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Fakten zur Aufführung 

FEIER-ABEND - DIE OFFIZIELLE 1000-JAHRE-BIELEFELD-GALA
(Ingo Börchers/Peter Schanz)
11. Januar 2014
(Premiere)

Theater Bielefeld


Points of Honor                      

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Kosmos Ostwestfalen – Welttheater Bielefeld

Erika Mustermann, Otto Normalverbraucher und Lieschen Müller, bundesweit bekannt gewordene Bielefelder Bürger, sind nur drei Beispiele für die völlig normalen lieben Menschen, die es in dieser Stadt gibt, die sich und ihrer Existenz – trotz Wilsberg – ein fröhliches Denkmal setzen, wenigstens für diesen Abend. In mehr als 15 Sketchen und Kurzszenen präsentieren Ingo Börchers und Peter Schanz eine Stadt, die den Bürgern mit all ihrer Spießigkeit vertraut ist. Hier spielen der stets vorhandene Regen, die Lappenpickert, Reformschulen, der Pudding und das (noch) nicht vorhandene Meer eine tragende Rolle. In dem leitmotivischen Dialog-Duett kommentieren der Ex-Landesvater Pit Clausen und die Alt-Oberbürgermeisterin Maria Unger zum x-ten Male die zig Versuche Bielefelds, das unter der Bertelsmannknute leidende Gütersloh zu übernehmen, aus der bundesweit bekannten Gesamtschule Baumheide kommt die Versicherung : „Wir sind Modelllehrer“ – „Wir sind Modelleltern“. Umwerfend und treffend steigen die Arminia-Fans auf die Bühne, die Deputierten aus der Nachbarschaft bringen Bierspenden der Partnerstädte. Die Bodelswingers, eine flotte Schwesterndelegation aus Bethel, überzeugt mit einem pfiffigen Oh Happy Day von der guten Laune in der Stiftungsanstalt. Darstellerisch und tänzerisch ausgezeichnet verneigt sich Claudia Braubach in bestem Soziologenchinesisch „vor der Ewigkeit in Zeit und Losigkeit“ an der Uni, der Hinweis auf Niklas Luhmann ist fast überflüssig. Einer der Höhepunkte des Gala-Abends ist zweifellos das poetisch-gefühlvolle Ballett, das Gregor Zöllig choreographiert und das mit diesem Wassermusik-Tanz endlich Wasser nach Bielefeld bringt. Die Betriebskampfgruppe der Firma Ritex-Welthygiene macht endlich auf den so verkannten Stadtteil Ubbedissen und seine weltweit benötigten Produkte aufmerksam, das muss man einmal aushalten. Bei der Dichte und Frechheit der Einfälle ist es kaum möglich, immer das gleiche Niveau zu halten, aber Börchers und Schanz vergessen auch nicht, den Bürgern von Schilda ihre Referenz zu erweisen, die Delegation aus Maoming zu begrüßen oder – endlich – den Freistaat Ostwestfalen mit seinem Kabinett auszurufen… „Galuhkwuns Billefähl“.

Julia Hattstein hat für dieses Spektakel die Bühne mit vier großen Gerüstgestellen ausgestattet, in und auf denen alle Situationen ihren Platz finden und ins rechte Licht gerückt werden. Marlis Knoblauch darf bei den Kostümen richtig hinlangen und setzt skurrile Farbakzente, bis die Augen schmerzen. Das Ballett setzt neben mancher Akrobatik berührend stimmungsvolle Akzente. Musikalisch hat William Ward Murta eine bunte Mischung locker-heiterer Musik zusammen gestellt und vor allem auf Songs der 1970-er und 80-er Jahre zurückgegriffen. Die Bielefelder Philharmoniker und der Opernchor tragen in bester Spiellaune zur Stimmung bei, die manchen Zuschauer zum Schwingen bringen, vorsichtig, versteht sich. Die den Songs neu verpassten Bielefelder Texte sind ein großer Spaß für alle Bielefelder, manch auswärtiger Besucher dürfte bei den lokalen Kenntnisse überfordert sein – macht nichts.

Die Bielefelder Prominenz, die sich hier zum Gala-Abend trifft, amüsiert sich köstlich, erst fast verlegen, dann verhalten, aber zunehmend – und zum Schluss begeistert und mit rauschendem Beifall für einen Abend, der einer 1000-Jahr-Feier würdig ist. Sie würde ja „so gerne mal über ihren eigenen Schatten springen“.

Horst Dichanz







Fotos: Matthias Stutte