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Fakten zur Aufführung 

TURANDOT
(Giacomo Puccini)
13. März 2011
(Premiere: 21. September 2010)

Theater Bonn


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Endlich leben!

Silviu Purcarete und Nikolaus Wolcz versuchen in ihrer Bonner Inszenierung von Puccinis Schwanengesang hauptsächlich aus der Diskrepanz von Märchenhandlung im Commedia-dell-arte-Stil und Schauermelodram im chinesischen Adelsmilieu theatralische Funken zu schlagen. Dafür zitiert Helmut Stürmer in seiner Ausstattung lustvoll und augenzwinkernd jedes nur erdenkliche China-Klischee – vom Zöpfchen über Fächer bis hin zu Mao-Mützen.

Zu Beginn ist der Bühnenboden übersät mit den abgeschlagenen Köpfen von Turandots Freiern. Dahinter erhebt sich eine stilisierte Front des Kaiserpalastes in der verlorenen Stadt, die als Arena-Tribüne den Chor beherbergt. In dieser Kulisse gelingen dem Regieteam viele skurrile und wirkungsvolle Effekte. So ist etwa dem (weiblichen!) Henker ein Team von Gehilfinnen beigegeben, die ihre Waffen auf offener Bühne schärfen und in Tateinheit als kaiserliche Leibgarde, Geheimpolizei und Foltermägde fungieren. In letzterer Funktion quälen sie Liu spektakulär auf offener Bühne. Güldene Mülleimer dienen zur Entsorgung der Köpfe, rote Flüssigkeit stürzt eine schiefe Ebene hinab und kündet vom Tod des persischen Prinzen und die Lösungen der Rätsel werden im oberen Teil der Tribüne eingeblendet und von Choristen in westlichem Doktortalar abgenickt. Vieles wirkt, einiges gerät allerdings auch läppisch, wie etwa das Herumgefuchtel mit den Speeren in der Rätselszene oder die Aufreihung der Solisten an der Rampe anlässlich des Schluss-Sextetts im ersten Akt.

Die Personenführung hingegen zieht sich eher auf Standardgesten zurück. Am farbigsten gelingen die Wurzen Ping, Pang und Pong (Giorgos Kanaris, Albrecht Kludszuweit und Mark Rosenthal mit nicht sehr großen, sich schön mischenden Stimmen), kleine Lichter in der Machtpyramide, charmant schwankend zwischen Kadavergehorsam und sentimentalem Selbstmitleid.

An der musikalischen Seite des Abends – gespielt wird wie üblich der kurze Alfano-Schluss – gibt es absolut nichts auszusetzen. Das Beethoven Orchester unter dem Hausnachwuchsmann Christopher Sprenger schwelgt in einem dynamisch fein abgestuften Breitwandsound, der Puccinis Vorbildfunktion für die Filmmusik nicht leugnet. Der von Sibylle Wagner einstudierte Chor ist in der dankbaren Partitur offenbar ganz und gar zuhause und bei den Sängern gibt es keinen Ausfall. Valentin Jar ist ein witziger und stimmlich potenter Kaiser, Ramaz Chikviladze gestaltet den Timur farbig und legatoreich trotz an und für sich nicht ausreichenden Bassfundaments und Irina Oknina ist eine musikalisch absolut überzeugende Liu mit fantastischer Intonation und sehr steter Stimmführung. Ihr Spiel erscheint etwas damenhaft für eine Sklavin.

George Oniani bringt für den verliebten Kalaf einen stämmigen, höhensicheren Tenor mit, irritiert durch sein manchmal unbeteiligt wirkendes Spiel, begeistert aber mit sehr substanzreichem Piano.

Elena Pankratova schließlich ist eine grandiose Turandot. Sie spielt die chinesische Prinzessin eher als altes Kind, das endlich Leben will, denn als Eisblume. Und sie schafft es, trotz voluminöser Gestalt unter dem unvorteilhaften goldenen Kleid, die Triebfeder der Handlung zu vermitteln: dass unter alldem nämlich eine, jenseits äußerer Schönheit ungeheuer faszinierende Frau steckt.

Andreas Falentin

 







Fotos: Theater Bonn