Zwei Kulturen: Dialektisch
Tadashi Tajima „spricht“ auf Bambusflöten: weder tonal noch atonal, ohne Melodie oder Rhythmus, auch nicht „technischen“ Gesetzen folgend: Es sind Klangphantasien, die Meditation anregen – nicht das Versenken in das eigene Selbst, sondern das Konzentrieren auf Nirgendwo und Leere nach buddhistischem Ritual.
Das virtuos stimmliche Hilliard Ensemble intoniert Klänge von Holliger, Vardapet, John Cages Litany for the Whale, Belcastro und Ken Ueno: hoch artifizielle Artikulationen menschlicher Stimmen und Vokalisen, inspiriert von Prinzipien der Zen-Töne, mit Pausen als wesentlichem Ausdruck im Wechsel von „Geräusch“ und Stille.
Zwei musikalische Welten wechseln aneinander ab, suchen nach gegenseitigem Dialog: Das authentisch meditierende Flötenspiel und das adaptierte stimmliche Äquivalent, das sich von den erstarrten europäischen Konventionen zu lösen versucht – aber die eigenen Traditionen nicht verleugnen will.
Dieses dialektische Prinzip zwingt das ungemein aufmerksame Publikum in permanente Reflexion – allein:
Eine Integration der nicht kompatiblen Welten will sich nicht einstellen. Aber: Kann auch nicht „funktionieren“, weil sich die Ambivalenzen des Irrationalen ohnehin nicht im Sinn rationaler Strukturen integrieren lassen.
Insoweit rekurriert der faszinierende Abend auf die „Wahrheit“ des Zen, der auf jegliche „Substanz“ und „Transzendenz“ verzichtet.
Auf der Bühne vermitteln unmerklich wechselnde farbliche Imaginationen diesen Eindruck des „Nirgendwo“ in optischen Kreationen!
Beim Publikum – anderthalb Stunden lang hoch konzentriert – herrscht der Eindruck vor: Die Ruhrtriennale vermittelt Begegnungen der ungewohnten Art.
Franz R. Stuke
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