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Fakten zur Aufführung 

DEIDAMIA
(Georg Friedrich Händel)
26. Januar 2012
(Premiere)

Festival Soli Deo Gloria, Staatstheater Braunschweig


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Alles lauscht den himmlischen Stimmen

Händels Deidamia ist seine letzte Oper, vollendet 1740 und uraufgeführt im Januar 1741 in London. Sie ist eine absolute Rarität auf den Spielplänen geworden. Wenn, dann sind es meist ausgewiesene Spezialisten für dieses Repertoire, die sich dem Stück annehmen. Die Handlung entstammt der griechischen Mythologie. Achilles ist vor dem Trojanischen Krieg an den Hof des Königs von Skyros, Lycomedes, geschickt worden. Dort lebt er in Frauenkleidern versteckt, ein Orakel hatte ihm einst den Tod im Trojanischen Krieg prophezeit, und Achilles verbirgt sich nun, um dem Krieg zu entgehen. Am Königshof beginnt er, in seiner wahren Identität entdeckt, eine Liebschaft mit der Tochter des Königs, Deidamia. Die griechischen Abgesandten erscheinen, um Achilles zurückzufordern, unter ihnen Odysseus (Ulisse). Ein Spiel um Macht, Politik, aber natürlich vor allem um die Liebe beginnt, und am Ende geht’s natürlich für alle gut aus. Die Deidamia-Musik ist im Vergleich zu früheren Opern vielleicht nicht so farbig und prächtig instrumentiert, dafür herber, trockener. Aber es ist beeindruckend psychologisierende Opernmusik, die Seelenlagen und emotionale Extreme der Figuren plastisch hörbar macht. Diese letzte Oper Händels ist eine Perle, die es sicher auch einmal wieder für eine szenische Umsetzung zu entdecken gilt.

Das Festival Soli Deo Gloria präsentiert in Braunschweig und Umgebung vor allem Musik aus der Zeit Bachs und Händels. Erstmals sind in dieser Saison drei konzertante Aufführungen von Händel-Opern mit Il complesso Barocco und international renommierten Solisten zu erleben. Braunschweig ist dabei die einzige deutsche Station der Musiker im Rahmen einer Tournee durch europäische Städte. Mit den Aufführungen ist das Festival zu Gast im Staatstheater Braunschweig.

Seit vielen Jahren steht die Erfolgsautorin Donna Leon, die in Venedig lebt und in Deutschland vor allem durch die Geschichten von Commissario Brunetti bekannt ist, in enger Verbindung zu Alan Curtis und dem Ensemble, zudem ist sie glühende Verehrerin der Musik Händels. Nun begleitet sie die konzertanten Aufführungen und gibt vor Beginn auf der Bühne – in englischer Sprache – eine kurze, anschaulich erzählte Einführung in das Stück. 

Dass dieser Abend vor allem zeigt, welch musikalische Qualitäten Deidamia hat, ist das große Verdienst der Musiker und Sänger unter der fabelhaften Leitung von Alan Curtis. Er hat 1992 das Ensemble Il complesso Barocco in Italien gegründet und den Klangkörper seitdem zu einer der international gefragtesten Interpreten der Musik aus der Zeit von Monteverdi bis Händel gemacht. Die Musiker spielen auf historischen Instrumenten und sorgen für einen klaren, plastischen, dabei manchmal rauen Klang, der die musikdramatische Qualität der Partitur bestens ins Licht rückt. Alan Curtis dirigiert mit kraftvollen Gesten und koordiniert das Sängerensemble absolut souverän.

An dessen Spitze steht Karina Gauvin in der Titelpartie. Die Kanadierin verfügt nicht nur über beeindruckende Koloraturfähigkeiten, sie besticht ebenso durch das runde und warme Timbre ihres weichen, lyrischen Soprans. Mit diesen stimmlichen Fähigkeiten zeichnet sie auch ohne Szene ein beeindruckendes Rollenporträt. Dabei wird sie von ihren nicht minder großartigen Kollegen unterstützt. Perfekt passen die helle Farbe und die große Leichtigkeit des Soprans von Roberta Mameli zur Rolle der Nerea. Die Mezzosopranistin Marie Claude Chapuis und die Sopranistin Klara Ek glänzen mit im besten Sinne des Wortes virilen stimmlichen Porträts in den Hosenrollen des Ulisse und des Achilles. Johannes Weisser singt den Fenice mit schlankem, schön gefärbten lyrischen Bariton und Antonio Abete mit etwas nasalem, aber imposant-autoritären Bass den Lycomedes.

Nach dreieinhalb Stunden fantastisch musiziertem und gesungenem Händel reagiert das Publikum mit frenetischem Beifall. Schade, dass es diese Aufführung nur ein einziges Mal in Deutschland zu hören gibt.

Christian Schütte

 



Fotos: Martin Winrich Becker