Kräfte der Gegenreformation
Virtuos überzeugend: Das Hilliard Ensemble, vier ungemein klangreiche Sänger - David Gold (Countertenor), Steven Harrold und Rogers Covey-Crump (Tenor), Gordon Jones (Bariton) – interpretiert liturgische Gesänge des Katholizismus nach 1550.
Giovanni Pierluigi da Palestrinas Requiem-Passagen wechseln mit liturgischen Vorgaben Tomas Luis de Victorias:
Das sind hörbare Dokumente der militanten Gegenreformation – auf der einen Seite beseelt von demutsvollen Gesten gegenüber einem unstrittigen Gottes-Bild, auf der anderen Seite einen gnadenlos strafenden Gott.
Der so vielfältig artifizielle Gesang des Hilliard-Ensemles betört durch geradezu „himmlische“ Klänge, die in der Akustik der „Industrie-Kathedrale“ Jahrhunderthalle imaginativen Widerhall finden.
Doch es bleibt bei dieser formidablen Dokumentation des Klang-Reichtums gregorianischen Gesangs:
Die Rolle dieser Requien als Mittel ideologischer Machtpolitik spielt keine Rolle: Zauberhafter Gesang im Museum des unbegriffenen historischen Konflikts!
Das Ruhrtriennale-Publikum folgt sehr aufmerksam – vermisst allerdings die „kritische“ Auseinandersetzung mit dem Vorgetragenen: "Wir sind hier doch nicht bei Benedetto!“
Und ganz fies: Die klischee-perfekte Blondine, die auf das Monitum permanenten Schreibens püppihaft reagiert: „Wenn Sie das stört, sollten Sie sich einen anderen Platz suchen!“ Auch bei der kommunikativ so exzellent offenen Ruhrtriennale findet sich die begrenzte Tradition des kleingeistig-arroganten Feuilletons!
Franz R. Stuke
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