.

Ebenfalls Oleksandr Pushniak als Vater Miller und Selçuk Hakan Tiraşoğlu als Rodolfos Vater Graf von Walter gestalten durch ihr charakterstarkes und voluminöses stimmliches Potential und überzeugendes Spiel immer wieder große Momente. Dae-Bum Lee verleiht seinen abgrundtiefen und schwarzen Bass dem intriganten Wurm und gibt der Rolle durch aalglattes Spiel bestechende Bühnenpräsenz. Sarah Ferede verströmt mit ihrem üppigen Mezzo in der kurzen Partie der Federica Noblesse und Autorität. Hyo-Jin Shin aus dem Chor lässt als Bauernmädchen Laura vielversprechendes Potenzial hören. Ebenfalls aus dem Chor übernimmt Young-Ki Kim die kleine Partie des Bauern. Georg Menskes hat sein Ensemble sicher und wandlungsfähig auf die umfangreichen Chorszenen eingestellt.

Alexander Joel erreicht mit dem Staatsorchester eine hohe dramatische Dichte. Er betont einerseits, unterstützt durch fabelhafte Solisten vor allem unter den Bläsern, Verdis diffizile Instrumentation, lässt andererseits durch harte und schroffe Ballungen den lyrischen und subtil farbigen Passagen nicht zu viel Raum gegenüber den dramatisch zugespitzten. Das Orchester wirkt insgesamt noch konzentrierter als zur konzertanten Premiere und findet zu einem in allen Facetten packenden Verdi-Klang.

Es bleibt der Aufführung zu wünschen, sie möge in den folgenden Vorstellungen mehr Publikum finden als an diesem schwach besuchten Abend. Umso lautstarker äußerte das Publikum aber seine große Begeisterung für diesen spannenden Musiktheaterabend.

Christian Schütte



 


 
Fotos: Karl-Bernd Karwasz