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Fakten zur Aufführung 

CITY OF ANGELS
(Cy Coleman)
18. Mai 2013
(Premiere)

Theater Bielefeld


Points of Honor                      

Musik

Gesang

Regie

Bühne

Publikum

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Die Lügen von gestern

Der Plot ist schnell erzählt: Der wenig erfolgreiche Privatdetektiv Stone, immer klamm und auf dem falschen Fuß – Kollege Wilsberg lässt grüßen – erhält endlich einen lukrativen Auftrag. Die Gattin Alaura des machtbewussten Filmproduzenten Buddy Fidler will ihn beauftragen, ihre „entführte“ Stieftochter Mallory zu suchen. Stone zögert, ein Scheck überzeugt ihn. Währenddessen sitzt in einer Dachkammer der ebenfalls von einem mageren Fettnäpfchen in das nächste stolpernde Romanautor Stine, der für Fidler ein Drehbuch schreiben soll, eben diese Szene mit Stone. Die Parallelhandlungen, in die auch Produzent Buddy in Geldgebermanier hineinpfuscht, verwickeln, verdrehen und überkreuzen sich, bis niemand mehr so richtig weiß, wer eigentlich für wen arbeitet, wer zu wem hält und wer mit wem … Schläger tauchen bei Stone auf und erklären ihm auf handgreifliche Weise unverblümt seine Aufgaben, der ehemalige Kollege und noch Lieutenant Muños nimmt ihn aufs Korn. Und dann sind da noch die Frauen, um die es eigentlich geht … Zahlreiche Handlungsstücke werden als Rückblenden erzählt, die Songs liefern die Background-Interpretationen. Zitate aus früheren Schwarzweiß-Filmen oder Varieteshows begleiten die Rückblenden mit teils gekonnt frechen Parodien, von denen die Harmonists-Persiflage mit dem weiß befrackten und herrlich überspielten Frontsänger Jimmy Powers herausragt, den der Musical erfahrene Thomas Klotz spielt. Thomas Winter hat dieses Musical, dessen Handlung sich über fast drei Stunden hinzieht, flott und publikumsnah inszeniert. Neben einigen kleineren Gags bringt die Regie aber Musical as usual. Das gilt auch für die Musik, die William Ward Murta mit einem Teil der Bielefelder Philharmoniker stilgerecht und mit viel Spiellust präsentiert, deren Klang musicaltypisch gute Laune verbreitet. Ulv Jacobsen hat Bühne und Kostüme in die Zeit der wilden 1920-er verlegt, in denen die Fronten zwischen den Guten und den Bösen in Amerika schon mal durcheinander gerieten. So wandert auch – durchaus konsequent – die einzige Pistole des Stückes durch die verschiedensten Hände. Die in mehreren Songs und einigen Szenen angespielte Erotik kommt über die sprichwörtlichen schwarzen Dessous und Strapse nicht hinaus und bleibt eher lauwarm.   In durchweg hellen Stimmlagen und erfreulich gut verständlichem Text präsentieren die Protagonisten die Colemanschen Songs. Alexander Franzen bringt einen dunkleren, kräftigen und auch in der Darstellung überzeugenden Stone, Veit Schäfermeier gelingt der sich selbst im Wege stehende, verkannte Autor Stine mit heller Songstimme bestens, herausragend Norbert Wendel in der beherrschenden Rolle des Filmproduzenten Fidler. Brigitte Oelke sticht stimmlich wie darstellerisch aus den weiblichen Rollen hervor und bringt die seriöse Ehefrau ebenso realistisch wie die erfahren Dame von Welt oder die von Sehnsüchten getriebene, verkannte Geliebte. Roberta Valentini als Sekretärin Bobby und Annabella Mierzwa als schräge, „vermisste“ Stieftochter und Suchobjekt Mallory zeichnen mit hellen, bisweilen schrillen Stimmen ihre Figuren.   Die eher flache Handlung des Stückes wird auch durch die Rückblenden kaum spannender und wirkt mit ihren nahezu drei Stunden in die Länge gezogen, woran auch die Regie nichts ändert. Wirken einige der Songs, etwa Was du nicht über Frauen weißt oder Allein wär ich gar nichts durchaus flott, bleibt der gesamte musikalische Eindruck locker und unverbindlich. Ihre größeren Hits haben Cy Coleman, Larry Gelbart und David Zippel erst in späteren Jahren am Broadway gelandet.   Erklärter Publikumsliebling ist das Gesangsquartett der Cologne Voices, das mit herrlicher Überzeugung und mehr als zehnjähriger Erfahrung Stimmen der 1920-er auf die Bühne und Stimmung ins Theater bringt. Der als Frontsänger und Conferencier hinzu stoßende Thomas Klotz wird zum Liebling des Publikums.  

Ob konventionell oder originell, ob Musical-Alltagskost oder mitreißender Sound: Das Bielefelder Publikum nimmt’s mit Begeisterung, ist fast aus dem Häuschen. Stürmischer Beifall, nicht endende Ovationen danken Darstellern, Orchester und – deutlich erkennbar – der Spielleitung für eine Aufführung, in der trotz eines mageren Stückes die meisten Zuschauer einen unterhaltsamen Abend erleben.    

Horst Dichanz







Fotos: Matthias Stutte