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Fakten zur Aufführung 

FALSTAFF
(Giuseppe Verdi)
10. Juni 2011 (Premiere)

Staatstheater Braunschweig


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Altrocker im Wald

Wolfgang Engel unternimmt mit seiner Neuproduktion gar nicht erst den Versuch, die Geschichte tiefschürfend zu interpretieren oder unbedingt ins Heute zu transportieren. Er konzentriert sich auf klare Personenführung, die dicht am Text entlang geht, erzählt die Geschichte zwar nicht in historisierendem Rahmen, aber doch wesentlich ganz klassisch so, wie sie ist.

Bühnenbildner Martin Kukulies hat auf die Drehbühne mehrere raumhohe, bewegliche Elemente mit aufgemaltem Wald gebaut, die mal zu einer Wand zusammengebaut werden – und so die Silhouette eines weiten Waldes erzeugen –, mal als Versatzstücke die Bühne aufteilen und durch den transparenten Stoff, mit dem sie bespannt sind, auch immer die Möglichkeit lassen, hindurchzuschauen und zu beobachten. Ein paar einfache Tische und Stühle stehen für die rustikale Wirtshausatmosphäre, im zweiten Akt fehlen die klassischen Accessoires wie ein Paravent – als Rückzugsmöglichkeit für Nannetta und Fenton – oder der große Wäschekorb, in dem Sir John sich verstecken kann. Der wird hier am Ende nicht etwa aus dem Fenster geworfen, sondern in den Bühnenhimmel hochgezogen und dann an einem schräg über die Bühne nach hinten laufenden Seil heruntergelassen.

Im zweiten Bild des dritten Aktes schließlich ist, wie im Programmheft zu lesen auch ganz bewusst, eine Shakespeare-Bühne zu sehen. Ein alter vertrockneter Baum auf einem großen Holzpodest, alte Teppiche als Vorhänge darauf – hier wird Theater auf dem Theater gespielt.

Michael Sieberock-Serafimowitschs Kostüme zeigen Falstaff als leicht verwahrlosten Altrocker, Ford als strengen, etwas schnöseligen Machthaber, die Damen von Windsor als illustre Gesellschaft ganz unterschiedlicher Typen, die jedoch alle nicht mit erotischen Reizen geizen. Überhaupt unterstreichen die Kostüme mit wenigen, durchaus heutigen, gekonnt eingesetzten Mitteln sehr schön die einzelnen Charaktere. Ein reizvolles Bild entsteht etwa beim Mummenschanz im dritten Akt, wenn die eher gedeckten Farben der Kostüme von Solisten und Chor mit den in kräftigen Farben geschminkten Gesichtern kontrastiert werden.

Mit den insgesamt bescheiden eingesetzten Mitteln ergeben Bühne und Kostüme aber durch solides handwerkliches Können dennoch eine gute Einheit. Wolfgang Engels Regie ist an einigen Stellen vielleicht zu vorsichtig und zurückgenommen, schöpft dagegen im dritten Akt ganz aus dem Repertoire eines erfahrenen Theaterregisseurs. Auch hier ist also souveränes Können zu sehen. Sicher wären stärkere Akzente möglich gewesen. Vermissen lässt die Aufführung die indes nicht.

Musikalisch ließ der Premierenabend keine Wünsche offen. Alexander Joel geht mit dem blendend aufgelegten Staatsorchester Verdis Alterswerk zupackend und dynamisch aufgeladen an, ohne dabei die Bühne zu überdecken. Die Musiker setzen die in viele kleine und filigrane Abschnitte geteilte Partitur mit großer Präzision und lustvollem Spiel um.

Auf der Bühne füllt Oleg Bryjak die Titelpartie nicht nur darstellerisch und körperlich ganz aus, er verströmt vor allem die Üppigkeit und Klangschönheit seines hellen und metallischen Baritons. Ihm zur Seite steht ein nicht minder stimmstarkes Ensemble. Orhan Yildiz ist ein nobler Ford, Tatiana Plotnikova stattet seine Gattin Alice mit leuchtenden Soprantönen aus. Ekaterina Kudryavtseva ist für die Nannetta schon eine Luxusbesetzung. Evelyn Krahe als Mrs. Quickly setzt von den tiefsten Tiefen bis zu den volltönenden Höhen die Qualitäten ihrer charaktervollen Altstimme zielsicher ein und Sarah Ferede gibt der Meg Page glutvolle Mezzo-Töne. Matthias Stier singt den Fenton mit dem schönen Schmelz seines lyrischen Tenors, dagegen gefällt Steffen Doberauer als Dr. Cajus mit leichtem und wendigem Spieltenor. Schließlich sind Kenneth Bannon und Selçuk Hakan Tiraşoğlu als Bardolph und Pistola ebenso bestens besetzt. In gewohnter Qualität zeigte sich in den kurzen Auftritten auch der Chor des Staatstheaters.

Zu hören war in Braunschweig somit einmal mehr eine Aufführung von großem Format. Alexander Joel bekam beim frenetischen Schlussapplaus als einziger einige Buh-Rufe. Ansonsten feierte das Premierenpublikum das Ensemble mit großer Begeisterung und nahm auch das Regieteam sehr freundlich in Empfang.

Christian Schütte