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Fakten zur Aufführung 

DAS EINAKTER-TRIPTYCHON
(Paul Hindemith)
23. September 2012
(Premiere)

Theater Bonn


Points of Honor                      

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Von martialisch bis albern

Kein Mensch behauptet, bloß, weil drei Stücke an einem Abend aufgeführt werden, müsse ein Zusammenhang zwischen den Stücken bestehen. Findet auch Klaus Weise, scheidender Intendant des Bonner Theaters und Regisseur des Abends. Er stellt Mörder, Hoffnung der Frauen, Sancta Susanna und Das Nusch-Nuschi von Paul Hindemith zu einem Einakter-Triptychon nebeneinander statt zusammen. Kleinklein in einen Zusammenhang zu stellen, ist oft schwieriger, als ein Großes darzustellen. Und so versucht Weise es gar nicht erst, sondern entwickelt drei unterschiedliche Stücke. Die Verbindung sieht er im Thema Erotik. Aber so ganz will das nicht gelingen. In Mörder, Hoffnung der Frauen leuchtet noch einmal jene wilde Zeit des Theaters auf, in der alles machbar war, Hauptsache, die Tabus werden gebrochen. In einem Künstleratelier, das von einer Traverse überbrückt wird, findet ein Geschlechterkampf statt, in dem Skulpturen zerstückelt werden, ein Brandzeichen mit einer Kreissäge auf dem nackten Oberkörper der Protagonistin gesetzt wird, ehe der Held durch einen Nagelautomaten außer Kraft gesetzt wird. Das hat Martialisches, etwas Wildes, das einst den Aufbruch in eine neue Richtung gezeigt hat, bevor „der Marsch durch die Instanzen“ zur Zügelung und, wenn man so will, einer Neuordnung geführt hat. Der expressionistische Text Kokoschkas tut sein Übriges. Für Sancta Susanna entwickelt Raimund Bauer ein Bühnenbild, das aus einer schwarzen Wand besteht, in die ein passierbares Kreuz eingelassen ist. An der Wand stehen von oben bis unten Nonnen, die das Geschehen stumm kommentieren. Davor liegt das gestürzte Kreuz mit einem Jesus, dessen Lenden zunächst von einem Schurz bedeckt sind. Bei der Uraufführung im März 1922 in Frankfurt sorgte das Stück für einen Skandal, weil Susanna ihren Bezug zur Realität verliert und sich dem Jesus am Kreuze auf offener Bühne hingibt. Weise fällt dazu nichts Neues ein, also bleibt es bei oberflächlicher Darstellung, die heutzutage keinen mehr aufregt. Im letzten und – leider – längsten Teil begatten die vier Frauen des Kaisers einen „hübschen“ Jüngling. Eine Harlekinade, die die kürzlich verstorbene Kostümbildnerin Dorothea Wimmer – der dieser Abend gewidmet ist – als Dessous-Revue präsentieren wollte. Das Nusch-Nuschi bleibt an der Oberfläche, plätschert so vor sich hin, nicht ohne auf Albernheiten zu verzichten, ehe es so ganz ohne Erotik versandet. Sexszenen hinter einem undurchsichtigen Vorhang sind in etwa so aufregend wie Waschmittelwerbung im Fernsehen.

Lichtblick an diesem Abend sind die sängerischen Leistungen. Gefühlt hat Weise das komplette Ensemble antreten lassen. Ausfälle sind nicht zu verzeichnen. Was von den Sängerstimmen hörbar ist, findet auf ganz hohem Niveau statt. Darstellerisch – und da wird die Herkunft des Regisseurs vom Schauspiel deutlich – ist im gesteckten Rahmen alles einwandfrei. Wenn hier ein Name zu nennen ist, der aus einem gesanglich hervorragenden Genuss noch heraussticht, sprechen wir vom Bass-Bariton Martin Tzonev, der mit relativ kurzem Auftritt bei völliger Verständlichkeit Tiefen erreicht, von denen andere nur träumen können.

Der Chor des Theaters Bonn in der Einstudierung von Sibylle Wagner beeindruckt im ersten Einakter durch Präzision und Abstimmung, in Sancta Susanna mit gutem Timing.

Die Musik eines Paul Hindemith ist, wenn sie nicht gerade vor sich hintingelt, wuchtig, dynamisch, oft voller Spannung. Stefan Blunier zeigt, was passiert, wenn die Kraft der Musik in Lautstärke umgesetzt wird, anstatt sie für sich stehen zu lassen. Die Musik dröhnt durch den Raum, unbarmherzig werden die Stimmen der Solisten untergepflügt. Das Beethoven Orchester Bonn zeigt ohne Angst vor Verlusten, was an Lautstärke möglich ist – und das ist zu viel.

Das Publikum feiert jedes Stück einzeln, insbesondere die Leistungen der Sängerinnen und Sänger werden mit Bravo-Rufen bedacht. Erotik allerdings schreibt man mit anderen Buchstaben.

Michael S. Zerban

Fotos: Thilo Beu